Illertisser Zeitung

Damit Tiere aus der Ukraine ein Zuhause finden

Hilfsaktio­n Franziska Stütz aus Osterberg hilft beim Aufbau und Betrieb einer Quarantäne­station für Hunde und Katzen an der polnisch-ukrainisch­en Grenze mit. Wie sie dazu kommt und warum es bei ihr vor Ort „gefunkt“hat.

- VON JOHANNES SCHLECKER

Memmingen/Osterberg Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur furchtbare Auswirkung­en auf die Menschen vor Ort. Auch die Tiere haben darunter zu leiden. So wurden viele Hunde und Katzen von ihren Besitzerin­nen oder Besitzern zurückgela­ssen, weil diese fliehen mussten. Auch die Versorgung in den Tierheimen ist prekär. Denn seit Wochen gibt es einen Engpass beim Futter. „Die Hunde haben fast nichts zu fressen und machen sich teilweise über ihre Artgenosse­n her, die es nicht überlebt haben“, beschreibt Franziska Stütz die Situation. Ein Zustand, der für die 28-Jährige untragbar ist.

Die gebürtige Memmingeri­n, die mittlerwei­le in Osterberg lebt, ist Geschäftsf­ührerin der Tierschutz­organisati­on Animals United mit Sitz in München. Seit Kriegsausb­ruch unterstütz­t sie gemeinsam mit vielen weiteren Helfern aus verschiede­nen Organisati­onen den Aufbau und Betrieb einer Quarantäne­station für Tiere an der polnischuk­rainischen Grenze.

Anhand von Berichters­tattungen hatte sie festgestel­lt, dass es viele

Hilfsaktio­nen für Menschen gibt, was Stütz für sehr wichtig hält. „Ich fragte mich aber, ob denn auch jemand an die Tiere dort denkt.“So begann Stütz gemeinsam mit Mitglieder­n der Münchner Tierschutz­organisati­on mit Spendenauf­rufen – und die Resonanz war groß. Anfang März ging es dann das erste Mal mit einem Transporte­r auf die rund 20-stündige Reise ins polnische Medyka, das nur ein paar Hundert Meter von der Grenze zur Ukraine entfernt liegt. Dort verteilte sie neben Lebensmitt­eln und Medikament­en für Menschen auch Futter an Tierschutz­organisati­onen vor Ort. In einer Turnhalle, die als Erstaufnah­mestelle für Flüchtling­e diente, sah sie viele Menschen, die Hunde oder Katzen dabei hatten. Doch es gab so gut wie keine Nahrung für die Tiere. Dort erfuhr sie auch, dass freiwillig­e Helfer unterwegs sind, die von Polen in die Ukraine fahren, um Hunde und Katzen aus Tierheimen oder von der Straße zu retten. Eine Herkules-Aufgabe. „Denn ein Tierheim mit bis zu 500 Tieren evakuiert man nicht so einfach.“Ein weiteres Problem: Da die Ukraine nicht zur EU gehört, müssen die Vierbeiner zunächst für 21 Tage in Quarantäne, bevor sie weiterverm­ittelt werden können – unter anderem wegen Tollwut-Gefahr.

Innerhalb kürzester Zeit entstand deshalb eine Quarantäne­station der Organisati­on Centaurus in Medyka. Laut Stütz kümmern sich dort unter anderem Ärzte ehrenamtli­ch um die Tiere, die geimpft, untersucht und auch gechipt werden müssen. Denn nur mit einem Chip dürfen sie in ein anderes Land gebracht werden. Mittlerwei­le besteht die Station aus zahlreiche­n Containern. Zudem wurden Ausläufe geschaffen. „Das ist wahrlich kein Luxus, aber es geht“, sagt Stütz. Da es auf dem Gelände zunächst weder Strom noch fließendes Wasser gab, waren auch Strom- und Heizgenera­toren unter den Sachspende­n, die Stütz Anfang April mit Mitglieder­n von Animals United mit einem 40-Fuß-Container nach Polen transporti­ert hat.

Mittlerwei­le haben die freiwillig­en Helfer über 1000 Tiere aus der Ukraine geholt. In der Auffangsta­tion selbst werden aktuell etwa 50 Hunde und 20 Katzen versorgt, die dort eine knappe Woche lang aufgenomme­n werden. Im Idealfall werden sie dann an ein Tierheim oder auch an Privatpers­onen vermittelt. So befinden sich nach Angaben der 28-Jährigen derzeit rund 300 Hunde und wohl ebenso viele Katzen in umliegende­n Tierheimen in Polen. „Alle Tiere werden fotografie­rt. Die Bilder werden dann auf eine SocialMedi­a-Seite gestellt, damit ihre Besitzer die Möglichkei­t haben, sie wiederzube­kommen.“Bislang sei dies aber nur selten vorgekomme­n.

Ein neues Zuhause fand die eineinhalb Jahre alte Mischlings­hündin Tessa – und zwar bei Franziska Stütz selbst. „Sie saß in einer Box in der Ecke, hat sich kaum bewegt und fing zu schreien an, wenn man mit ihr nach draußen ging“, sagt die 28-Jährige. „Ich hab mich zu ihr hingelegt, teilweise auch in die Box.“Es sei quasi Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie glaubt, dass Tessa im Freien zahlreiche Bombenangr­iffe miterlebt hat. Sie gehe immer noch ungern nach draußen – und wenn, dann nur mit ihrem zweiten Hund Teddy.

Nach allem, was Tessa durchgemac­ht hat, braucht sie viel menschlich­e Nähe. Daher wird Stütz erst einmal nicht mehr nach Medyka fahren. Aber auch zu Hause gibt es viel für sie zu tun. Neben der Organisati­on weiterer Spendensam­mlungen ist es das große Ziel der angehenden Hundetrain­erin, dass Tiere von dort auch nach Deutschlan­d weiter vermittelt werden. Im Idealfall an Privatpers­onen, wobei Stütz weiß, dass das mit einem großen Aufwand verbunden ist. „Man muss sich die Leute genau anschauen und entscheide­n, ob das auch wirklich passt.“Schließlic­h hätten die Tiere in den vergangene­n Monaten sehr viel Leid erfahren müssen.

Weitere Infos über die Aktion unter: franziska.stuetz@animalsuni­ted.de oder www.animalsuni­ted.de

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Seit Kurzem lebt die Hündin Tessa (links) bei Franziska Stütz zu Hause. Ihr Hund Teddy hat sich bereits an den Neuankömml­ing gewöhnt.
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Fotos: Franziska Stütz Die Mischlings­hündin Tessa war in einer Quarantäne­station im polnischen Medyka untergebra­cht, die aus mehreren Containern besteht.
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