Das Theater Ulm bleibt im Wartemodus
Lockdown Nach der zweiten Spielzeit, die Corona gestoppt hat, zieht das Theater Ulm Zwischenbilanz – und der Intendant Kay Metzger fragt sich: Könnte der aktuelle Modellversuch in Tübingen zum Schlüssel für die Öffnung werden?
Ulm Den „Welttag des Theaters“feiert die Bühnenszene jedes Jahr, seit 1961, und zum 50. Mal findet er an diesem 27. März statt. Feiertagslaune kommt aber kaum auf: Selten wurde so viel über Theater diskutiert, während so wenig Theater stattfindet wie fast noch nie. Etwas Hoffnung konnte die deutsche Bühnenszene aus dem bundesweiten Stufenplan zur Lockerung schöpfen – von dem Bund und Länder aber teilweise wieder abgerückt sind.
Während am Tübinger Landestheater nun aktuell ein Modellversuch mit Spielbetrieb läuft, bemüht sich das Theater Ulm um Bestandsaufnahme und Ausblick. Wie lief bislang die unterbrochene Spielzeit 2020/21? Was wäre denkbar für den Spielplan 2021/22? Diese Fragen beantwortete die Theaterspitze nun im Kulturausschuss der Stadt Ulm. Und nur kurz darauf wurde bekannt, dass einer, der das Haus durch diese Krise leiten muss, noch länger am Theater wirken wird: Kay Metzger hat seinen Vertrag als Intendant bis August 2026 verlängert.
Gemeinsam mit der Verwaltungsdirektorin Angela Weißhardt äußert er sich jetzt zur Lage.
Ginge es nach dem Stufenplan, wäre die Öffnung in Ulm vielleicht nur einen Schritt entfernt gewesen – bei einer Sieben-Tages-Inzidenz unter 100. Doch dann fielen politischen Beschlüsse, in Bayern, BadenWürttemberg, bundesweit, und die Öffnungsperspektiven verschieben sich weiter. Und die Infektionszahlen steigen. „Ich habe diese Entwicklung kommen sehen. Lockdowns und Veranstaltungsverbote scheinen im Moment leider das einzige probate Mittel zu sein, das die Politik zur Hand hat“, sagt Kay Metzger. „Das stellt sich für uns die Frage, wie lange man diese Perspektivlosigkeit noch aushalten kann.“
Die Durststrecke dauert seit Herbst an und sie lässt sich auch in Zahlen fassen, in der Zwischenbilanz der Spielzeit. Noch mehr als
Kay Metzger 86.000 Besucher hatten das Programm der Ulmer Saison 2019/20 erlebt, in der Zeit von September bis Ende Januar – erst im März 2020 endete die Saison im Corona-Lockdown. In der aktuellen Saison, die seit November so gut wie auf Eis liegt, waren es bis Ende Januar knapp 6000 Zuschauer.
Immerhin, als das Theater seine Türen öffnen konnte, war das Interesse besonders stark. Mozarts „Zauberflöte“und Brechts „Dreigroschenoper“gab es in einer konzertanten, schmalen und coronagerechten Version, aber die Vorstellungen erreichten eine Auslastung um 100 Prozent – gemessen an der erlaubten Zahl von Zuschauern. „Das Musiktheater ist der Ulmer liebstes Kind“, so kommentierte das Angela Weißhardt im Kulturausschuss.
Das Theater präsentierte mit Elfriede Jelineks „Am Königsweg“auch seine erste komplett gestream
Angela Weißhardt te Produktion und zu Weihnachten und Neujahr filmte das Orchester des Theaters musikalische Grüße. Dennoch: „Der zweite Lockdown ist zäher und schwerer zu ertragen“, sagte Weißhardt, denn der Stillstand dauere nun fast schon ein halbes Jahr.
Ein Großteil der Belegschaft befand oder befindet sich noch in Kurzarbeit. Proben sind für das Orchester nicht möglich, es kam nur für die Vordirigate zusammen, im Auswahlverfahren für die Nachfolge des Generalmusikdirektors Timo Handschuh.
In dieser großen, langen Pause gehen die Abozahlen deutlich zurück, schließlich ruht auch das Abonnement-System in der Saison. Dass Weißhardt trotzdem erklärte, „das Publikum ist uns treu geblieben“, hat einen Grund: Etwa 3800 Theatergänger haben auf die Rückerstattung von Ticket- und Abopreisen verzichtet – Spenden im Wert von 300.000 Euro.
Kay Metzger verfolgt jetzt, wie Bühnen in anderen Städten an Auswegen arbeiten: „Wir blicken gespannt auf den Modellversuch in
Tübingen. Dort wird direkt vor dem Theater getestet, und das Ergebnis haben die Besucher dann nach kurzer Wartezeit, in weniger als 15 Minuten“, sagt der Intendant. Deshalb suche er auch immer wieder den Austausch mit der Leitung des Landestheaters Tübingen.
An diesem Modellversuch orientiert sich auch Metzgers Idee, wie das Theatererlebnis unter Pandemie-Bedingungen funktionieren könnte: mit Testungen, Abstandsregeln und Mund-Nasenbedeckung sowie den „hervorragenden Lüftungssystemen“im Theater.
Unter diesen Sicherheitsvorkehrung könne er sich eventuell auch vorstellen, dass eine Sitzplatzbelegung im viel diskutierten Schachbrettmuster möglich und sicher wäre.
So könnten mehr Menschen im Publikumsraum Platz finden. Vieles steckt weiter in der Warteschleife am Theater Ulm – für den Moment der Öffnung: „‚Der Barbier von Sevilla‘ steht in der Pipeline, im Schauspiel ‚Der Fiskus‘ und im Tanztheater der ‚Sommernachtstraum‘.“