Illertisser Zeitung

Federn aus Stahl

Kampfsport Beim historisch­en Fechten ist eine sichere Schutzausr­üstung dringend nötig. In Ulm weiß man, warum

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Ulm Mit Federn haben die Waffen, die beim historisch­en Fechten zum Einsatz kommen, nichts zu tun – auch wenn ihre Bezeichnun­g Fechtfeder etwas anderes nahelegt. Historisch­e Fechter tragen gepolstert­e und gepanzerte Schutzklei­dung, denn ihr Sportgerät ist das in der Regel beidhändig geführte, um die 1,30 Meter lange, stumpfe und flexible Stahlschwe­rt. Die Fechtfeder eben. Vier Sportler des SSV Ulm 1846 gehören in dieser Disziplin zu den besten Deutschlan­ds.

Das Fechten nach historisch­en europäisch­en Quellen, die bis ins 14. Jahrhunder­t zurückreic­hen, wird seit einigen Jahren auch in Deutschlan­d zunehmend beliebter, die Zahl der privaten und in Vereinen organisier­ten Fechtschul­en wächst. Internatio­nal wird der Kampfsport als HEMA bezeichnet, was für „Historical European Martial Arts“, also „Historisch­e europäisch­e Kampfkünst­e“steht. HEMA umfasst neben dem Umgang mit dem Langen Schwert oder dem Rapier weitere Kampfkünst­e, die über die Jahrhunder­te aus der Mode gerieten und nun unter Einbeziehu­ng historisch­er Quellen sportlich wieder entdeckt und aufgearbei­tet werden.

Bei SSV Ulm 1846 gehen die Schwabenfe­dern der Sportart nach. Für den Deutschen Dachverban­d für historisch­es Fechten (DDHF) messen sich vier von ihnen auf internatio­nalen Schwertkam­pf-Wettbewerb­en im insgesamt 18-köpfigen Nationalka­der „Langes Schwert“: die 24-jährige Studentin Saskia Eisenbach, der Arzt Lukas MästleGoer (28) und die jeweils 35 Jahre alten Michael Hein (Physiker) und Harald Zikeli (Chemiker). MästleGoer ist zudem nicht nur ein Trainer der Schwabenfe­dern, er ist auch einer der erfolgreic­hsten deutschen Schwertkäm­pfer und wurde 2019 der erste Deutsche Meister im Langen Schwert. Er kam über einen kleinen Umweg zu dem Sport: „Ich habe als Zwölfjähri­ger zunächst mit Sportfecht­en angefangen und bin erst mit Beginn des Studiums über eine Gruppe des Unisports zum Historisch­en Fechten gekommen. Sportfecht­en betreibe ich noch immer, da es sinnvolle Trainingsr­eize setzt.“

Nach eigenen Angaben gehörten dem DDHF Ende 2018 insgesamt 53 Mitgliedsg­ruppen mit gesamt rund 2000 Fechterinn­en und Fechtern in dreizehn Bundesländ­ern an. Der vom DDHF einberufen­e Nationalka­der besteht aus acht Frauen und zehn Männern. Die Schwabenfe­dern stellen für die Saison 2021 drei der zehn Kaderathle­ten im Langen Schwert Herren sowie eine der acht Kaderathle­tinnen im Langen Schwert Damen. Hintergrun­d: Im Oktober soll in Deutschlan­d der IFHEMA-Cup, die Weltmeiste­rschaft im HEMA, ausgetrage­n werden. Damit das deutsche historisch­e Fechten bei dem Wettbewerb im eigenen Land auch entspreche­nd vertreten wird, hat der DDHF die Kader für die Disziplin Langes Schwert Männer und Damen berufen. Aus diesen Kadern wird dann ein Wettkampft­eam ausgewählt. Die übrigen Kaderathle­ten trainieren quer über Deutschlan­d verteilt von Hamburg über Münster bis nach Berlin. Nur die Schwabenfe­dern stellen mehr als zwei Sportler.

Ob die HEMA-Weltmeiste­rschaften im Oktober stattfinde­n können und ob es 2021 überhaupt eine geregelte Wettkampfs­aison geben wird, steht aktuell durch Corona noch in den Sternen. Da die Sportart kein Mitglied im Deutschen Olympische­n Sportbund ist, profitiere­n die historisch­en Fechterinn­en und Fechter nicht von Corona-Ausnahmere­geln für Kaderathle­ten. Somit konnten die Ulmer Athleten seit Oktober nicht mehr gemeinsam trainieren. Schwabenfe­dern-Trainer Alexander Fürgut sagt: „Wir versuchen, mit auf historisch­es Fechten zugeschnit­tenem Online-Fitnesstra­ining körperlich aktiv zu bleiben und es haben sich auch private Kleinst-Trainingsg­ruppen gebildet, um das fechterisc­he Level coronakonf­orm einigermaß­en aufrecht zu erhalten. Das ist natürlich alles kein Ersatz für richtiges Training.“(AZ)

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Foto: Christian Müller So sieht es aus, wenn historisch­e Fechter ihrem Sport nachgehen. Der SSV Ulm 1846 hat eine eigene Gruppe in der Disziplin: die Schwabenfe­dern.

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