Illertisser Zeitung

So war das mit ... Charles Barton

Serie Er war nicht der erfolgreic­hste Ulmer Basketball­trainer, aber der wohl ungewöhnli­chste. Der Appetit auf eine Schlachtpl­atte trieb ihn sogar in eine Besenwirts­chaft auf der Alb

- VON PIT MEIER

Ulm Sie waren im Spätwinter des Jahres 1997 schon ein Hingucker für die Landbevölk­erung in dieser Besenwirts­chaft auf der Schwäbisch­en Alb – die drei Sportredak­teure dieser Zeitung, vor allem aber ihr Begleiter, dieser groß gewachsene Schwarze mit dem kahl geschorene­n Schädel. Sein Name: Charles Barton. Sein Beruf: Basketball­trainer. Längst nicht der erfolgreic­hste seiner Zunft, aber der vielleicht ungewöhnli­chste, der jemals in Ulm gearbeitet hat.

Sportlich war die Saison 1996/97 eine schwierige für den Ulmer Basketball und Charles Barton. Es war ein Jahr zwischen Pokalsieg und Vizemeiste­rschaft, zwischen Brad Dean und Peter Krüsmann. Am Ende verpasste die damals noch unter dem Namen SSV Ulm 1846 spielende Mannschaft sogar die Playoffs. Aber der Mann, der aus Schweden in die Bundesliga kam und der neben der amerikanis­chen auch die schwedisch­e Staatsbürg­erschaft hat, setzte in anderer Hinsicht Maßstäbe. Etwa in kulinarisc­her. Vom ersten Tag an schwärmte Barton den Journalist­en von einer Schlachtpl­atte vor, die er irgendwo und irgendwann in Deutschlan­d gegessen und die ihm derart gewaltige Gaumenfreu­den beschert habe, dass er seither ein unbändiges Verlangen nach weiteren Schlachtpl­atten verspüre. Die Skepsis im Kollegenkr­eis war groß. Es gibt ja bekanntlic­h sogar Schwaben, die keine Schlachtpl­atte mögen. Aber was der Mann unbedingt will, das soll er kriegen – in seinem Fall das für ihn zweifelhaf­te folklorist­ische Vergnügen des Besuchs einer Besenwirts­chaft auf der Alb. Er muss sich dort gefühlt haben wie ein Schwabe in Begleitung von drei Einheimisc­hen in einem Jazzklub in Harlem. Vor Ort hat es der auf seinem Teller stochernde Charles Barton dann jedenfalls selbst eingesehen: Was er auch immer irgendwo und irgendwann in Deutschlan­d gegessen hat – es war nichts mit Blut- und Leberwurst und somit definitiv auch keine Schlachtpl­atte.

Das tolle Verhältnis zwischen dem Basketball­trainer und der schreibend­en Zunft hat dieses kulinarisc­he Missverstä­ndnis eher noch vertieft. Wenn die Mannschaft­en sich bereits auf dem Feld warm machten, also wenige Minuten vor Beginn der Spiele, dann bat Barton damals die Journalist­en in die Ulmer Umkleideka­bine. Dort erklärte er

Magic Johnson ihnen auf den harten Holzbänken in den Katakomben der Kuhberghal­le, was er taktisch vorhat, ob er Mannoder Zonenverte­idigung spielen lässt und was er sich davon verspricht. Ganz ehrlich: Das war durchaus hilfreich. Trotzdem hat das kein Trainer vor ihm gemacht und keiner nach ihm. Es hat sich auch kein anderer auf der Flughafent­oilette in Madrid mit einem Journalist­en über die Einsatzzei­ten der Spieler im Europapoka­l unterhalte­n.

Mit diversen Empfindlic­hkeiten und Schrulligk­eiten von Charles Barton musste man sich dafür halt arrangiere­n. Wenn Ulm ein Spiel knapp und unglücklic­h verloren hatte, dann lag das seiner Überzeugun­g nach auch mal an der rassistisc­hen Einstellun­g der Schiedsric­hter. Den Schreiber dieser Zeilen begrüßte Barton am Telefon gerne mit der Anrede „the russian spy“(der russische Spion). Bewährt hat sich folgende Reaktion: Heftige Belustigun­g vortäusche­n und bloß nicht nach einer Erklärung fragen.

Man gewöhnte sich besser daran, denn der Kontakt zu Charles Barton, der sich übrigens selbst sehr gerne „Sir Charles“nennen ließ, wurde noch einmal sehr intensiv, nachdem der nach Schweden zurückgeke­hrt und später die Mannschaft von Boras übernommen hatte. Im Frühling des Jahres 1999 wurde bekannt, dass die NBA-Legende Earvin „Magic“Johnson mit dem Gedanken spielte, in Zusammenar­beit mit seinem Kumpel Barton eine Topmannsch­aft in Europa zu installier­en. Im schwedisch­en Boras, aber möglicherw­eise auch in Ulm, wenn Barton dort wieder

Trainer sein darf. Nächtelang glühten damals die Telefondrä­hte zwischen dem damaligen SSV-Vorsitzend­en Florian Ebner, Charles Barton und dem Schreiber dieser Zeilen („the russian spy ...“). Es wurde dann aber doch nichts aus der ganzen Sache. In Ulm sowieso nicht, aber so richtig auch nicht in Schweden. Vermutlich wollte Magic Johnson genau genommen eben doch nicht Geld investiere­n, sondern noch mehr Geld verdienen.

Barton war später dänischer Nationaltr­ainer, außerdem hat er in Israel, Griechenla­nd, Zypern und Polen, aber vorzugswei­se in Schweden gearbeitet. Ein Jahr lang war er auch wieder in der Bundesliga bei den Frankfurte­r Skyliners. Das Verlangen nach einer Schlachtpl­atte hat er dem Vernehmen nach nirgendwo mehr geäußert.

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Foto: imago sportfotod­ienst Der Mann fällt auf am Spielfeldr­and und erst recht in einer Besenwirts­chaft auf der Alb: Charles Barton war der wohl ungewöhn lichste Ulmer Basketball­trainer.
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