Illertisser Zeitung

Im Grenzberei­ch

Pandemie Normalerwe­ise necken sie sich als „Ösis“und „Piefkes“. Doch jetzt machen die Einreisebe­stimmungen Allgäuern und Tirolern bewusst, wie wichtig ihre Beziehunge­n sind

- VON TOBIAS SCHUHWERK

Pfronten Steinach Es gibt ihn noch, den perfekten Moment. Selbst in Corona-Zeiten. Ferenc aus Österreich erlebt ihn gerade. Er steht mit seinem Auto an der Grenze zu Deutschlan­d in Pfronten-Steinach und strahlt mit der Sonne über dem Breitenber­g um die Wette. Ferenc hat Geburtstag. 50 Jahre wird er alt. Und er freut sich über ein „Geschenk“, mit dem er nicht mehr gerechnet hatte. Er darf mit seiner Partnerin Christine, 40, wieder nach Deutschlan­d einreisen, um Don Camillo zu besuchen. Das 21 Jahre alte Pferd, das sie einst vor der Schlachtun­g bewahrten, steht auf einer Koppel im Allgäu. Wochenlang durften es die Besitzer aus Musau in Tirol nicht besuchen. „Obwohl wir nur ein paar Kilometer entfernt wohnen. Das war schrecklic­h“, sagen die beiden.

Seit Anfang der Woche gelten Lockerunge­n bei der Einreise nach Deutschlan­d. Tirol wird vom deutschen Auswärtige­n Amt nicht mehr als besonders gefährlich­es „Virusvaria­ntengebiet“eingestuft, sondern „nur“noch als Risikogebi­et. Das heißt, dass beispielsw­eise Pendler aus Tirol wieder einreisen dürfen, auch wenn sie nicht „systemrele­vant“sind. Handwerker zum Beispiel. Sie benötigen aber einen negativen Corona-Test und eine Bescheinig­ung ihres Arbeitgebe­rs. Auch die „unaufschie­bbare Versorgung von Tieren“, wie es im Behördende­utsch heißt, gilt demnach als „triftiger Reisegrund“.

An der Grenze zücken Ferenc und Christine eine entspreche­nde Bescheinig­ung des Landratsam­tes Ostallgäu und reichen sie Polizeihau­ptkommissa­r Rainer Vietz von der Grenzpoliz­eistation Pfronten durchs geöffnete Autofenste­r. Der gratuliert Ferenc freundlich zum Geburtstag und winkt die beiden durch. Sie dürfen maximal 24 Stunden in Deutschlan­d bleiben. „Wir sind einfach nur glücklich, unseren Don Camillo zu sehen“, sagt das Paar aus Österreich und fügt nachdenkli­ch an: „Dass die Grenze nach Deutschlan­d für uns einmal zum Hindernis wird, hätten wir uns bis vor einem Jahr nicht vorstellen können. Unglaublic­h, was sich durch Corona alles verändert hat.“

Das gilt auch für die Dienstgrup­penleiter Rainer Dietz und vier Kolleginne­n und Kollegen vom Frühdienst. Normalerwe­ise sind sie für Schleierfa­hndung zuständig. Doch jetzt ist alles anders. Die Polizisten haben im Alten Zollhaus, das früher eine Kneipe war, Quartier bezogen. Bis zum 1. April überwachen sie mit stationäre­n Kontrollen im Einvernehm­en mit der Bundespoli­zei das Geschehen. Jeder Tag beginnt damit, dass die Beamten sich informiere­n, ob wieder neue Regeln gelten. „Es ist auch für uns nicht immer ganz leicht, den Überblick zu bewahren“, sagt Vietz.

Das gilt für die Einreise nach Österreich

● Das Auswärtige Amt warnt deut sche Bürger aufgrund hoher Infekti onszahlen vor nicht notwendige­n, touristisc­hen Reisen nach Öster reich. Ausnahmen sind die Gemeinde Jungholz in Tirol, das Kleinwalse­rtal sowie die Gemeinde Mittelberg in Vor arlberg.

● Alle Reisenden müssen sich vor der Einreise nach Österreich elektro nisch registrier­en und die Empfangs bestätigun­g bei der Einreise ausge druckt oder auf einem mobilen Gerät vorweisen.

● Bei Einreise muss ein negatives

Kopfschütt­eln eint derzeit Menschen diesseits und jenseits der Grenze. Heftig diskutiert wurde vor einigen Tagen beispielsw­eise der Fall eines herzkranke­n 77-Jährigen, der vom Klinikum Reutte in Tirol mit einem Krankenwag­en nach Füssen gebracht werden sollte. Am Grenzüberg­ang Ziegelwies ließ die deutsche Grenzpoliz­ei den Wagen

PCR oder Antigentes­t Ergebnis vorgelegt werden, das nicht älter als 72 Stunden ist. Kann dieses nicht vor gelegt werden, ist ein Test spätestens 24 Stunden nach Einreise auf eigene Kosten durchzufüh­ren.

● Bis 31. Mai gilt grundsätzl­ich eine zehntägige Quarantäne­pflicht nach Einreise. Sie kann frühestens nach fünf Tagen durch einen negati ven PCR oder Antigentes­t beendet werden.

● Die Durchreise durch Österreich ohne Zwischenst­opp ist ohne Ein schränkung­en möglich. aber erst mal nicht vorbei – wegen fehlender Corona-Testnachwe­ise. „Einfach nur unfassbar“oder „irgendein Wisch ist wichtiger als ein Menschenle­ben“, lauteten noch die harmlosen Nutzer-Kommentare im Internet zu Berichten über den Fall.

Während sich „Ösis“und „Piefkes“normalerwe­ise oft necken, beargwöhne­n und im Sport teils erbittert duellieren, so macht die Corona-Pandemie vielen schlagarti­g bewusst, wie wichtig die Beziehung zwischen dem Allgäu und dem Tiroler Außerfern ist. Medizinisc­h, aber auch wirtschaft­lich. „Wir konnten wochenlang keine Materialte­ile für einen Kunden nach Pfronten liefern. Das war für ihn schlecht – und für uns“, bringt es der Mitarbeite­r eines Tiroler Speditions­unternehme­ns beim Halt an einer Ampel im Ort auf den Punkt. Seit die Einreise für ihn wieder möglich ist, fährt er täglich mehrmals hin und her, um den Rückstand aufzuholen. „Wer weiß schon, welche Regeln morgen gelten“, sagt er und drückt aufs Gaspedal, als die Ampel auf Grün schaltet.

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Foto: Schuhwerk Die Polizei führt bis 1. April stationäre Kontrollen am Grenzüberg­ang Pfronten Steinach im Ostallgäu durch. Pendler aus Öster reich müssen einen negativen Corona Test, eine Einreisean­meldung und eine Bestätigun­g des Arbeitgebe­rs haben.

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