Software Riese dreht Fitness Videos für Fernfahrer
Gesundheit Seit Monaten feiert das Unternehmen Transporeon aus Ulm Lastwagenfahrer als Helden in der Corona-Krise. Jetzt kommt ein spezielles Gesundheitsangebot dazu. Das passt auch für Büroarbeiter perfekt
Ulm Der Unterschied zwischen Lastwagenfahrern und Büroangestellten ist eigentlich gar nicht so groß. Zumindest aus der Perspektive von Benedikt Hitzler und Daniel Binder: Der Rücken schmerzt, die Hüfte ist zu, die Muskulatur im Schultergürtel verkürzt. Hitzler und Binder wissen, wovon sie sprechen. Sie arbeiten im Büro – und sind nebenbei Fitnesstrainer. Und sie haben für den Ulmer Software-Riesen Transporeon ein Fitnessprogramm erarbeitet, das den heimlichen Helden zugutekommen soll. Es heißt „Trucker Heroes Workout – Staying in Shape on the Road“, auf Deutsch also: „Auf der Straße in Form bleiben“.
Der Ulmer Logistiksoftware-Anbieter agiert multinational, die Basis der Transporeon-Plattform bildet nach Angaben von Chef Stephan Sieber ein Netzwerk von 120.000 Transportunternehmen. Seit Monaten feiert das Unternehmen Lastwagenfahrer als Trucker Heroes, die während der Corona-Pandemie Lieferketten und Versorgung sicherstellen. Jetzt will Transporeon diesen Helden ganz konkret helfen. Auf einer eigenen Internetseite erzählen Lastwagenfahrer ihre Geschichten, nun sind dort und in den Sozialen Netzwerken auch Fitnessvideos zu sehen. Videos mit Übungen, die genau auf die Bedürfnisse und Probleme der Trucker abgestimmt sind – und die damit auch das treffen, was Büromenschen brauchen.
Sieber erinnert sich daran, wie es mit der Kampagne Trucker Heroes losging: „Als letztes Jahr die Corona-Pandemie ausbrach und die Waren in unseren Geschäften knapp wurden, wurde uns klar und deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die Fahrer für unsere Lieferkette sind. Wir haben die Trucker-Heroes-Initiative ins Leben gerufen, um unsere Helden der Straße entsprechend zu würdigen.“Trucker, die Transporeon für die Kampagne begleitete, berichten von ihren eigenen
Versuchen, sich fit und schmerzfrei zu halten. Zum Beispiel beim Oberarmtraining mit Milchtüten als Hantelersatz. Nun soll das Sportprogramm professioneller werden. „Ich freue mich, dass wir Ihnen dank der verborgenen Talente von Benedikt und Daniel nun auch Mobility-Trainings anbieten können. Die Übungen sind wirklich gut! Ich habe es selbst versucht“, sagt Sieber.
Sport hatte für Binder und Hitzler schon immer einen hohen Stellenwert. Beide erarbeiten schon seit einiger Zeit Trainingspläne für sich selbst, aber auch für Freunde und Bekannte. Das Wissen, berichten sie, hätten sie sich über die Jahre angeeignet. Das aber habe ihnen nicht jeder immer abgenommen. „Ich hatte ja nur ein BWL-Studium“, sagt Hitzler und spricht damit aus, was manche über seine Sport- und
Ernährungstipps dachten. Jetzt ist das anders: Beide haben sich zum lizensierten Fitnesstrainer ausbilden lassen, weitere Qualifikationen sollen folgen. „Ich bin mehr oder weniger im Fitnessstudio groß geworden“, berichtet Daniel Binder. Sein Vater betreibt ein solches, er selbst kann dort nun als Trainer aushelfen.
Binder arbeitet zudem nicht nur im Büro des Logistik-Dienstleisters Transporeon, er hat auch in der
Branche selbst Erfahrungen gesammelt. „Ich kenne den Alltag eines Truckers. Ich weiß, dass die andere Sorgen haben, als ein Video anzuschauen“, sagt er. Dennoch setzen Hitzler und er genau darauf: auf Videos. Zehn Stück sind schon produziert, je fünf Minuten lang und mit einer knappen Handvoll Übungen. Weitere Filme könnten folgen. Für sie alle gilt: Es muss realistisch sein, dass einer, der davor stundenlang hinter dem Lenkrad eines 40-Tonners gesessen ist, sie nachmacht. Die Videos sollen in den Alltag der Trucker passen und sie sollen ohne Probleme nachzumachen sein. Sprich: Ohne Geräte und viel mit dem eigenen Körpergewicht – allenfalls unterstützt durch Hilfsmittel, die an jedem Rasthof zu finden sind. Hilfsmittel wie eine Sitzbank.
Fünf Videos enthalten WorkoutÜbungen – also eine intensive Trainingseinheit für eine wichtige Muskelgruppe. Fünf Videos enthalten Übungen, die den Mobilitätsradius erweitern sollen. „Cat and cow“heißt eine dieser Übungen, also Katze und Kuh. Dabei wird abwechselnd die Brust gedehnt und die Schultern werden gestreckt. „Es ist eigentlich genau das Gleiche wie im Büro“, beschreibt Benedikt Hitzler. Bürokräfte und Berufskraftfahrer sitzen viel, bei Letzteren kommen noch die Belastungen beim Be- und Entladen der Ware dazu.
„Wir sehen das Thema Gesundheit ganzheitlich“, sagt Hitzler. Zu Work-outs und Mobility könnte auch noch die Ernährung kommen. Das wäre ein möglicher weiterer Schritt: Videos mit einfachen und realitätsnahen Tipps, welches gesunde Essen unterwegs und ohne größeren Aufwand zubereitet werden kann. Auch weitere Sportvideos können sich die beiden gut vorstellen. Die könnten dann unter Umständen direkt auf einem Rasthof aufgenommen werden. Den ersten Schwung an Filmen haben Transporeon und die zwei Fitnesstrainer in der alten Magirushalle beim Söflinger Stadtregal gedreht. Wetterbedingt. Doch auch das Flair der Halle macht ganz klar deutlich, an wen die Sport-Filme sich in erster Linie richten. Kommt das an? Ab dem Weltgesundheitstag am 7. April sind die Videos im Netz zu sehen. „Wenn es da draußen nur einen einzigen Trucker gibt, der sich das Video anschaut, die Übungen macht und dann keine Rückenschmerzen mehr hat, dann ist das ein Erfolg“, sagt Daniel Binder.