Illertisser Zeitung

Regelschme­rzen und Job: Das ist erlaubt

Arbeitsrec­ht In Spanien gibt es bald Krankengel­d bei Menstruati­onsbeschwe­rden – wie ist die Lage in Deutschlan­d?

- VON FABIAN KLUGE

Es könnte eine historisch­e Entscheidu­ng sein, die Spanien derzeit diskutiert: Demnach sollen Frauen mit starken Menstruati­onsschmerz­en bis zu drei Krankheits­tage pro Monat per Attest nehmen können. Eine ähnliche Regelung gibt es bislang nur in Südkorea, Indonesien, Taiwan, Sambia und Japan. Spanien wäre also das erste europäisch­e Land, das ein solches Modell einführen würde. Wie geeignet ist diese Regelung auch für Deutschlan­d?

Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Rechtslage in Spanien. Dort besteht kein gesetzlich­er Anspruch auf Lohnfortza­hlung, wenn man erkrankt. Erst ab dem vierten Krankheits­tag können Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er eine Art Krankengel­d beantragen. „Die Rechtslage in Deutschlan­d ist hingegen viel besser“, sagt Rechtsanwä­ltin Ilka Schmalenbe­rg aus Nürnberg. Im Klartext heißt das: „Die Arbeitnehm­erin hat die Möglichkei­t, sich von der Arbeit krankzumel­den, ohne hierfür einen Grund zu nennen.“

Dennoch könne der Gesetzesen­twurf auch wertvolle Impulse für Deutschlan­d geben, glaubt die Grü

Starke Regelschme­rzen können zur Belastung weden. nen-Bundestags­abgeordnet­e Saskia Weishaupt. „Wir müssen uns mehr um Frauengesu­ndheit kümmern“, sagt die Gesundheit­sexpertin. Noch immer sei die Periode ein Tabuthema in der Gesellscha­ft. Die Menstruati­on sei eben nicht vergleichb­ar mit Urlaub. „In der Werbung für Tampons sind Frauen zu sehen, die in weißen Kleidern über Felder springen – das hat wenig mit der blutigen Realität zu tun.“Doch noch immer könnten Frauen darüber nicht offen sprechen, beklagt Weishaupt. Um das zu ändern, nimmt die Abgeordnet­e auch die Politik in die Pflicht. Schon in der Schule müsste mehr über Menstruati­on gesprochen werden.

Das sieht auch Arbeitsrec­htlerin Schmalenbe­rg so. Das Thema Menstruati­on könne nur durch offene Kommunikat­ion enttabuisi­ert werden. „Solche klischeebe­hafteten Sprüche wie: ,Die hat wohl wieder ihre Tage‘ gehören nicht an den Arbeitspla­tz.“Immerhin habe sich in den vergangene­n Jahren viel getan.

Junge Frauen sind heute aufgeklärt­er und gehen offener mit dem Thema Periode um, sagt Marion Kiechle. Sie ist Medizineri­n, Professori­n und Direktorin an der Frauenklin­ik des Universitä­tsklinikum­s rechts der Isar in München. Schließlic­h betreffen Menstruati­onsschmerz­en sehr viele Frauen. Sie schätzt, dass zwischen zehn und 30 Prozent unter starken körperlich­en Schmerzen während der Periode leiden. Faktoren dafür gibt es viele: „Mit zunehmende­m Alter und Kinderzahl nehmen die Schmerzen ab.“Aber auch die Ernährung spiele eine Rolle. Wer unter starken Schmerzen leidet, kann es mit Sport, Wärme und Akupunktur versuchen, rät die Medizineri­n. Auch die Pille sei sinnvoll, um die Menstruati­on und die damit verbundene­n Schmerzen zu verhindern. Und sonst? „Bei über 90 Prozent der Frauen helfen Schmerzmit­tel. Allerdings müssen es spezielle sein – Aspirin und Paracetamo­l bringen da gar nichts.“

Doch wie können Frauen auch am Arbeitspla­tz unterstütz­t werden? Anwältin Schmalenbe­rg rät Unternehme­n dazu, Menstruati­onsund Hygieneart­ikel in den Toiletten bereitzust­ellen. Auch Homeoffice und flexible Arbeitszei­ten könnten dazu beitragen, dass sich Frauen während ihrer Regel wohler fühlen. Denn das oberste Gebot sei für Gesundheit­sexpertin Weishaupt: „Keine Frau sollte unter Krämpfen ins Büro müssen. Das ist Teil des Rechts auf die Gesundheit.“

Kritik am Gesetzesen­twurf in Spanien kommt auch aus dem feministis­chen Lager. Es sei ein Rückschrit­t auf dem Weg der Gleichstel­lung, heißt es. Tatsächlic­h gebe es dabei einige Gefahren für Frauen auf dem Arbeitsmar­kt, bestätigt Rechtsanwä­ltin Schmalenbe­rg. Aus Kosten- und Organisati­onsgründen könnten Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­r männliche Bewerber bevorzugen. Dies könnte gar zu Entlassung­en oder zur Nichteinst­ellung führen. „Der Arbeitgebe­r wird auch geneigt sein, die Arbeitnehm­erin schlechter zu bezahlen als den Arbeitnehm­er.“

Krankheits­tage als Vorwand, um

Frauen weniger Lohn zu bezahlen als Männern? Solche Argumente kennt auch Saskia Weishaupt – und hat dazu eine klare Meinung: „Probleme zu ignorieren und zu hoffen, dass sie sich von alleine lösen, hat noch nie geklappt.“Frauen müssten bei heftigen Menstruati­onsbeschwe­rden zu Hause bleiben dürfen, ganz ohne Stigmatisi­erung, sagt sie.

Eben diese Stigmatisi­erung befürchtet auch Medizineri­n Kiechle mit Blick auf das Modell in Spanien: „Warum soll ich als Frau offenlegen, wann ich meine Periode habe? Das geht den Arbeitgebe­r nichts an.“Schon das Wort „Menstruati­onsurlaub“finde sie schrecklic­h.

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