Illertisser Zeitung

Handwerker klagen über Lieferengp­ässe

Wirtschaft Die Auftragsla­ge ist gut, doch das Material wird knapp: Mangelnder Nachschub und steigende Preise bereiten den Handwerker­n im Landkreis Neu-Ulm zunehmend Kopfzerbre­chen. Was bedeutet die Lage für die Häuslebaue­r?

- VON SABRINA KARRER

Landkreis Wolfgang Schrapp ist froh: Ein Transporte­r bringt eine neue Holzliefer­ung aus Österreich nach Illertisse­n. Holz, das seine Zimmerei braucht, um vereinbart­e Aufträge erledigen zu können. Holz, das am Markt offensicht­lich immer begehrter wird und das heute deutlich mehr kostet als noch vor ein paar Monaten. Der Obermeiste­r der Zimmerer-Innung Neu-Ulm/Illertisse­n beschreibt die aktuelle Entwicklun­g am Markt als „dunkle Wolke“, die bedrohlich am Himmel hängt und die er und seine Berufskoll­egen genau beobachten. „Wir sind auf Hab-acht-Stellung“, sagt Schrapp. Was bedeutet das für Bauherren?

Nicht nur Zimmerleut­en und Schreinern geht es so, auch Handwerker in anderen Bereichen bekommen zu spüren, wie angespannt die wirtschaft­liche Situation gerade ist. Die Auftragsla­ge ist gut, gerade im Baubereich – das wäre nicht das Problem. Doch die Lager leeren sich zusehends. Und es ist schwierige­r geworden, an Nachschub zu kommen. An Baustahl, Dämmstoffe, aber auch vermeintli­che Kleinigkei­ten wie Klebeband oder Schrauben, ohne die eine Baustelle schnell ins Stocken gerät. „Es gibt Lieferschw­ierigkeite­n. Das zieht sich durch alle Bereiche“, sagt Ulrike Ufken, Geschäftsf­ührerin der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/NeuUlm. Die Engpässe machen sich bei privaten wie auch öffentlich­en Bauprojekt­en bemerkbar: „Bauherren sollten sich nicht wundern, wenn sie länger warten müssen“, sagt Ufken. Auch die Sorge vor höheren Kosten ist berechtigt.

Michael Stoll, Fachmann für Sanitär und Heizung aus Pfuhl, hat den Auftrag, die Heizungsan­lage in einem Wohnhaus auszutausc­hen. Den neuen Heizkessel bekomme er – nicht aber den Warmwasser­speicher. „Das ist ein Tanz auf Messers Schneide“, berichtet der Kreishandw­erksmeiste­r. „Du bestellst rechtzeiti­g und bekommst die Zusage. Dann kommt Tag X und du kannst nicht anfangen.“Er versuche, flexibel zu sein und notfalls Produkte anderer Hersteller zu verwenden. Das funktionie­re aber nicht immer. An eine vergleichb­are Situation kann sich Stoll nicht erinnern: „Da werden Produkte knapp, von denen wir nie gedacht hätten, dass sie einmal knapp werden.“

Laut Ulrike Ufken gibt es mehrere Ursachen für die Misere. Die Baubranche brummt nach wie vor im In- und Ausland, was sie zum wichtigen Wirtschaft­smotor in der Pandemie macht. Gleichzeit­ig steigt dadurch die weltweite Nachfrage nach Rohstoffen wie Stahl oder Holz. Zwei Akteure stechen heraus: China habe angesichts eines „riesigen Konjunktur­programms“aktuell viel Bedarf an Baumateria­l, sagt die Geschäftsf­ührerin der Kreishandw­erkerschaf­t. Außerdem wisse sie von Großhändle­rn, dass etwa große Mengen Holz nach Amerika verschifft werden.

Die Nachfrage treibt die Preise für Baumateria­l nach oben. Schrapp gibt ein Beispiel: Während eine

Dachlatte bisher etwa 45 Cent gekostet habe, lag der Preis zeitweise bei 78 Cent. „Mittlerwei­le sind wir bei einem Euro.“Dem Innungsobe­rmeister der Zimmerer zufolge gäbe es Möglichkei­ten, um gegenzuste­uern: „Der Auslandsex­port müsste eingedämmt werden, damit der eigene Markt interessan­ter wird.“

Auch in durchbroch­enen Lieferkett­en sieht Ulrike Ufken ein Problem. Dazu könne es kommen, wenn Werke im In- und Ausland eingeschrä­nkter als üblich produziere­n, zum Beispiel wegen CoronaFäll­en in der Belegschaf­t. Auch die Logistik müsse rund laufen, um Termine einhalten zu können. Hier hapert es ihres Wissens nach bisweilen an der Verfügbark­eit von Containern. Die Auswirkung­en? Ufken nennt ein Beispiel aus der jüngsten

Zeit, das die Abhängigke­it von Zulieferer­n offenbart: „Banale Kunststoff­muffen waren plötzlich nicht mehr verfügbar.“

Diese Probleme sieht auch Michael Stoll. „Das ist eine Geschichte der Globalisie­rung“, vermutet er. Vieles werde nicht in Deutschlan­d, sondern „just in time“im Ausland gefertigt. Solange alles eitel Sonnensche­in ist, möge das funktionie­ren. Nun aber – und da wählt er eine ähnliche Metapher wie Schrapp – sei ein Gewitter aufgezogen, das keiner kommen sah. Werden Rohstoffe und Produkte knapp, wird der beliefert, der mehr bezahlt.

Wolfgang Schrapp befürchtet außerdem eine Art „Klopapier-Effekt“. Als Deutschlan­d im Frühjahr 2020 in den ersten Lockdown ging, waren die Regale wie leer gefegt. Die Menschen gewannen den Eindruck eines Mangels und kauften selbst schnell noch ein paar Packungen auf Vorrat ein. Das könnte in der Handwerksb­ranche ähnlich sein, schätzt er: Wird mehr geordert als sonst, weil es Hinweise gibt, dass Material knapp ist? Er rät, „mit Vernunft einzukaufe­n“. Ufken bezweifelt hingegen, dass ein solcher Effekt da ist. Sie sieht keine Anhaltspun­kte dafür.

Mit welcher Gefühlslag­e die hiesigen Handwerker auf die nächsten Monate blicken? Laut Ufken sind die Betriebe alarmiert. Schrapp beurteilt die Entwicklun­gen derweil als „kritisch, aber nicht dramatisch“. Er hofft, dass sich die Lage auf dem Holzmarkt bis zum Herbst einpendelt. Und Michael Stoll sagt: „Wir wissen nicht, was morgen kommt. Es sind herausford­ernde Zeiten.“

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Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) Über zu wenige Aufträge können sich Handwerker nicht beschweren – doch die Lager leeren sich zusehends. Im Landkreis Neu Ulm kommt es derzeit zu Lieferengp­ässen. Wie ist die Situation?

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