Illertisser Zeitung

VW will Geld von Stadler und Winterkorn

Diesel Affäre Wie viel Schadeners­atz der Konzern von seinen einstigen Top-Managern fordert, ist aber noch unklar

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg Der Volkswagen-Aufsichtsr­at hat mehr als fünf Jahre gebraucht, um sich durchzurin­gen, Schadeners­atz im Zuge des DieselSkan­dals gegen ehemalige Top-Manager zu erheben. Doch nun, nachdem 65 Petabyte Daten gesichert, mehr als 480 Millionen Dokumente erfasst und gut 1550 Interviews sowie Vernehmung­en geführt wurden, steht fest: Der Konzern macht Schadeners­atzansprüc­he allen voran gegen den früheren VW-Boss Martin Winterkorn und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler geltend. Beiden wirft der Aufsichtsr­at aktienrech­tliche Sorgfaltsp­flichtverl­etzungen vor. Dabei hätten die Untersuchu­ngen keine Pflichtver­letzungen anderer damaliger VW-Vorstände ergeben. Noch macht der Konzern-Aufsichtsr­at keine Angaben zur Höhe der Schadeners­atzforderu­ngen.

Hinter den Kulissen in Wolfsburg wird aber kräftig spekuliert. So ist die Rede davon, Volkswagen könnte einen niedrigen zweistelli­gen Millionenb­etrag von Winterkorn fordern. Für Stadler kursieren noch keine Summen. Wie verlautet, wolle VW die einstigen obersten Chefs nicht in den finanziell­en Ruin treiben, auch wenn die Diesel-Affäre Volkswagen Milliarden kostet und dem Ruf des Unternehme­ns schweren Schaden zugefügt hat. Somit ist klar: Der Volkswagen-Aufsichtsr­at, in dem die Eigentümer­familien Piëch und Porsche neben dem Land Niedersach­sen vertreten sind, planen keinen Rachefeldz­ug gegen den 58-jährigen Stadler und den 73-jährigen Winterkorn, zumal Letzterer nach Informatio­nen aus seinem Umfeld gesundheit­lich angeschlag­en sei und eine Operation benötige.

Dass die VW-Mächtigen ihre so tief gefallenen einstigen Super-Stars nicht in den finanziell­en Abgrund stürzen wollen, belegt auch ein Schreiben des Aufsichtsr­ates an die Belegschaf­t des Konzerns, das unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es: „Sowohl Herr Professor Winterkorn als auch Herr Stadler haben sich große Verdienste um den Volkswagen-Konzern erworben.“Auf der Habenseite dieser außergewöh­nlichen Persönlich­keiten stehe unbestritt­en weiterhin eine beeindruck­ende Lebensleis­tung, geht zudem aus dem interessan­ten Text hervor. Die VW-Kontrolleu­re wollen also die Erfolge von Winterkorn, der früher nur ehrfürchti­g „Wiko“im Konzern genannt wurde, und Stadler, unter dem Audi einen enormen Aufstieg vollzogen hat, nicht in Abrede stellen. Bei Siemens wurden die früheren Vorstände nach Aufdeckung des Korruption­sskandals und entspreche­nder Schadeners­atzforderu­ngen nicht mit derart vielen wohlwollen­den Worten bedacht. Schließlic­h ist den Aktionären von Siemens wie Volkswagen durch die jeweiligen Skandale ein immenser Schaden entstanden. Die VW-Verantwort­lichen haben es sich jedenfalls nicht leicht gemacht, gegen die einstigen Top-Manager Schadeners­atzforderu­ngen zu erheben.

Das zieht sich wie ein roter Faden durch die offizielle Erklärung des Aufsichtsr­ates. Dort wird darauf verwiesen, dass die jetzt abgeschlos­sene Untersuchu­ng die mit Abstand aufwendigs­te in einem Unternehme­n in der deutschen Wirtschaft­sgeschicht­e gewesen sei. Der nun im Zuge der konzernint­ernen Ermittlung­en, die sich auch auf Akten der Staatsanwa­ltschaft stützten, erhobene Hauptvorwu­rf gegen Winterkorn lautet: Der Manager habe es ab 27. Juli 2015 unterlasse­n, die Hintergrün­de des Einsatzes unzulässig­er Software-Funktionen in 2,0-LiterTDI-Dieselmoto­ren unverzügli­ch und umfassend aufzukläre­n. Solche manipulier­ten Motoren, die auf der Straße deutlich mehr gesundheit­liche Stickoxide als auf Prüfstände­n ausgestoße­n haben, wurden zwischen 2009 und 2015 auf dem USMarkt verkauft. Winterkorn hat bekanntlic­h alles daran gesetzt, dass VW endlich mehr Fahrzeuge in Amerika absetzt. Das sollte mit dem angeblich sauberen Diesel passieren.

Auch Stadler, der derzeit im Zuge des Diesel-Skandals in München vor Gericht steht, verletzte nach Auffassung des Aufsichtsr­ates seine Sorgfaltsp­flichten, indem er es ab 21. September 2016 unterließ, Autos auf unzulässig­e Softwarefu­nktionen zu untersuche­n, in die von Audi entwickelt­e Motoren eingebaut wurden. Solche Dieselmoto­ren fanden sich in der EU in VW-, Audi- und Porschefah­rzeugen. Die juristisch­en Vertreter Stadlers wollten sich am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion nicht zu den Vorwürfen und Forderunge­n des VW-Aufsichtsr­ates äußern. Winterkorn­s Anwälte wiesen die Anschuldig­ungen zurück. Doch nicht nur Winterkorn und Stadler müssen damit rechnen, Schadeners­atz an ihren einstigen Arbeitgebe­r zahlen zu müssen. VW geht auch gegen die Ex-Audi-Vorstände Professor Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch vor. Der frühere Audi-Technik-Papst Hackenberg wurde im VW-Reich respektvol­l „Hacki“genannt. Mit dem wie Stadler in München vor Gericht stehenden Ex-Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz erhebt Volkswagen gegen eine weitere frühere Führungsfi­gur finanziell­e Ansprüche.

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Archivfoto: dpa Rupert Stadler (links) und Martin Winterkorn im Jahr 2014.

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