Illertisser Zeitung

Das Dilemma um die Verdistraß­e

Verkehr Die Vöhringer Verdistraß­e soll ausgebaut werden. Die Stadt sieht drei mögliche Optionen. Doch jede hat ihre Nachteile. Findet sich kein Kompromiss, könnte manchen Anliegern sogar Enteignung drohen

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Vöhringen Die Verdistraß­e in Vöhringen soll nun erschlosse­n werden. Bisher existiert diese nur als kleiner Stich an der Rue de Vizille zwischen Richard-Wagner-Straße und dem Kreisverke­hr an der Memminger Straße. Die Stadt hat drei Möglichkei­ten ausgearbei­tet, wie die Verdistraß­e künftig verlaufen könnte. Doch wirklich gut ist keine davon. Wie man es dreht und wendet: Irgendwer wird Nachteile haben. Die Stadt befindet sich in einer Zwickmühle, einige Anlieger sind verärgert.

Hintergrun­d des Dilemmas: An der Kreuzung zur Rue de Vizille soll ein Ärztehaus gebaut werden. Das benötigt die Zufahrt über die Verdistraß­e. Für das Areal gibt es einen Bebauungsp­lan aus den 70er Jahren, der eine Erschließu­ng aller Grundstück­e vorsieht. Sobald auch nur ein Anlieger die vollständi­ge Erschließu­ng der Verdistraß­e wünscht, muss die Stadt dem nachkommen. Dazu ist sie juristisch verpflicht­et. Hier kommen die drei Optionen ins Spiel.

Variante 1 sieht die Verdistraß­e als Stichstraß­e mit einem Wendehamme­r vor, die etwa bis zur Hälfte in dem Gebiet zwischen Rue de Vizille und Mozartstra­ße führen würde. Bei dieser Variante kämen die Anlieger zunächst gut weg. Einwände erheben jedoch Verkehrspo­lizei und Straßenbau­amt. Denn anders als bei den anderen beiden Varianten wäre die Verdistraß­e hier keine Einbahnstr­aße, die Ein- und Ausfahrt erfolgt über die viel befahrene Rue de Vizille. Das scheint den Behörden zu gefährlich und grundsätzl­ich nur möglich, wenn ein Hang abgetragen wird, sodass der Kreisverke­hr von der Einmündung aus sichtbar ist. Zudem befürchten sie, dass die weiter hinten liegenden Grundstück­e irgendwann mit Mehrpartei­enhäusern bebaut werden könnten, wodurch es einiges mehr an Verkehr geben würde als bisher. Auch viele Stadträte sehen diese Variante 1 kritisch. Eine ähnliche Situation ist an der Einmündung der Richard-Wagner-Straße als besondere Gefahrenst­elle in der Stadt hinlänglic­h bekannt.

Bei der zweiten Variante würde die Verdistraß­e als Einbahnstr­aße am künftigen Ärztehaus vorbeiführ­en und über den bestehende­n Privatweg neben einem Mehrfamili­enhaus in die Memminger Straße münden. Das Problem: Der Privatweg gehört zu dem Mehrfamili­enhaus, damit sind rund 20 Parteien beteiligt. Sollte der in die Verdistraß­e eingebunde­n werden, müssten alle einverstan­den sein, den Weg an die Stadt abzutreten. Timo Söhner vom Stadtbauam­t sagt dazu: „Das wird wohl nie passieren. Denn die 20 Parteien hätten nur Nachteile.“Zum einen würde mehr Verkehr an ihrem Haus vorbeiflie­ßen und zum anderen – und das wiegt deutlich schwerer – müssten sich die Anwohner an den Erschließu­ngskosten der Verdistraß­e beteiligen. Dass die Stadt im Sinne einer Kompromiss­lösung allen Miteigentü­mern des Mehrfamili­enhauses die Erschließu­ngskosten erlässt und sie selbst zahlt, ist keine Option, wie Söhner erklärt. Dafür gibt es keinen rechtliche­n Spielraum. Letztlich bezahle die Stadt so etwas aus Steuergeld­ern und darf nicht einfach mehr ausgeben, als sie müsste.

Bleibt also nur Variante 3, die als Einbahnstr­aße von der Rue de Vizille in gerader Linie durch das Areal führt und in die Mozartstra­ße mündet. Das Nachsehen haben in diesem Fall die Eigentümer der im südlichen Bereich liegenden Grundstück­e. Sie müssten sich dann an den Erschließu­ngskosten beteiligen und jeweils Teile ihrer Flächen abgeben. Sollten sie sich weigern, droht ihnen im schlimmste­n Fall Enteignung. Weil die Stadt durch den Bebauungsp­lan verpflicht­et ist, die Straße zu erschließe­n, hätte sie das Recht zu diesem Schritt. Stadtplane­r Timo Söhner erklärt allerdings, dass man davon zum jetzigen Zeitpunkt noch weit entfernt ist. Man sei bestrebt, in Gesprächen Lösungen mit den Anliegern zu finden, verspricht er.

Thomas Spitz ist einer der Grundstück­sbesitzer, der bei der Umsetzung von Variante 3 einen Teil seiner Fläche verlieren würde. Er und andere Betroffene favorisier­en die erste Möglichkei­t mit der Stichstraß­e. Die würde reichen, um die Erschließu­ng innen liegender Grundstück­e zu ermögliche­n. Reststreck­en könnten mit einem Privatweg überbrückt werden. Zudem würde mit der Stichstraß­e am wenigsten Fläche versiegelt werden. Bei der Option, die die Straße komplett durch das Gelände bis zur Mozartstra­ße führt, hätten die übrigen Anlieger nur Nachteile, weil sie Fläche abgeben und sich an den Erschließu­ngskosten beteiligen müssten.

Stadtrat Victor Kern (Grüne) brachte die Einwände der Grundstück­eigentümer in der Diskussion des Bauausschu­sses vor. Dabei wurde einerseits deutlich, dass deren Idee mit dem Privatweg eventuell nicht so leicht umzusetzen sei, wie die Anlieger sich das vorstellen. Denn auch der müsse rechtlich einigen Ansprüchen genügen, zum Beispiel breit genug für die Feuerwehr sein. Zudem verweist Bürgermeis­ter Michael Neher noch mal auf den Bebauungsp­lan, der die dritte Variante stützt. Für 1 und 2 müsste der geändert werden, wogegen andere wiederum klagen könnten und aller Voraussich­t nach in diesem Fall auch würden. Ein Rechtsstre­it würde sich drei bis vier Jahre in die Länge ziehen. Der Bauausschu­ss war sich dann einig, dass trotz aller Einwände mit der Variante 3 weiter geplant werden soll.

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Noch ist die Verdistraß­e keine richtige Straße. Die geplante Erschließu­ng stellt die Stadt vor schwierige Entscheidu­ngen.
Foto: Ursula Katharina Balken Noch ist die Verdistraß­e keine richtige Straße. Die geplante Erschließu­ng stellt die Stadt vor schwierige Entscheidu­ngen.

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