Ein Tor feiert Geburtstag
Jubiläum Wer an die ARD-Sportschau denkt, der denkt das „Tor des Monats“gleich mit. Eine Institution, die vor 50 Jahren aus der Idee eines WDR-Reporters entstand
Tor-Premiere in der Regionalliga – ein Ball klemmt im Winkel:
Der Name Gerhard Faltermeier dürfte selbst in Fußballdeutschland nur den wenigsten geläufig sein. Dabei steht er fest in den Geschichtsbüchern: Faltermeier wurde 1971 der erste Schütze eines „Tor des Monats“in der ARD Sportschau. Am 28. März 1971 trat Faltermeier mit Jahn Regensburg in der damals zweitklassigen Regionalliga Süd beim VfR Mannheim an und jagte einen Freistoß aus rund 20 Metern mit einem satten Rechtsschuss zum 2:0 in den linken oberen Torwinkel. Der Schuss hatte solch eine Wucht, dass der Ball zwischen Torgestänge und Netz hängen blieb. Die Zuschauer der Sportschau kürten diesen außergewöhnliche Treffer daraufhin zum „Tor des Monats“– es war die erste Wahl überhaupt.
Eine einzige Erfolgsgeschichte: Dass es diese Wahl zum „Tor des Monats“im Frühjahr vor 50 Jahren überhaupt geben konnte, lag vor allem an Klaus Schwarze. Der WDRReporter, später 18 Jahre lang Moderator der Sportschau, hatte die Idee aus England mitgebracht. Im April 1971 war es dann so weit: Erstmals wurde eine Auswahl zum „Tor des Monats“März vorgestellt.
Was folgte, war eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. „Ich hatte das Glück, dass in der ersten Sendung 600 000 Einsendungen für das ,Tor des Monats‘ kamen. Da musste dann keiner mehr argumentieren.
Da war das Ding durch und seitdem läuft es halt 50 Jahre“, erzählt Schwarze in der Jubiläumsdokumentation, die am 28. März in der ARD läuft.
Helfende Hände aus dem Kölner „Klingelpütz“
Wohin mit den Postkarten? Die Abstimmungen der Zuschauer, damals noch in Form von Postkarten, gingen vom Start weg durch die Decke. „Es gab mal eine Hochzeit Ende der 1970er, wo bei jeder Wahl millionenfach Postkarten eingesendet worden sind“, berichtet WDRSportredakteur Christian Riewe, der heute verantwortlich ist für das „Tor des Monats“, gegenüber unserer Redaktion.
Die Postkartenflut war der Sportschau-Redaktion bereits Mitte der 70er Jahre über den Kopf gewachsen. Denn sämtliche Karten mussten nicht nur gezählt, sondern auch nach Toren in Säcken sortiert werden. „Früher konnten nur die Postkarten gewinnen, die auch für das Siegertor abgestimmt hatten“, erklärt Riewe. Der WDR suchte also dringend nach Unterstützung für die Auszählung.
Fündig wurde man bei der JVA Köln, auch als „Klingelpütz“bekannt. Jobs für die Gefangenen waren hier immer gerne gesehen. So kam es, dass die Häftlinge für die
ARD Sportschau hunderttausende Postkarten nach Treffern sortierten und so ein nicht unbedeutender Teil der „Tor des Monats“-Geschichte wurden.
Podolski hält den „Tor des Monats“-Rekord
Prinz Peng: Einem Fußballer schien die allmonatliche Auszeichnung im Ersten ganz besonders gut zu gefallen: Lukas Podolski sicherte sich zwischen 2004 und 2017 zwölf Mal die „Tor des Monats“-Medaille. „Ich glaube, wir hätten sogar ein Einwurftor zur Wahl stellen können – das hätten seine Fans auch gewählt“, meint WDR- Redakteur Riewe in Bezug auf „Prinz Poldi“.
Mit deutlichem Rückstand folgen in der Rangliste der Top-Torschützen Jürgen Klinsmann (sieben Auszeichnungen) sowie Karl-Heinz Rummenigge, Mario Basler und Klaus Fischer (je sechs). Der erfolgreichste noch aktive Fußballer ist Serge Gnabry mit aktuell vier prämierten Toren.
Die Zwölf-Tore-Marke von Podolski könnte ein Rekord für die Ewigkeit sein. Das (bisher) letzte „Tor des Monats“erzielte der UrKölner im März 2017 in seinem Nationalmannschaftsabschiedsspiel gegen England. Der Podolski-typische Fernschuss in den Winkel wurde einige Monate später auch zu seinem ersten und einzigen „Tor des Jahres“gewählt.
In der Sportschau-Jubiläumsdoku schwärmt Podolski von diesem ganz besonderen Moment im Dortmunder Westfalenstadion und meint: „Kann sein, dass der liebe Gott ein Poldi-Fan ist.“
Die Team-Wertung geht nach München
Die Bayern dominieren: Während Podolski in der Einzelwertung nach 50 Jahren mit deutlichem Vorsprung führt, ist es in der Mannschaftswertung enger. An der Spitze steht mit 62 Ehrungen der FC Bayern München, gefolgt von der deutschen Männer-Nationalmannschaft mit 54 Auszeichnungen. Borussia Mönchengladbach kommt als Dritter auf 36 Monatssiege, der 1. FC Köln auf 35. Das erfolgreichste Jahr aus Sicht eines Teams legte 1973 ebenfalls Borussia Mönchengladbach hin. Die Fohlenelf um Jupp Heynckes und Günter Netzer sammelte innerhalb von zwölf Monaten sechs Medaillen.
Der Fallrückzieher-König: Wer sich vornimmt, einen Treffer der Marke „Tor des Monats“zu erzielen, der sollte es am besten mit einem Distanzschuss probieren. Denn mit 151 Toren ist dies die Art, in der am häufigsten das „Tor des Monats“erzielt wurde. Mit deutlichem
Rückstand folgt der Volleyschuss (87) und erst an dritter Stelle steht der legendäre Fallrückzieher (77).
Und den konnte keiner so schön zelebrieren wie Klaus Fischer, der König der Fallrückzieher. Eines seiner spektakulären Tore schaffte es zu ganz besonderem Ruhm: Der Treffer am 16. November 1977 zum 4:1 im Länderspiel gegen die Schweiz in Stuttgart wurde nicht nur zum „Tor des Monats“und „Tor des Jahres“gewählt, sondern auch zum „Tor des Jahrhunderts“.
Das „Tor des Monats“als Initialzündung für den Frauenfußball
Mit einem Rechtsschuss in die Geschichtsbücher: Der 8. September 1974 machte Bärbel Wohlleben zum ersten Promi des deutschen Frauenfußballs: Da traf sie im ersten offiziellen Endspiel um die deutsche Meisterschaft mit einem satten Rechtsschuss aus 20 Metern ins Tor. Es war nicht nur das 3:0 beim 4:0-Sieg ihres TuS Wörrstadt gegen Eintracht Gelsenkirchen-Erle, sondern auch das erste „Tor des Monats“einer Frau in der ARD Sportschau.
„Erst viel, viel später habe ich gemerkt, dass das eine Art Initialzündung für den Frauenfußball war“, erzählte Wohlleben Jahrzehnte danach. Mit welchen Vorurteilen und welcher Skepsis der Frauenfußball
Gewinner ohne Ehrung:
Das erste Eigentor in der „Tor des Monats“-Historie erzielte Helmut Winklhofer vom FC Bayern München im August 1985 im Spiel bei Bayer Uerdingen. Und was für ein schöner Treffer es war: Rund dreißig Meter vor dem eigenen Tor zog Winklhofer im Duell mit einem Gegenspieler voll durch und drosch den Ball über Torwart Jean-Marie Pfaff hinweg ins eigene Tor.
Hoeneß stinksauer: Keine Ehrung fürs Eigentor! Winklhofer und Pfaff wurden nach erfolgter Wahl zur Medaillenübergabe ins Sportschau-Studio eingeladen. Die Bayern-Verantwortlichen fanden diese „Auszeichnung“hingegen gar nicht lustig: Manager Uli Hoeneß war stinksauer und verbot Winklhofer und Pfaff, zur Ehrung zu fahren. WDR- Moderator Arnd Zeigler war Winklhofers Schuss viele Jahre später eine besondere Auszeichnung wert – und zwar in der Rubrik „Kacktor des Monats“, eine Anlehnung an das „Tor des Monats“.
Insgesamt wurde in 50 Jahren nur 43 Mal kein „Tor des Monats“gewählt. In allen anderen Monaten durfte sich jemand über die legendäre Sportschau-Medaille freuen. Freuen dürfen sich am 28. März auch die Sportschau-Redaktion und die gesamte ARD, wenn das erste „Tor des Monats“von Gerd Faltermeier auf den Tag genau 50 Jahre zurückliegt.
Zur Feier des Tages zeigt die ARD ab 18.30 Uhr die Dokumentation „50 Jahre Tor des Monats“. Ein Termin, den sich Fußballliebhaber wohl besser nicht entgehen lassen sollten.