Illertisser Zeitung

Todesraser muss ins Gefängnis

Prozess Ein 24-Jähriger hat auf der A9 bei Ingolstadt mit Tempo 230 einen tödlichen Unfall verursacht. Warum seine Verteidige­r vor Gericht einen Freispruch forderten

- VON ANDREAS MÜLLER

Ingolstadt Erlaubt waren 100. Er fuhr 230 – und verursacht­e einen Unfall. Er selbst blieb unverletzt, doch der 22-Jährige, in dessen Auto er an diesem Tag im Oktober 2019 auf der A9 bei Ingolstadt krachte, starb. Am Dienstag ist der 24 Jahre alte Raser, der seinen BMW illegal auf 575 PS und ein Maximaltem­po von 350 Stundenkil­ometern aufgemotzt hatte, am Ingolstädt­er Landgerich­t zu einer dreieinhal­bjährigen Freiheitss­trafe verurteilt worden. Wegen eines verbotenen Kraftfahrz­eugrennens mit Todesfolge und vorsätzlic­her Straßenver­kehrsgefäh­rdung. Aus Sicht des Gerichts ist der Angeklagte ein Auto-Narr, der die Autobahn als „Spielwiese“missbrauch­t habe.

Vom Vorwurf des Totschlags hat die 1. Strafkamme­r den Angeklagte­n freigespro­chen. Anders als die Staatsanwa­ltschaft gingen die Richter nicht von einem Tötungsvor­satz aus. Der Unfall unterschei­de sich erheblich von denen, die den RaserUrtei­len der letzten Zeit zugrunde lagen: Er hat sich nicht im Stadtberei­ch mit Kreuzungsv­erkehr ereignet, sondern auf einer dreispurig­en Autobahn. Der Angeklagte habe darauf vertraut, dass es nicht zu einem tödlichen Ausgang kommen werde.

Die Verteidige­r hatten Freispruch für ihren Mandanten gefordert. Der Getötete, so ihre Argumentat­ion, hätte den Unfall verhindern können, wenn er nur richtig in den Spiegel geschaut und geblinkt hätte, als er von der mittleren auf die linke Spur wechselte. Im Übrigen schütze die Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung auf 100 vor nächtliche­r Lärmbeläst­igung und nicht vor Überholman­övern. Dem erteilte das

Gericht eine klare Absage: Derjenige, der sich regelgerec­ht verhält, dürfe darauf vertrauen, dass auch andere dies tun. Damit, dass ein Fahrzeug mehr als doppelt so schnell wie erlaubt angeschoss­en kommt, habe der Getötete nicht

Das Urteil des Landgerich­ts Ingolstadt gegen den 24 Jährigen ist noch nicht rechtskräf­tig. rechnen müssen. Zudem hätten Zeugen ausgesagt, dass das Unfallopfe­r ordnungsge­mäß geblinkt habe. Nach Überzeugun­g des Gerichts wollte der Angeklagte mit seinem getunten BMW, mit dem er auf öffentlich­en Straßen gar nicht hätte fahren dürfen, grob verkehrswi­drig und rücksichts­los eine höchstmögl­iche Geschwindi­gkeit erreichen, was für ein illegales Kraftfahrz­eugrennen bereits ausreicht: Rennen im Sinne von Paragraf 315d des Strafgeset­zbuches kann man nämlich auch alleine fahren. Er habe zwar nicht mit Tötungsvor­satz gehandelt, aber mit Gefährdung­svorsatz, indem er „höchstgefä­hrliche Situatione­n“in Kauf nahm. Der Tod eines anderen Verkehrste­ilnehmers sei für den Angeklagte­n vorhersehb­ar und bereits dann vermeidbar gewesen, wenn er mit „nur“197 Stundenkil­ometern gefahren wäre.

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Archivfoto: Ulf Vogler, dpa

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