Regelschmerzen und Job: Das ist erlaubt
Arbeitsrecht In Spanien gibt es bald Krankengeld bei Menstruationsbeschwerden – wie ist die Lage in Deutschland?
Es könnte eine historische Entscheidung sein, die Spanien derzeit diskutiert: Demnach sollen Frauen mit starken Menstruationsschmerzen bis zu drei Krankheitstage pro Monat per Attest nehmen können. Eine ähnliche Regelung gibt es bislang nur in Südkorea, Indonesien, Taiwan, Sambia und Japan. Spanien wäre also das erste europäische Land, das ein solches Modell einführen würde. Wie geeignet ist diese Regelung auch für Deutschland?
Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Rechtslage in Spanien. Dort besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn man erkrankt. Erst ab dem vierten Krankheitstag können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Art Krankengeld beantragen. „Die Rechtslage in Deutschland ist hingegen viel besser“, sagt Rechtsanwältin Ilka Schmalenberg aus Nürnberg. Im Klartext heißt das: „Die Arbeitnehmerin hat die Möglichkeit, sich von der Arbeit krankzumelden, ohne hierfür einen Grund zu nennen.“
Dennoch könne der Gesetzesentwurf auch wertvolle Impulse für Deutschland geben, glaubt die Grü
Starke Regelschmerzen können zur Belastung weden. nen-Bundestagsabgeordnete Saskia Weishaupt. „Wir müssen uns mehr um Frauengesundheit kümmern“, sagt die Gesundheitsexpertin. Noch immer sei die Periode ein Tabuthema in der Gesellschaft. Die Menstruation sei eben nicht vergleichbar mit Urlaub. „In der Werbung für Tampons sind Frauen zu sehen, die in weißen Kleidern über Felder springen – das hat wenig mit der blutigen Realität zu tun.“Doch noch immer könnten Frauen darüber nicht offen sprechen, beklagt Weishaupt. Um das zu ändern, nimmt die Abgeordnete auch die Politik in die Pflicht. Schon in der Schule müsste mehr über Menstruation gesprochen werden.
Das sieht auch Arbeitsrechtlerin Schmalenberg so. Das Thema Menstruation könne nur durch offene Kommunikation enttabuisiert werden. „Solche klischeebehafteten Sprüche wie: ,Die hat wohl wieder ihre Tage‘ gehören nicht an den Arbeitsplatz.“Immerhin habe sich in den vergangenen Jahren viel getan.
Junge Frauen sind heute aufgeklärter und gehen offener mit dem Thema Periode um, sagt Marion Kiechle. Sie ist Medizinerin, Professorin und Direktorin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums rechts der Isar in München. Schließlich betreffen Menstruationsschmerzen sehr viele Frauen. Sie schätzt, dass zwischen zehn und 30 Prozent unter starken körperlichen Schmerzen während der Periode leiden. Faktoren dafür gibt es viele: „Mit zunehmendem Alter und Kinderzahl nehmen die Schmerzen ab.“Aber auch die Ernährung spiele eine Rolle. Wer unter starken Schmerzen leidet, kann es mit Sport, Wärme und Akupunktur versuchen, rät die Medizinerin. Auch die Pille sei sinnvoll, um die Menstruation und die damit verbundenen Schmerzen zu verhindern. Und sonst? „Bei über 90 Prozent der Frauen helfen Schmerzmittel. Allerdings müssen es spezielle sein – Aspirin und Paracetamol bringen da gar nichts.“
Doch wie können Frauen auch am Arbeitsplatz unterstützt werden? Anwältin Schmalenberg rät Unternehmen dazu, Menstruationsund Hygieneartikel in den Toiletten bereitzustellen. Auch Homeoffice und flexible Arbeitszeiten könnten dazu beitragen, dass sich Frauen während ihrer Regel wohler fühlen. Denn das oberste Gebot sei für Gesundheitsexpertin Weishaupt: „Keine Frau sollte unter Krämpfen ins Büro müssen. Das ist Teil des Rechts auf die Gesundheit.“
Kritik am Gesetzesentwurf in Spanien kommt auch aus dem feministischen Lager. Es sei ein Rückschritt auf dem Weg der Gleichstellung, heißt es. Tatsächlich gebe es dabei einige Gefahren für Frauen auf dem Arbeitsmarkt, bestätigt Rechtsanwältin Schmalenberg. Aus Kosten- und Organisationsgründen könnten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber männliche Bewerber bevorzugen. Dies könnte gar zu Entlassungen oder zur Nichteinstellung führen. „Der Arbeitgeber wird auch geneigt sein, die Arbeitnehmerin schlechter zu bezahlen als den Arbeitnehmer.“
Krankheitstage als Vorwand, um
Frauen weniger Lohn zu bezahlen als Männern? Solche Argumente kennt auch Saskia Weishaupt – und hat dazu eine klare Meinung: „Probleme zu ignorieren und zu hoffen, dass sie sich von alleine lösen, hat noch nie geklappt.“Frauen müssten bei heftigen Menstruationsbeschwerden zu Hause bleiben dürfen, ganz ohne Stigmatisierung, sagt sie.
Eben diese Stigmatisierung befürchtet auch Medizinerin Kiechle mit Blick auf das Modell in Spanien: „Warum soll ich als Frau offenlegen, wann ich meine Periode habe? Das geht den Arbeitgeber nichts an.“Schon das Wort „Menstruationsurlaub“finde sie schrecklich.