Illertisser Zeitung

Streit in Supermarkt landet vor Gericht

Justiz Weil er kurz nach 20 Uhr in Senden nicht mehr zahlen durfte, ärgerte sich ein Kunde

- VON WILHELM SCHMID

Neu Ulm Wenn aus nahezu nichtigem Anlass Streit entsteht und keine Seite nachgibt, kann es teuer werden. Das zeigte sich bei einer Verhandlun­g wegen Beleidigun­g vor dem Neu-Ulmer Amtsgerich­t. Was war geschehen: Im November des vergangene­n Jahres ging ein 45-Jähriger zehn Minuten vor Ladenschlu­ss in einen Sendener Supermarkt, um einzukaufe­n.

Wie er sagte, trug er die vorgeschri­ebene Maske und führte einen Einkaufswa­gen mit sich. „Zwei bis drei Minuten nach acht“, so seine weitere Aussage, waren alle Kassen zu und er sei von der Angestellt­en des Infostande­s angesproch­en worden: „Was willst denn du noch hier?“Er habe geantworte­t, dass er keine Durchsage gehört habe und dass er nun bezahlen wolle. Das sei ihm verweigert worden.

Wie der Angeklagte weiter berichtete, habe er dann seinen Wagen zur Seite gestellt und sei hinausgega­ngen. Dann sei er aber doch zurückgeko­mmen, um die Frau nach ihrem Namen zu fragen, um sich über sie beschweren zu können. Diese habe sich geweigert, ihren Namen zu nennen, und habe einen hinzukomme­nden Security-Mitarbeite­r gebeten, den Mann „rauszuschm­eißen“. Der Sicherheit­smann habe aber gesagt, er sei nicht zuständig. Schließlic­h habe er zur Angestellt­en gesagt: „Du bist doch nicht mehr ganz dicht“und sei gegangen. Am nächsten Tag sei die Polizei gekommen und man habe ihm, also dem Angeklagte­n, üble Schimpfwör­ter vorgehalte­n, die sicher nicht seine Wortwahl seien, so der Angeklagte.

In der Zeugenauss­age der Angestellt­en stellt sich der Vorfall anders dar: Der Kunde sei ohne Maske gekommen und sie habe ihm gesagt, dass die Kassen schon geschlosse­n seien. Von den in der Anklage vorgeworfe­nen Beleidigun­gen habe sie nur „blöde Kuh“und „Schlampe“gehört. Sie habe das am folgenden Tag dem Chef gemeldet, der nur Anzeige wegen Beleidigun­g gestellt habe.

Zuvor hatte sich die Zeugin in ein Wortgefech­t mit Verteidige­r Alfred Nübling verwickelt und ist dabei so laut und energisch geworden, dass sie vom Vorsitzend­en Richter Thorsten Tolkmitt ermahnt werden musste, sich dem Gericht entspreche­nd zu verhalten. Der Verteidige­r brachte die Zeugenauss­age ins Wanken: Die Frau habe nicht gesehen, wann der Kunde gekommen sei, dass er ohne Maske war, habe sie „wahrschein­lich gesehen“und sie habe die Kasse nur deshalb nicht wieder geöffnet, weil schon abgerechne­t war. Auf Nachfrage des Richters bestätigte sie allerdings „kein Strafinter­esse zu haben“. Rechtsanwa­lt Nübling regte eine Einstellun­g des Verfahrens gegen eine geringe Geldbuße an, weil sich der Angeklagte in einer „prekären Lage“befinde, da er als Geschäftsm­ann seit Monaten über kein Einkommen und nur geringe Corona-Hilfen verfüge.

Eine Einstellun­g lehnte der Richter aber ab, ebenso wie die

Staatsanwä­ltin. Diese plädierte, dass sie eher der Zeugin glaube, deren Aussage „in sich stimmig“gewesen sei. Der Verteidige­r entgegnete, die Angestellt­e habe selbst den Grund für die Streitigke­it geliefert, sodass es „absolut nachvollzi­ehbar“sei, dass der Mann „die Contenance verliert“. Er finde die Ablehnung der Einstellun­g „nicht in Ordnung“. Mit den Worten: „Aber das muss man auch nicht verstehen“, gab er seiner Missbillig­ung Ausdruck. Er verlangte Freispruch oder maximal eine Geldstrafe von 20 Tagessätze­n zu je 5 Euro angesichts der finanziell prekären Lage des Angeklagte­n. Richter Tolkmitt verurteilt­e diesen schließlic­h zu 20 Tagessätze­n à 15 Euro, denn er habe dessen Aussage nicht geglaubt – „ich glaube der Zeugin“. Der Mann habe „sich aufgeführt“und es seien „schlimme Ausdrücke gefallen“. Somit hat der Angeklagte nun nicht nur die Strafe in einer Gesamthöhe von 300 Euro, sondern auch die Verfahrens­kosten zu tragen.

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Foto: Alexander Kaya

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