Das Dilemma um die Verdistraße
Verkehr Die Vöhringer Verdistraße soll ausgebaut werden. Die Stadt sieht drei mögliche Optionen. Doch jede hat ihre Nachteile. Findet sich kein Kompromiss, könnte manchen Anliegern sogar Enteignung drohen
Vöhringen Die Verdistraße in Vöhringen soll nun erschlossen werden. Bisher existiert diese nur als kleiner Stich an der Rue de Vizille zwischen Richard-Wagner-Straße und dem Kreisverkehr an der Memminger Straße. Die Stadt hat drei Möglichkeiten ausgearbeitet, wie die Verdistraße künftig verlaufen könnte. Doch wirklich gut ist keine davon. Wie man es dreht und wendet: Irgendwer wird Nachteile haben. Die Stadt befindet sich in einer Zwickmühle, einige Anlieger sind verärgert.
Hintergrund des Dilemmas: An der Kreuzung zur Rue de Vizille soll ein Ärztehaus gebaut werden. Das benötigt die Zufahrt über die Verdistraße. Für das Areal gibt es einen Bebauungsplan aus den 70er Jahren, der eine Erschließung aller Grundstücke vorsieht. Sobald auch nur ein Anlieger die vollständige Erschließung der Verdistraße wünscht, muss die Stadt dem nachkommen. Dazu ist sie juristisch verpflichtet. Hier kommen die drei Optionen ins Spiel.
Variante 1 sieht die Verdistraße als Stichstraße mit einem Wendehammer vor, die etwa bis zur Hälfte in dem Gebiet zwischen Rue de Vizille und Mozartstraße führen würde. Bei dieser Variante kämen die Anlieger zunächst gut weg. Einwände erheben jedoch Verkehrspolizei und Straßenbauamt. Denn anders als bei den anderen beiden Varianten wäre die Verdistraße hier keine Einbahnstraße, die Ein- und Ausfahrt erfolgt über die viel befahrene Rue de Vizille. Das scheint den Behörden zu gefährlich und grundsätzlich nur möglich, wenn ein Hang abgetragen wird, sodass der Kreisverkehr von der Einmündung aus sichtbar ist. Zudem befürchten sie, dass die weiter hinten liegenden Grundstücke irgendwann mit Mehrparteienhäusern bebaut werden könnten, wodurch es einiges mehr an Verkehr geben würde als bisher. Auch viele Stadträte sehen diese Variante 1 kritisch. Eine ähnliche Situation ist an der Einmündung der Richard-Wagner-Straße als besondere Gefahrenstelle in der Stadt hinlänglich bekannt.
Bei der zweiten Variante würde die Verdistraße als Einbahnstraße am künftigen Ärztehaus vorbeiführen und über den bestehenden Privatweg neben einem Mehrfamilienhaus in die Memminger Straße münden. Das Problem: Der Privatweg gehört zu dem Mehrfamilienhaus, damit sind rund 20 Parteien beteiligt. Sollte der in die Verdistraße eingebunden werden, müssten alle einverstanden sein, den Weg an die Stadt abzutreten. Timo Söhner vom Stadtbauamt sagt dazu: „Das wird wohl nie passieren. Denn die 20 Parteien hätten nur Nachteile.“Zum einen würde mehr Verkehr an ihrem Haus vorbeifließen und zum anderen – und das wiegt deutlich schwerer – müssten sich die Anwohner an den Erschließungskosten der Verdistraße beteiligen. Dass die Stadt im Sinne einer Kompromisslösung allen Miteigentümern des Mehrfamilienhauses die Erschließungskosten erlässt und sie selbst zahlt, ist keine Option, wie Söhner erklärt. Dafür gibt es keinen rechtlichen Spielraum. Letztlich bezahle die Stadt so etwas aus Steuergeldern und darf nicht einfach mehr ausgeben, als sie müsste.
Bleibt also nur Variante 3, die als Einbahnstraße von der Rue de Vizille in gerader Linie durch das Areal führt und in die Mozartstraße mündet. Das Nachsehen haben in diesem Fall die Eigentümer der im südlichen Bereich liegenden Grundstücke. Sie müssten sich dann an den Erschließungskosten beteiligen und jeweils Teile ihrer Flächen abgeben. Sollten sie sich weigern, droht ihnen im schlimmsten Fall Enteignung. Weil die Stadt durch den Bebauungsplan verpflichtet ist, die Straße zu erschließen, hätte sie das Recht zu diesem Schritt. Stadtplaner Timo Söhner erklärt allerdings, dass man davon zum jetzigen Zeitpunkt noch weit entfernt ist. Man sei bestrebt, in Gesprächen Lösungen mit den Anliegern zu finden, verspricht er.
Thomas Spitz ist einer der Grundstücksbesitzer, der bei der Umsetzung von Variante 3 einen Teil seiner Fläche verlieren würde. Er und andere Betroffene favorisieren die erste Möglichkeit mit der Stichstraße. Die würde reichen, um die Erschließung innen liegender Grundstücke zu ermöglichen. Reststrecken könnten mit einem Privatweg überbrückt werden. Zudem würde mit der Stichstraße am wenigsten Fläche versiegelt werden. Bei der Option, die die Straße komplett durch das Gelände bis zur Mozartstraße führt, hätten die übrigen Anlieger nur Nachteile, weil sie Fläche abgeben und sich an den Erschließungskosten beteiligen müssten.
Stadtrat Victor Kern (Grüne) brachte die Einwände der Grundstückeigentümer in der Diskussion des Bauausschusses vor. Dabei wurde einerseits deutlich, dass deren Idee mit dem Privatweg eventuell nicht so leicht umzusetzen sei, wie die Anlieger sich das vorstellen. Denn auch der müsse rechtlich einigen Ansprüchen genügen, zum Beispiel breit genug für die Feuerwehr sein. Zudem verweist Bürgermeister Michael Neher noch mal auf den Bebauungsplan, der die dritte Variante stützt. Für 1 und 2 müsste der geändert werden, wogegen andere wiederum klagen könnten und aller Voraussicht nach in diesem Fall auch würden. Ein Rechtsstreit würde sich drei bis vier Jahre in die Länge ziehen. Der Bauausschuss war sich dann einig, dass trotz aller Einwände mit der Variante 3 weiter geplant werden soll.