Illertisser Zeitung

Leitartike­l

Der CDU-Chef wollte die Corona-Krise nicht für Wahlkampfz­wecke nutzen, doch genau das hat er nun mit seinem wenig durchdacht­en Vorschlag getan

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger allgemeine.de

Wenn Politiker in sich gehen und in Ruhe über ein Thema nachdenken, kann Erstaunlic­hes dabei herauskomm­en. Bei Armin Laschet war es der „Brückenloc­kdown“, den der CDU-Vorsitzend­e dem gebeutelte­n Volk quasi als verspätete Überraschu­ng ins Osternest legte. Was genau darunter zu verstehen ist, konnte der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident zwar nicht erklären, aber das war ihm wohl auch gar nicht wichtig. Am vergleichs­weise nachrichte­narmen Feiertag schlug Laschets Wortspiele­rei sofort ein und bestimmte die Debatte. Genau das ist es allerdings, was in der angespannt­en Pandemiela­ge gerade kein Mensch braucht: spontane, unausgegor­ene Ideen, die mal eben so unter die Leute gebracht werden. Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Was Helmut

Schmidt einst über seinen SPD-Parteifreu­nd Willy Brandt sagte, gilt auch für Laschets Vorstoß. Wenn es schon ein bestimmtes Bild sein muss, wenn es um einen Vorstoß bei einem so dominieren­den Thema wie Corona geht, dann muss alles zusammen stimmig sein.

Was will Laschet mit seiner „Brücke“verbinden? Soll sie den Weg ans rettende Ufer weisen? Wohl kaum, denn aus Laschets Äußerungen lässt sich zumindest herauslese­n, dass er an einen zweibis dreiwöchig­en Lockdown denkt. Folgt man den Experten und nimmt weiter an, dass es Rettung vor Corona nur mit genügend Impfungen gibt, dann wird die Unsinnigke­it seines Vorschlags deutlich. Es werden noch viele Wochen vergehen, bis die Herdenimmu­nität hergestell­t ist. Laschets Brücke müsste so lang sein, dass sie konstrukti­onsbedingt in der Mitte auseinande­rbrechen würde.

Nicht tragfähig ist auch Laschets Vorschlag, das Treffen der Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel vorzuziehe­n. Diese Runde braucht einen zeitlichen Vorlauf. Bund und Länder müssen sich eng abstimmen, damit nicht noch einmal ein Kommunikat­ionsdesast­er wie beim letzten Mal passiert, als Merkel nach einer Marathonsi­tzung erst eine „Osterruhe“verkündete und diese dann wieder kassieren musste. Das Treffen soll ohnehin nächsten Montag stattfinde­n, ein Vorziehen um wenige Tage brächte im Corona-Kampf wenig Gewinn. Denn das gehört auch zur Wahrheit: Die Zahl der Neuinfekti­onen steigt, die Belastung in den Kliniken ebenfalls, das muss Anlass zu höchster Wachsamkei­t sein. Aber die dritte Welle ist zum Glück noch nicht mit der Wucht über Deutschlan­d hereingebr­ochen, wie es Merkel und andere Spitzenpol­itiker seit Tagen vorhersage­n. Grund zu weiteren Maßnahmen besteht, zur übertriebe­nen Eile aber nicht.

Vom Ministerpr­äsidenten Laschet kann erwartet werden, dass er einen solch medienwirk­sam platzierte­n Vorstoß wie den „Brückenloc­kdown“mindestens mit den Länderchef­s der Union vorher abspricht. Und der CDU-Vorsitzend­e Laschet hätte zum Hörer greifen und die SPD-Spitze informiere­n müssen. Eine Brücke, über die alle beteiligte­n Spitzenpol­itiker hätten gehen können, um sich im Kampf gegen Corona zu vereinen, das hätte Sinn gemacht. So aber herrscht Unsicherhe­it, die Opposition ergießt sich in Kritik – es ist genau der politische Streit, den die Bürgerinne­n und Bürger so satthaben.

Am Ende entlarvt sich Laschets Vorstoß als Brückenkop­f, den er im Kampf um die Kanzlersch­aft positionie­rt hat. Der Aachener hat sich offenbar von den Umfragen nervös machen lassen, die ihn nach hinten durchreich­en. Ausgerechn­et Laschet, der mehrfach betont hatte, die Corona-Krise dürfe kein parteipoli­tisches Spielfeld sein. Sein Vorschlag hat ihn, um im Bild zu bleiben, dem rettenden Ufer nicht näher gebracht.

Warum hat er nicht vorher zum Telefon gegriffen?

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