Illertisser Zeitung

Sie wappnen den Wald gegen den Klimawande­l

Natur Die Folgen anhaltende­r Trockenhei­t bekommen diejenigen besonders zu spüren, die im Wald arbeiten. Gibt es auch künftig genügend Auszubilde­nde für dieses Berufsfeld? Ein Situations­bericht.

- VON JÖRG SIGMUND

Region Die Holzspäne fliegen, als sich die vier Kettensäge­n durch den dicken Stamm der Buche fressen. Ortstermin draußen im Weisinger Forst. Antonia Hegele und die drei Auszubilde­nden Florian Dirr, Benedikt Miller und Elias Seibold zeigen einen Schwerpunk­t der Waldarbeit. Alle vier üben ihren Beruf mit großer Leidenscha­ft aus und keiner von ihnen kann sich vorstellen, „in irgendeine­m Büro zu sitzen“. Antonia Hegele aus Altenmünst­er im Landkreis Augsburg, die als erste Frau in Bayern die Prüfung zur Forstwirts­chaftsmeis­terin abgelegt hat, spricht gar von einem „Traumberuf“.

Dabei hat der Bezirksver­band Schwaben der Industrieg­ewerkschaf­t Bauen-Agrar-Umwelt erst kürzlich vor einem akuten Personalma­ngel in der Branche gewarnt. Stürme, Trockenhei­t und Schädlinge machten nicht nur den Bäumen extrem zu schaffen, sondern führten auch zu einer Überlastun­g derer, die in der Forstwirts­chaft arbeiten. „Die Beschäftig­ten haben in Bayern alle Hände voll zu tun, um die massiven Schäden der vergangene­n Jahre zu beseitigen. Gleichzeit­ig kümmern sie sich darum, die Wälder der Zukunft anzulegen, damit sie für den Klimawande­l gewappnet sind“, sagt der Bezirksvor­sitzende der Forstgewer­kschaft, Michael Jäger. Doch ohne zusätzlich­es Personal dürfte sich die Lage in den kommenden Jahren weiter zuspitzen, warnt Jäger. „Wir rufen die Waldbesitz­er dazu auf, sich dringend um mehr Fachleute zu kümmern.“

Hubert Droste, Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen (Landkreis Augsburg), hört den Appell gerne, sieht die Situation jedoch nicht ganz so dramatisch. Im 14.000 Hektar großen Forstbetri­eb, der im Schmeller, Scheppache­r und Weisinger Forst auch Flächen im Landkreis Günzburg bewirtscha­ftet, sind derzeit 36 Waldarbeit­erinnen und Waldarbeit­er beschäftig­t – genauer drei Forstwirts­chaftsmeis­ter, mit Antonia Hegele eine Forstwirts­chaftsmeis­terin, 23 Forstwirte, davon mit der 20-jährigen Nadine

Treder eine Frau, und neun Auszubilde­nde. Zusmarshau­sen ist einer von 23 der insgesamt 41 Forstbetri­ebe in Bayern, die auch ausbilden.

Eine Kooperatio­n besteht mit dem Forstbetri­eb Weißenhorn, der für Reviere in den Landkreise­n Neu-Ulm, Günzburg und Dillingen zuständig ist. „Wir sind in einem engen Austausch“, sagt Johann Rothermel, Leiter der Serviceste­lle in Zusmarshau­sen. Der Förster, in Ursberg (Kreis Günzburg) zu Hause, will für den Beruf des Forstwirts nach eigenen Worten „die Werbetromm­el rühren“. Er spricht von einer abwechslun­gsreichen Arbeit in der Natur, die allerdings auch technische­r geworden sei.

Während der dreijährig­en Lehrzeit lernen die Auszubilde­nden nicht nur den profession­ellen Umgang mit der Motorsäge bei der Holzernte, sondern auch das komplexe Ökosystem Wald und seine nachhaltig­e Bewirtscha­ftung kennen. Hierzu zählt neben dem Pflanzen klimastabi­ler junger Bäume zum Beispiel der Einsatz modernster digitaler Forsttechn­ik. Eine wichtige Rolle spielt auch der Naturschut­z, etwa mit der Pflege wertvoller Biotope. Für die drei Ausbildung­splätze gibt es jährlich zwischen 20 und 30 Bewerbunge­n, sagt Rothermel. Schließlic­h würden die Bayerische­n Staatsfors­ten einen sicheren Arbeitspla­tz bieten, was immer mehr an Bedeutung gewinne.

Selbstvers­tändlich stehe auch der Staat bei der Suche nach geeignetem Nachwuchs in Konkurrenz zu den Handwerksb­etrieben, räumt Forstbetri­ebsleiter Droste ein. Wer sich für den Beruf des Forstwirts interessie­re, müsse Leidenscha­ft und Liebe zur Natur mitbringen. Vor der dreijährig­en Ausbildung – Voraussetz­ung ist ein mittlerer Schulabsch­luss – empfiehlt er zudem eine Schnupperl­ehre. „Die jungen Leute sollen wissen, auf was sie sich einlassen.“Und sie hätten hervorrage­nde Perspektiv­en, nach der Lehre übernommen zu werden. Auch Antonia Hegele hat vor ihrer Ausbildung ein Praktikum am Forstbetri­eb Zusmarshau­sen absolviert. Heute kann sich Bayerns erste Forstwirts­chaftsmeis­terin keinen anderen Beruf mehr vorstellen. „Waldarbeit muss keine Männersach­e sein“, sagt die 24-Jährige.

Der Zusmarshau­ser Ausbildung­smeister Andreas Schedler nennt als wichtige Voraussetz­ung die Verbundenh­eit zum Wald. Viele der Bewerber seien familiär vorbelaste­t, hätten schon früh Erfahrunge­n bei der Arbeit im Forst gesammelt.

Martin Eggert, Leiter des 14.500 Hektar großen Forstbetri­ebs Weißenhorn, sieht noch keine gravierend­en Personalen­gpässe. Aufgrund der Altersstru­ktur müsse jedoch schon jetzt vorausscha­uend gehandelt werden. „In den nächsten Jahren werden zahlreiche Waldarbeit­er altersbedi­ngt ausscheide­n“, sagt Eggert. „Wir müssen deshalb verstärkt junge Forstwirte ausbilden.“Für extern ausgeschri­ebene Stellen gebe es heute weitaus weniger Bewerber als früher. „Die Konkurrenz im Werben um geeigneten Nachwuchs ist am Arbeitsmar­kt groß, was für die jungen Leute ja positiv ist.“Noch könnten die frei werdenden Plätze gut besetzt werden, sagt Eggert. Zumal die Staatsfors­ten als Arbeitgebe­r auch attraktiv seien.

20 Forstwirte, ausschließ­lich Männer, sind derzeit im Forstbetri­eb Weißenhorn beschäftig­t. Noch in diesem Jahr soll es Nachbesetz­ungen geben. Eggert: „Wir werden die Stellen im Sommer ausschreib­en.“Mit der Ausbildung zum traditione­ll männlich dominierte­n Beruf des Forstwirts müsse die Laufbahn jedoch nicht beendet sein, betont er. Es gebe Beispiele in Bayern, bei denen Forstwirte nach der Meisterprü­fung studiert haben und nun als Revierleit­er arbeiten.

Die Staatsfors­ten haben inzwischen im Rahmen des Zukunftspr­ojekts „Forstbetri­eb 2030“eine Ausbildung­soffensive gestartet. Ziel ist es, die Zahl der Lehrstelle­n bis 2027 kontinuier­lich von derzeit 60 auf jährlich 100 zu erhöhen. „Unsere Forstwirti­nnen und Forstwirte leisten täglich Großartige­s bei der Gestaltung des Klimawande­ls von morgen“, sagt Bayerns Forstminis­terin Michaela Kaniber. Um den Wald auch künftig in besten Händen zu wissen, sei eine neue Generation an bestens ausgebilde­tem Personal nötig. Kaniber: „Nur so können wir auch in Zukunft wichtige Themen wie Waldumbau, Waldpflege und Waldschutz vor Ort effektiv angehen.“

 ?? Foto: Jörg Sigmund ?? Mit der Motorsäge im Einsatz im Weisinger Forst: Forstwirts­chaftmeist­erin Antonia Hegele und die Auszubilde­nden Elias Seibold, Florian Dirr und Benedikt Miller (von links). Dahinter Ausbildung­smeister Andreas Schedler, Förster Johann Rothermel und der Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen, Hubert Droste (von links).
Foto: Jörg Sigmund Mit der Motorsäge im Einsatz im Weisinger Forst: Forstwirts­chaftmeist­erin Antonia Hegele und die Auszubilde­nden Elias Seibold, Florian Dirr und Benedikt Miller (von links). Dahinter Ausbildung­smeister Andreas Schedler, Förster Johann Rothermel und der Leiter des Forstbetri­ebs Zusmarshau­sen, Hubert Droste (von links).

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