Trotz Termins abgewiesen
Beschwerden Ein Mann berichtet von einem Vorfall am Impfzentrum in Weißenhorn. Schuld daran könnte eine bayernweite Lösung sein
Landkreis Neu Ulm Reimund Printz war sprachlos. Vergangene Woche wollte er sich im Corona-Impfzentrum in Weißenhorn impfen lassen. Trotz Termins wurde der Vöhringer nach 30 Minuten Wartezeit abgewiesen. „Ich glaubte an einen Irrtum“, schreibt er in einem Brief an unsere Redaktion. Doch wie ihm ging es scheinbar mehreren. Grund hierfür dürfte eine bayernweite Lösung sein, auf die man im Landkreis Neu-Ulm gerne verzichtet hätte.
Am 12. Januar habe sich Printz für eine Impfung angemeldet. Er betont, dabei alle Daten vollständig und richtig eingegeben zu haben. Am Dienstag vergangener Woche bekam der 79-Jährige eine E-Mail, dass er sich einen Termin abrufen könne. Am Mittwoch, 3. März, um 15.15 Uhr sollte es so weit sein.
Printz fuhr nach Weißenhorn, wo bereits um die 30 Personen gewartet haben sollen. Er reihte sich, eine halbe Stunde später wurden seine Personalien überprüft - und wurde abgewiesen. Der Grund: Er werde erst in fünf Monaten 80 Jahre und gehöre nicht zur aktuell berechtigten Priorisierungsgruppe. Ihm sind weitere Personen bekannt, denen das widerfahren ist.
Wie kann das passieren? Wie mehrere Impfärzte unserer Redaktion berichten, soll das mit der bayernweit genutzten Software „BayIMCO“und deren Algorithmus zusammenhängen. Im gesamten Freistaat kann sich jeder schon für eine Impfung registrieren, unabhängig von der Priorisierung. All diese Registrierungen landen in einem Topf. Eine Formel legt fest, wer einen Termin bekommt und wer nicht.
Im vorliegenden Fall, wovon es vergangene Woche mehrere gegeben haben soll, ist hier offensichtlich etwas schiefgelaufen. Wohl wurde dem System gesagt, es dürften schon Menschen zugelassen werden, die der Prio-Stufe zwei angehören. Doch zumindest im Kreis Neu-Ulm war man noch nicht so weit.
Wie das bayerische Gesundheitsministerium auf Anfrage erklärt, hätten Programmierer am 2. März Änderungen am System entsprechend der neuen bundesweiten Impfverordnung vorgenommen, wonach auch Lehrer und Erzieher impfberechtigt sind. Offenbar hat sich dabei ein Fehler eingeschlichen - und auch unter 80-Jährige wurden freigeschaltet. Die Problematik soll sich inzwischen gebessert haben. An einem Tag war es „furchtbar“, berichtet ein Impfarzt. Aber dagegen könnten sie vor Ort nichts tun. Man habe keinen Einblick und keinen Zugriff auf die Terminvergabe und schon gar nicht auf den Algorithmus.
Das Landratsamt bestätigte am Freitag, dass es zu solchen Abweisungen gekommen war. Das Problem sei dem Ministerium gemeldet worden, damit nachgebessert werden könne. Das Ministerium teilte mit: Der angesprochene Fall eines vonseiten des Impfzentrums nicht eingehaltenen Impftermins sei dem Staatsministerium nicht bekannt. Ein vergleichbarer Fall sei bislang nicht an sie herangetragen worden.
Grundsätzlich erfolge die Priorisierung zunächst anhand des Alters. Um Indikatoren wie beispielsweise den Beruf bei der Terminvergabe zu berücksichtigen, erhalten diese Personen ein „virtuelles Alter“und einen von der EDV errechneten „statistischen Korrekturfaktor“. So soll eine gleichmäßige Verteilung auf die Prio-Gruppen erfolgen. Der exakte Algorithmus könne aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht werden, um Missbrauch vorzubeugen, so ein Ministeriumssprecher.
Mitarbeiter der Impfzentren im Kreis Neu-Ulm sind mit dem bayernweiten System „nicht glücklich“. Gerne hätten sie mit der Software weitergearbeitet, die noch zum Start der Impfkampagne Ende Dezember in Weißenhorn verwendet wurde - nämlich die des privaten Anbieters und Automobilzulieferers Huber Group mit Sitz Mühlhausen im Täle. Über die wäre beispielsweise ein Zugriff auf die Terminvergabe möglich gewesen, sagen Impfärzte.
Das Landratsamt habe zwar wohl vorgeschlagen und sich dafür starkgemacht, das System weiter benutzen zu können. Doch das wurde abgelehnt. „Wir hatten dafür kein Verständnis“, so ein Mitarbeiter des Impfzentrums.
Zwar können mit BayIMCO auch Dienstplanungen und sowie die gesamte Dokumentation der Impfung vorgenommen werden. Wie Ärzte aber unserer Redaktion berichten, reicht das Portfolio nicht ganz aus, um alle Abläufe in den Impfzentren festzuhalten. So soll weiterhin zu Teilen die Software der Huber Group verwendet werden. Das Ministerium sagt: Eine alternative Software sei nicht beauftragt worden. Vom Landratsamt heißt es hierzu: „Weitere interne Abläufe, bei denen ein Einsatz von BayIMCO nach den Vorgaben des Ministeriums nicht vorgesehen ist, werden über entsprechende interne Lösungen geregelt.“
Zwar sei nicht davon auszugehen, dass mit der Software der Huber Group zwischenzeitlich mehr Menschen hätten geimpft werden können, die Engstelle sei immer noch die Verfügbarkeit. „Aber wir hätten deutlich weniger Ärger“, sagt ein Impfarzt.