Er lebte in seiner eigenen Welt
Motorsport Ein furchtbarer Unfall veränderte das Leben von Reinhold Roth von einem Moment auf den anderen. Mit 68 Jahren ist er gestorben. Fahrerkollege Helmut Bradl erinnert sich
Augsburg Helmut Bradl kann sich an die Szene aus dem Motorradrennen noch genau erinnern. An diesen 17. Juni 1990, den WM-Lauf in Rijeka. Der Honda-Pilot Bradl, Reinhold Roth und Martin Wimmer führten das Feld an. „Dann hat es angefangen zu regnen. Die Sicht wurde schlecht, als wir auf den Australier Darren Milner aufgefahren sind, um ihn zu überrunden“, erzählt der 59-jährige Vize-Weltmeister von 1991 und fährt fort: „Ich bin glatt an Milner vorbei gekommen. Aber Roth fuhr ganz dicht im Windschatten von Wimmer. Wimmer hat einen Schlenker gemacht und dann ist Reinhold Roth dem Australier mit vollem Speed hinten reingeknallt.“Die Bilder ließen Schlimmstes befürchten. Roth schleuderte gegen die Streckenbegrenzung und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Im Vergleich zu heute war die medizinische Versorgung nicht optimal.
Der Vize-Weltmeister von 1987 und 1989 war dem Tod näher als dem Leben. Er hatte einen Schädelbasisbruch, Kieferfrakturen und
Gehirnblutungen erlitten. Acht Minuten blieb sein Gehirn ohne Sauerstoff. „Die waren sein Verhängnis“, sagte seine Frau Elfriede Roth später und gab einen Gedanken preis, den sie damals hatte: „Wenn er gehen will, darf er gehen.“
Aber der damals 37-Jährige wollte nicht. Damit begann auch für Elfriede Roth ein komplett anderes Leben. Sie kämpfte um alles, was ihren Mann auch nur ansatzweise weiterbringen könnte. Reinhold Roth kam nach Burgau. Über ein halbes Jahr verging, ehe er in der Reha
Klinik aus dem Koma erwachte. Er werde ein Leben lang ein sogenannter Apalliker bleiben, wach, aber nicht ansprechbar, prophezeiten die Ärzte. Zweieinhalb Jahre nach dem Unfall kehrte er nach Amtzell zurück. Auch sein Konkurrent Bradl besuchte seinen Fahrerkollegen: „Ich hatte den Eindruck, dass er mich nicht erkennt.“
Wenigstens war er gut versichert. Seine Frau übernahm die Pflege. Ihre acht Geschwister halfen, wo es ging. Roth macht kleine Fortschritte, lebte aber ansonsten in seiner eigenen Welt, die er nur für Momente verlassen konnte. Anders als Corinna Schumacher, die ihren schwer verunglückten Mann und siebenfachen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher bis heute perfekt abschirmt, ging Elfriede Roth offen mit dem Schicksal ihres Mannes um. In Amtzell, einer Allgäu-Gemeinde im Landkreis Ravensburg, ließ die Frau das Haus behindertengerecht umbauen, Pflegerinnen und Pfleger kümmerten sich um ihn.
Laut dem Motorsport-Onlineportal Speedweek.com ist Reinhold Roth gegen Ende der vergangenen Woche wegen eines Lungenkollapses ins Wangener Krankenhaus gebracht worden, wo er am Freitagabend an Organversagen gestorben sei.
Seine Frau brach ihren Kurzurlaub ab, und schaffte es noch zu ihrem Mann, um ihn in seinen letzten Stunden zu begleiten. „Ich bin noch rechtzeitig ins Krankenhaus gekommen, bevor er ganz friedlich eingeschlafen ist“, zitiert Speedweek.com Roths Witwe. Und: „Die Spätfolgen der schweren Kopfverletzungen von Rijeka spielten da eine Rolle.“