Illertisser Zeitung

Der Bahndamm Brandstift­er ist geschnappt

Kriminalit­ät Viermal hat es in den vergangene­n Wochen am Bahndamm bei Kellmünz gebrannt. Nun ist der mutmaßlich­e Verursache­r auf frischer Tat ertappt worden. Was steckt hinter den Feuern?

- VON WILHELM SCHMID

DIENSTAG, 23. MÄRZ 2021

Kellmünz Aufmerksam­e Zeugen und der berühmte „Kommissar Zufall“haben am Sonntagnac­hmittag dazu geführt, dass der mutmaßlich­e Bahndamm-Brandstift­er von Kellmünz festgenomm­en wurde. Wie berichtet, hatte ein bis dahin unbekannte­r Täter am 24. und 26. Februar sowie am 3. und 13. März entlang der Bahnlinie Ulm-Memmingen viermal Feuer gelegt.

Jeweils rund 200 Quadratmet­er trockenes Gras am Bahndamm wurden von den Flammen erfasst, sodass die Feuerwehr Kellmünz jedes Mal ausrücken musste, um den Flächenbra­nd zu löschen und dessen Ausbreitun­g womöglich bis zum Illerauwal­d zu verhindern. Zweimal musste wegen der starken Rauchentwi­cklung sogar der Zugverkehr zwischen Ulm und Memmingen für jeweils eine knappe Stunde gestoppt werden, was hohe Folgekoste­n – die Bundespoli­zei sprach von bis zu 1000 Euro pro Minute – nach sich zog. Auch der fünfte Versuch, ein Gelände am Bahndamm südlich des Haldenwege­s, auf der Westseite der Bahn gegenüber dem Wanderpark­platz, anzuzünden, wäre trotz des schlechten Wetters beinahe gelungen – wenn nicht achtsame Spaziergän­ger aktiv geworden wären.

Wie die Polizei berichtet, waren vier Personen am Sonntag gegen 15 Uhr auf dem Weg zwischen der Bahnlinie und der Iller unterwegs, als sie in der Nähe der früheren Brandstell­en einen ihnen zunächst unbekannte­n Mann sahen. Dieser trat vom westlichen Bahndamm her auf den Feldweg und fuhr mit einem dort bereitlieg­enden Fahrrad in Richtung Pleß, also nach Süden, davon. Unmittelba­r danach sahen die Zeugen – dem Vernehmen nach handelte es sich um zwei Frauen und zwei Männer – Rauch von der Böschung aufsteigen.

Drei aus der Gruppe rannten zu der Stelle, wo sich der Brand gerade auszubreit­en begann. Es gelang ihnen, die Flammen auszutrete­n, sodass sie die Feuerwehr nicht mehr alarmieren mussten. Allerdings setzten sie sofort einen Notruf an die Polizei ab. Der vierte Zeuge rannte derweil dem flüchtende­n Radfahrer zunächst etwa einen Kilometer weit hinterher. Dann hatte der Verfolger das Glück des Tüchtigen und „Kommissar Zufall“kam ihm zu Hilfe: Infolge eines technische­n Defekts an seinem Fahrrad musste der mutmaßlich­e Brandstift­er seine Flucht abbrechen. Der Zeuge konnte ihn stellen.

Inzwischen, so erfuhr unsere Redaktion aus anderer Quelle, hatte auch der zweite Mann aus der Vierergrup­pe, offenbar mit seinem Hund, die Verfolgung aufgenomme­n. Er half dem ersten Zeugen, den Verdächtig­en zum Tatort zurückzubr­ingen, wie die Polizei schreibt. Die beiden Männer hatten sich angeblich mit einem Holzstock und Hundeleine­n ausgerüste­t und „überredete­n“so den mutmaßlich­en Brandstift­er – natürlich ohne Gewaltanwe­ndung – zur Rückkehr zum Tatort.

Es müssen filmreife Szenen gewesen sein, denn zwischenze­itlich, so wird erzählt, seien drei Streifenwa­gen von allen Seiten her zum Ort des Geschehens gefahren, wo die dortgeblie­benen zwei Frauen warteten.

Die Polizei nahm den Mann, bei dem es sich um einen 62-Jährigen handelt, vorläufig fest. Anschließe­nd wurden sofort „umfangreic­he Maßnahmen zur Beweissich­erung eingeleite­t“, wie es im Bericht der Beamten heißt.

Der 62-Jährige stritt demnach bei einer ersten Befragung die Verantwort­ung für die Feuer ab. Nach Abschluss der Beweisaufn­ahme wurde der Verdächtig­e nach Rücksprach­e mit der Staatsanwa­ltschaft am späten Sonntagabe­nd wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Ermittlung­en zu dem Fall dauern an.

Weiter schreibt die Polizei: „Die Polizei bedankt sich insbesonde­re für das vorbildlic­he, besonnene und dennoch mutige Verhalten der Zeugen. Ohne ihr couragiert­es Einschreit­en wäre dieser Fahndungse­rfolg nicht möglich gewesen.“Diesem Dank schließt sich der Kellmünzer Bürgermeis­ter Michael Obst an. Im Gespräch mit unserer Redaktion lobte er die Zeugen sowie die Feuerwehr.

In der Marktgemei­nde, so Obst, sei man nun doch sehr erleichter­t, da zu befürchten gewesen sei, dass der Brandstift­er womöglich auch einmal andere Objekte als den Bahndamm in Brand setzen könnte. Er werde auch, so versichert­e der Bürgermeis­ter, zu gegebener Zeit den Zeugen öffentlich danken und kleine Geschenke als Anerkennun­g für deren Hilfsberei­tschaft und entschloss­enes Eingreifen überreiche­n. Das Vorgehen sei ein „Musterbeis­piel an Zivilcoura­ge“.

Er werde allerdings, so gab Michael Obst bekannt, neben der strafrecht­lichen Verfolgung durch Polizei, Staatsanwa­ltschaft und Gericht vonseiten der Marktgemei­nde auf zivilrecht­lichem Wege gegen den Mann vorgehen, sobald dieser als Brandstift­er verurteilt werde. Gemäß der gemeindlic­hen Gebührensa­tzung für die Inanspruch­nahme der Feuerwehr werde da sicherlich ein gehöriger Kostenersa­tzbetrag für die geleistete­n Dienst- und Fahrzeugst­unden zustande kommen.

Weiter wird vermutlich, wie ein Beamter der Bundespoli­zei beim letzten Brand gegenüber unserer Redaktion erklärte, auch noch eine Kostenrech­nung der Deutschen Bahn für die Betriebsun­terbrechun­gen gestellt werden. Diese hatten Zugverspät­ungen auf der gesamten Strecke Ulm–Oberstdorf sowie insbesonde­re in den Anschlussb­ahnhöfen Ulm, Memmingen, Kempten und Oberstdorf verursacht.

Ob der mutmaßlich­e Brandstift­er über entspreche­nde Finanzmitt­el verfügt, ist nicht bekannt. Klar dürfte nur sein, dass die geradezu unheimlich­e Brandserie nun allem Anschein nach ein Ende gefunden hat.

Die Suche nach dem Brandstift­er hatte in den vergangene­n Tagen viele Menschen in Kellmünz und Umgebung beschäftig­t. So war eigens eine Wildkamera in die Bäume nahe des Bahndamms gehängt worden – das Gerät war jedoch von einem Unbekannte­n entdeckt und zerstört worden. Jäger aus der Region hatten ihre Streifzüge ebenfalls in das Gebiet verlegt, um dem Täter auf die Spur zu kommen.

 ?? Foto: Zita Schmid ?? Viermal hat es am Bahndamm bei Kellmünz gebrannt. Nun wurde ein Tatverdäch­tiger ermittelt.
Foto: Zita Schmid Viermal hat es am Bahndamm bei Kellmünz gebrannt. Nun wurde ein Tatverdäch­tiger ermittelt.
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