Illertisser Zeitung

Freiheit muss erkämpft werden

Zur „Langen Nacht der Demokratie“gehen der Landrat, Journalist­in Mesale Tolu und Schülerin Sina Potrykus unter anderem der Frage nach, wie man junge Menschen für Politik begeistern kann.

- Von Florian L Arnold

Neu-Ulm „Kriegerin“ist ein Film aus dem Jahr 2011 von David Wnendt mit Alina Levshin, Jella Haase und Gerdy Zint in den Hauptrolle­n. Darin geht es um ein Neonazi-Mädchen und ihr von Hass geprägtes Weltbild. Sie hasst Ausländer, Politiker, den Staat und alles, dem sie die Schuld daran geben kann, dass alles um sie herum den Bach runtergeht. Dass es dann ausgerechn­et ein afghanisch­er Flüchtling, Rasul, ist, der ihr Weltbild ins Wanken bringt, löst eine Kette verheerend­er Ereignisse aus. Der Film stimmt das Publikum bei der „Langen Nacht der Demokratie“auf die Podiumsdis­kussion ein. Unter anderen sprach Journalist­in Mesale Tolu über das Thema „Was uns zusammenhä­lt“.

Es war die erste Auflage der „Langen Nacht der Demokratie“, die der Landkreis Neu-Ulm initiiert hatte. Die Diskussion­srunde war Höhe- und Schlusspun­kt der Veranstalt­ung. Landrat Thorsten Freudenber­ger, Journalist­in Mesale Tolu sowie die 15-jährige Schülerin Sina Potrykus (Vöhringen) waren eingeladen; der ebenfalls eingeladen­e Leiter des Generation­entreffs, Volker Lehmann, konnte wegen Erkrankung nicht dabei sein. Co-Organisato­rin Sonja Seger-Scheib (Landratsam­t NeuUlm) führte durch den Abend und wollte von Schülerin Sina Potrykus wissen, wie es aus deren Sicht junge Menschen mit Politik, Wahlen und Demokratie halten. Ehrlich antwortete die junge Frau, sie fühle sich „nicht bereit für die Kommunalwa­hlen“.

„Wir haben seit diesem Schuljahr, also seit sechs Wochen erst, Politikunt­erricht. Eine Stunde am Nachmittag. Ich würde mir wünschen, dass Politikunt­erricht schon früher angeboten würde. Ich glaube, ab der 8. Klasse könnte man entspannt damit anfangen. Man muss auch denen etwas anbieten, die sich nicht von selbst für Politik interessie­ren“, so Potrykus. Sie führte weiter aus, dass sie sich wünsche, die Politik wie auch die Schule würden die Parallelen des Alltagsleb­ens mit dem politische­n Geschehen aufzeigen. „Warum kommen keine Politiker in die Schulen? Warum wird nicht allen jungen Menschen ein Besuch

in Berlin und im Bundestag angeboten, damit sie sehen und verstehen, wo und wie Politik gemacht wird?“Für diese Anregung bekam die Vöhringer Schülerin spontanen Applaus – auch von Thorsten Freudenber­ger, der selbst als 18-Jähriger in die Politik ging und mit 41 Jahren durch die Landratswa­hl zum Berufspoli­tiker wurde.

„Jedes Engagement ist wichtig“, betonte Freudenber­ger, „wir müssen unbedingt junge Leute darin bestärken, sich politisch zu engagieren.“Auf Potrykus’ Einwand, dass die Politik die Ideen und das Engagement junger Bürger oftmals als „naiv“dargestell­t würden. „Nicht ernst genommen“ fühlten sich viele Junge und wendeten sich darum von Politik als Ganzes ab. Freudenber­ger bezeichnet­e eine der wichtigen Aufgaben derzeit, Politik „nicht komplizier­ter zu machen“, Inhalte für alle verständli­ch zu halten – denn die einzige Alternativ­e zur Demokratie sei eben eine Diktatur.

Mesale Tolu, die als Journalist­in am eigenen Leib erlebte, wie eine antidemokr­atische Regierung mit Bürgern, insbesonde­re mit kritischen Journalist­innen und Journalist­en umgeht, mahnte Mut an: „Die Angst der Menschen, die Furcht vor Krisen und Veränderun­gen“treibe viele um. Doch es sei für Journalist­en wie auch Politikeri­nnen und Politiker gleicherma­ßen wichtig, für die Demokratie einzutrete­n – indem man sich mit „außerorden­tlichem Engagement“und „Haltung Feindbilde­rn entgegenst­ellt“. Es müsse vielleicht deutlicher erklärt werden, wie die Welt (derzeit) funktionie­re, warum bestimmte Prozesse unsere Gegenwart bestimmen. Niemand dürfe die Ängste der Menschen instrument­alisieren.

Der Gesprächsi­mpuls nach der Filmvorfüh­rung bot einen willkommen­en Anlass, über die kontrovers­en Szenen des Films, aber auch über unsere gespaltene Gesellscha­ft nachzudenk­en. Freilich wäre der Mehrwert für die zahlreiche­n Besucher der auf 21.30 Uhr angesetzte­n Runde noch größer gewesen, hätte man die Runde für alle geöffnet. Auch fiel der Beitrag von Tolu etwas knapp aus – schade, wenn man bedenkt, was diese Frau, die von Freudenber­ger als „Vorbild“gelobt wurde, zu Themen wie Fake News, Unterwande­rung von Informatio­nsflüssen und antidemokr­atischen Parteien wohl alles zu sagen hätte. Aber vielleicht wäre das zu viel verlangt gewesen zu so später Stunde.

Die abschließe­nde Zusammenku­nft „1000 Lichter für den Frieden“fiel buchstäbli­ch ins Wasser – doch auch so hatte die erste Lange Nacht der Demokratie ein wahres Füllhorn an Angeboten und Aktionen anzubieten. Auf ein Neues in Bälde bitte!

 ?? Foto: Florian L. Arnold ?? Landrat Thorsten Freudenber­ger, Schülerin Sina Potrykus und Journalist­in Mesale Tolu sprechen bei der Veranstalt­ung über Demokratie und was es braucht, sie zu erhalten.
Foto: Florian L. Arnold Landrat Thorsten Freudenber­ger, Schülerin Sina Potrykus und Journalist­in Mesale Tolu sprechen bei der Veranstalt­ung über Demokratie und was es braucht, sie zu erhalten.

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