Liebe trotz Lockdown
Beziehungen Die Partnersuche ist für viele Menschen schon ohne Pandemie schwierig genug. Mitten im Ausnahmezustand ist sie noch mühseliger. Warum es manche aber dennoch versuchen und wie das jetzt funktioniert
Augsburg Die Freizeit ist für viele während der Pandemie nicht mehr das, was sie einmal war. Bars und Clubs haben zu, Familienfeiern können nur im kleinen Rahmen stattfinden und bis zum nächsten Restaurantbesuch mit Freunden ist es wohl auch noch eine Weile hin. Glücklich schätzt sich da, wer sich zu Hause einen schönen Abend mit der Partnerin oder dem Partner machen kann und nicht einsam in seinen vier Wänden sitzt. Wer diesem Schicksal entgehen und während der Pandemie jemand kennenlernen möchte, der hat es dagegen oft schwer. Denn viele sonst beliebte Orte für Dates sind geschlossen, und Suchenende können fast nur noch im Internet auf neue Menschen treffen. Hier berichten drei Betroffene, wie und warum sie trotzdem während der Pandemie daten.
Clara Jahn (Name geändert) wohnt zwischen Augsburg und Ulm. Sie ist 26 Jahre alt und Single. Um mögliche Partner kennenzulernen, ist sie während der Pandemie auf der Dating-App Tinder unterwegs. Sie erzählt:
„Daten während Corona ist anstrengend. Aber ich versuche es trotzdem, weil ein Freund die schwierige Zeit weniger einsam machen würde. Um Männer kennenzulernen, nutze ich Tinder. Ich treffe mich aber nicht direkt mit jemandem, sondern schreibe mit ihm mindestens zwei Wochen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie er so drauf ist. Im Online-Gespräch versuche ich abzuschätzen, ob der andere Corona ernstnimmt und es sicher ist, ihn zu treffen. Ich habe keine spezifischen Regeln für meine Dates, aber wenn er mir erzählt, dass er gestern eine Gartenparty gefeiert hat, dann würde ich es lassen. Auf die aktuellen Inzidenzzahlen achte ich nicht, sondern auf die geltenden Regeln. Und wenn das passt, dann treffen wir uns.
Im ersten Moment, wenn ich ihn treffe, checke ich ihn schon ab. Wir haben uns davor ja noch nie richtig gesehen. Vor Corona bin ich bei Dates in ein Restaurant gegangen, wir haben einen Kaffee getrunken oder uns für einen Film verabredet. All das ist gerade aber nicht möglich.
Wir können nur spazieren gehen. Denn ich möchte, auch aus Sicherheitsgründen, nicht direkt zu jemandem nach Hause, und im öffentlichen Raum geht gerade nichts außer spazieren. Wenn ich den Eindruck habe, dass mein Date sich an die Corona-Regeln hält, habe ich keine Hemmungen, dem Mann nahezukommen. Ich frage davor öfter so ein bisschen ab, mit wem er sich sonst trifft und was für Regeln an seinem Arbeitsplatz gelten. So kann ich die Lage besser einschätzen. Bisher hat sich jeder daran gehalten. Einmal hat mir allerdings ein Mann ein paar Tage nach unserem Treffen geschrieben, dass es ihm schlecht geht und dass er Hals-und Gliederschmerzen hat. Da habe ich mich sofort isoliert, bis er zum Glück ein negatives Testergebnis bekam.
Alexander Schwarz (Name geändert) ist 21 Jahre alt, kommt aus dem Augsburger Umland und ist seit Oktober 2020 Single.
„Ich habe keine Angst, mich bei Verabredungen anzustecken, und selbst wenn, die Sehnsucht nach Nähe ist größer. Denn Einsamkeit ist mein größtes Problem während dieser Pandemie, und Dates machen es hin und wieder erträglicher. Das ist auch meine Motivation bei den
Treffen: nicht alleine sein. Kurz vor dem Lockdown vergangenen Herbst bin ich Single geworden. Davor hatte ich mehrere Jahre lang eine Beziehung. Jetzt lerne ich das Leben eines Singles mitten in der Pandemie kennen. Ich habe gar keine Erfahrung mit Verabredungen vor Corona. Die einzige Möglichkeit, jetzt zu daten, ist online. Sonst lerne ich nirgendwo neue Leute kennen. Aber dort kommt es mir so vor, dass jemand wie ich, der keine top in Szene gestellten Bilder auf den sozialen Medien hochlädt, auf dem Trockenen sitzen bleibt.
Auch die Auswahl für Frauen ist, glaube ich, im Moment so groß, dass die meisten gar nicht wissen, was sie wollen. Sie picken sich dann die „Sahnestückchen“heraus. Wenn man trotz allem doch mal ein Treffen vereinbart, kommt alles ins Stocken bei der Frage nach dem Ort. Denn alles hat zu, es war lange kalt draußen und wenige wollen einen fremden Mann zu sich nach Hause einladen. War tatsächlich ein Date abgemacht, wurde mir oft kurzfristig abgesagt. Die Standardausrede: Treffen mehrerer Haushalte seien ja gerade verboten.“
Die 21-jährige Stephanie Kording (Name geändert) studiert in Augsburg. In Nicht-Corona-Zeiten lernt sie ihre Dates lieber auf WG-Partys kennen.
„Ich habe weniger Dates als vor Corona. Die Schwelle, jemanden persönlich kennenlernen zu wollen, ist für mich gerade einfach höher. Da muss er schon gut passen. Während des Lockdowns habe ich dafür mehr als sonst mit Männern auf Tinder geschrieben, die meisten wollte ich dann aber gar nicht persönlich kennenlernen. Seit Beginn der Pandemie habe ich nur zwei von ihnen getroffen.
Bevor ich jemanden treffe, schreibe ich mindestens eine Woche mit ihm, um herauszufinden, ob es sich lohnt, ihn kennenzulernen. Mehrere Studierende hier feiern illegale Corona-Partys. Wenn mir das einer erzählt, höre ich auf, mit ihm zu schreiben. Wenn er sich nicht an die Regeln hält, ist er eh nicht der Typ für mich. Ich habe wegen Corona auch Hemmungen, den anderen zu berühren. Bei meinem letzten Date hat er mich zum Beispiel zur Begrüßung umarmt, das fand ich nicht so toll. Für mich wäre es schlimm, wenn um mich herum alles wegen mir in den Shutdown müsste. Ich finde es super, wenn der Mann mir sagt, dass er sich an alle Regeln hält. Ich würde mich auch besser fühlen, wenn ich wüsste, dass er einen negativen Test hat. Nur: Jemanden vor einem Treffen zu fragen, ob er auf Corona getestet wurde, ist nicht so attraktiv. Da käme ich paranoid rüber. Deshalb habe ich noch nie nachgefragt. Dabei fahre ich am Wochenende manchmal zu meiner Mutter, da würde ich gerne wissen, dass es sicher ist; zu fahren. In der Woche, bevor ich zu meiner Mutter fahre, habe ich deshalb gar keine Dates, um die Gefahr zu minimieren.
Vom Daten verspreche ich mir gerade alles außer einer Beziehung. Mein Studium ist mir wichtiger, dafür will ich Zeit haben.