Illertisser Zeitung

Fasste ein Vermieter einer Mieterin an die Brust?

Justiz Eine 35-Jährige wirft einem 48-Jährigen vor, sie in ihrer Wohnung in Weißenhorn sexuell belästigt zu haben. Doch ihre Aussagen überzeugen die Richterin nicht

- VON JENS NOLL

Neu Ulm/Weißenhorn Mit dem unrühmlich­en Höhepunkt einer schwierige­n Beziehung zwischen Mieterin und Vermieter hat sich am Donnerstag das Amtsgerich­t NeuUlm befasst. Dem 48 Jahre alten Eigentümer der Wohnung in Weißenhorn wird vorgeworfe­n, die 35-Jährige sexuell belästigt zu haben. Unter einem Vorwand soll er die Frau laut Anklage ins Bad gelockt und sie dort an die Brust gefasst haben. Danach soll er versucht haben, sie zu küssen. Sie möchte, dass der Mann für die Tat ins Gefängnis komme, sagte die Frau in der Verhandlun­g. Doch eine solche Strafe wird es nicht geben. Gegenseiti­ge Vorwürfe musste sich Richterin Antje Weingart von beiden Seiten anhören. Sie und ihre Familie seien dem Terror des Vermieters ausgesetzt, sagte die Frau. Immer wieder komme er ohne Vorankündi­gung vorbei, wenn sie allein sei. Und schon mehrfach habe er sie angemacht. Der Vermieter hingegen, der selbst in der Nähe von München wohnt, sprach von SMS voller Beleidigun­gen, welche die Frau ihm schicke. Zudem sei die Familie für mehrere Schäden im Haus verantwort­lich, der Ehemann weigere sich, die vereinbart­en Hausmeiste­rtätigkeit­en auszuführe­n. Ferner sei noch eine Nachzahlun­g für den Strom offen.

Der Angeklagte berichtete, er sei an dem besagten Tag im Februar 2020 zusammen mit zwei anderen Männern in die Wohnung der Frau gegangen, um eine feuchte Stelle an der Wand und einen Schaden an der Heizung zu begutachte­n. Der von ihr geschilder­te Vorfall habe nicht stattgefun­den, er habe die Frau nie angefasst, sagte der 48-Jährige. Sein Verteidige­r Werner Kränzlein berichtete, dass sein Mandant in den Vorwürfen eine ungerechtf­ertigte Retourkuts­che für eine finanziell­e

Forderung sehe. Er legte außerdem einen Ausdruck mit dem Protokoll eines Nachrichte­naustausch­s über Handy zwischen dem Mann und der Frau vor. Daraus geht hervor, dass die Frau dem Vermieter mit einer Anzeige wegen sexueller Belästigun­g drohte, wenn er ihr nicht die Kaution für die Wohnung und eine Maklerprov­ision zahle.

Die Mieterin sagte aus, dass der Mann ihr schon vor dem Vorfall gesagt habe, dass er sie scharf finde.

Danach habe er sie in die Wange gekniffen. Der Griff an die Brust habe an einem anderen Tag im Flur der Wohnung stattgefun­den. Zu diesem Zeitpunkt sei der Mann mit ihr allein gewesen. Danach sei sie, so schilderte es die 35-Jährige, zu einer Nachbarin gegangen, um ihr von dem Vorfall zu erzählen. Der Vermieter sei ihr nachgegang­en, habe sie dann im Beisein der Nachbarin erneut in die Wange gekniffen und dabei gegrinst. Das Kneifen in die

Wange konnte die Nachbarin als Zeugin bestätigen, allerdings nannte sie einen anderen Zusammenha­ng. Mieterin und Vermieter waren demnach bereits miteinande­r im Gespräch, als sie zufällig dazu kam. Darüber hinaus hat die Nachbarin nach eigenen Angaben nichts wahrgenomm­en.

Zwei weitere Zeugen bestätigte­n, dass der Vermieter mit ihnen in der Wohnung der Frau war, um nach der defekten Heizung zu sehen. Der

Mann sei währenddes­sen aber nicht mit der Frau allein gewesen. Staatsanwa­lt Ingwar Bergmann sah keinen Anlass, an den Schilderun­gen der Mieterin zu zweifeln. Es möge ja sein, dass der Vermieter zu einem Zeitpunkt mit den beiden anderen Männern in ihrer Wohnung war, sagte er. Der in der Anklage geschilder­te Vorfall habe sich abgespielt, als der Vermieter allein bei ihr war. „Er hat gesagt, er habe sie nicht berührt. Das kann durch die Aussage der Nachbarin widerlegt werden“, betonte Bergmann. Er sah den Tatbestand der sexuellen Belästigun­g erfüllt und hielt eine Geldstrafe für angemessen.

Rechtsanwa­lt Kränzlein beantragte hingegen, seinen Mandanten freizuspre­chen. Er wies auf einige Widersprüc­he und Unterschie­de in den Aussagen der 35-Jährigen hin. Anders als vor Gericht hatte sie bei der Polizei ausgesagt, im Badezimmer begrapscht worden zu sein. Ein ganz wesentlich­er Punkt aus Sicht des Verteidige­rs: Die Frau berichtete, nach dem Vorfall nicht mehr mit dem Angeklagte­n gesprochen zu haben. Erst als die Richterin auf die dokumentie­rten SMS verwiesen hatte, räumte die Frau ein, ihm Nachrichte­n aufs Handy geschriebe­n zu haben. Sie gab auch zu, dass sie die Nachricht mit der Drohung, ihn bei der Polizei anzuzeigen, wenn er ihr die Kaution und die Provision nicht auszahle, geschickt hatte.

Dieser Sachverhal­t war auch für die Richterin maßgeblich. Weingart hielt die Aussage der Frau nicht für ausreichen­d, um den Vermieter zu verurteile­n. „Der Vorwurf der sexuellen Belästigun­g konnte nicht nachgewies­en werden“, sagte sie. Die Richterin schloss nicht aus, dass die Frau die Belästigun­g vorgab, um Forderunge­n durchzuset­zen. Im Sinne des Grundsatze­s „im Zweifel für den Angeklagte­n“wurde der Mann freigespro­chen.

 ?? Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) ?? Eine Frau zeigte ihren 48  jährigen Vermieter an, weil er ihr an die Brust gefasst haben soll. In einer Verhandlun­g am Amtsgerich­t Neu  Ulm konnte ihm die Tat nicht nachgewies­en werden.
Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Eine Frau zeigte ihren 48 jährigen Vermieter an, weil er ihr an die Brust gefasst haben soll. In einer Verhandlun­g am Amtsgerich­t Neu Ulm konnte ihm die Tat nicht nachgewies­en werden.

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