Illertisser Zeitung

Bewusste Provokatio­n

Ein Banner der FCA-Ultras, das im Spiel gegen den FC Bayern gezeigt wurde, schlägt hohe Wellen. Es geht um das Verhältnis der Fans zur Polizei.

- Von Robert Götz

Es lief die letzte Viertelstu­nde bei der Partie des FC Augsburg gegen den FC Bayern München, als die FCA-Ultras unten am M-Block, ihrer Heimat in der Nordkurve der WWK-Arena, ein Banner entrollten. Darauf stand in grünen Buchstaben: „Bullenschw­eine raus aus den Stadien.“Dort hing es. Nicht nur gut sichtbar für die TVKameras, sondern auch für die Kameras der Polizei, die vor allem auf den M-Block gerichtet sind. Und die Polizei war natürlich Ziel der Provokatio­n dieser FCA-Fans.

Doch an diesem Nachmittag geschah – nichts. Weder der FCA noch die Polizei schritten ein. Der FCA ging am Donnerstag­abend mit einer Stellungna­hme auf der eigenen Homepage an die Öffentlich­keit. Er distanzier­te sich von den Aussagen des Banners und berief sich auf die Werte des FCA und die Vereinssat­zung. Meinungsfr­eiheit und kritische Äußerungen seien in der WWK-Arena zugelassen, aber keine Diffamieru­ngen und Beleidigun­gen. Das Banner sei nicht entfernt worden, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Markus Trieb, Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben

Nord, erklärte auf Anfrage: „Im konkreten Fall wurde entschiede­n, keine Maßnahmen zu treffen.“

Vermutlich auch, weil so ein Banner mit dieser Aufschrift nicht unbedingt eine strafbare Handlung im Sinne einer Beleidigun­g darstellt, da es keine Personengr­uppe im engeren Sinne meint. Dazu gibt es einen Beschluss des Bundesverf­assungsger­ichts vom Mai 2016. Damals ging es um das Zeigen der Buchstaben „ACAB“bei einem Fußballspi­el. Laut Wikipedia steht die Abkürzung A.C.A.B. für den englischen Ausspruch „All cops are bastards“, wörtlich: „Alle Polizisten sind Bastarde“, oder sinngemäß: „Alle Bullen sind Schweine“.

Verunglimp­ft man einen einzelnen Polizisten oder eine direkt bezeichnet­e Einheit mit dem Ausdruck „Bullenschw­ein(e)“, kann es strafrecht­liche Folgen haben, bleibt man allgemein, kann es vor einer Anzeige schützen. So sieht es auch Martina Sulzberger. Die Rechtsanwä­ltin engagiert sich bei dem Rot-Grün-Weiße-Hilfe e.V. Der Verein unterstütz­t FCA-Fans, die im Zusammenha­ng mit FCASpielen in Kontakt mit der Justiz gekommen sind. Sulzberger: „Mit den Worten ’Bullenschw­eine raus aus den Stadien’ handelt es sich um keine hinreichen­d überschaub­are Personengr­uppe, es bedarf eben, so die Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts, einer personalis­ierenden Zuordnung, diese gab es hier nicht.“Die Polizei prüft den Vorfall. „Unabhängig von der Frage der Strafbarke­it dieses Banners finden wir derartige Äußerungen unangebrac­ht“, sagt Trieb. Ob es weitere Ermittlung­en oder eine Anzeige geben wird, werde ebenfalls geprüft.

Doch warum kam es überhaupt zu dieser Verunglimp­fung der Polizei? Das Verhältnis der Ultras zu den Spezialein­heiten der Polizei, wie zum Beispiel dem Unterstütz­ungskomman­do (USK), ist von Haus aus problemati­sch. Kommt es zu Auseinande­rsetzungen, steht man sich zumeist gegenüber. Zur Augsburger Polizei hingegen galt das Verhältnis lange als entspannt. Doch seit gut einem Jahr ist es auf einem Tiefpunkt. „Es gab das ganze Jahr 2023 über schon vermehrt Probleme mit der Polizei, vor allem bei Heimspiele­n. Das war ganz viele Jahre so gut wie nie der Fall“, sagt ein Sprecher des Rot-GrünWeiße-Hilfe e.V. Die Fans fühlen sich von der Polizei gegängelt. Vor allem im Stadion, in dem der FCA mit seinem Ordnungsdi­enst das Hausrecht hat. „Beim ersten Heimspiel

gegen Gladbach gab es den völligen Aufbruch des Konsenses, den es seit vielen Jahren gab, dass der Bereich der Ulrich-BiesingerT­ribüne polizeifre­i ist. Da standen dann USK-Einheiten direkt neben dem Fan-Corner oder vor dem Eingang zu den Stehplätze­n. Für viele Fans war das unverständ­lich“, sagt der Sprecher. Vielleicht liegt die Polizeiprä­senz auch daran, dass nach Corona vereinzelt bei Heimspiele­n Pyrotechni­k im M-Block gezündet wurde, was lange als NoGo galt. Bei der Polizei verweist man darauf, dass man in allen Stadionber­eichen, also auch in der Nordkurve, präsent ist.

Die aktive Fanszene sieht das anders: „Unser Eindruck ist, dass auch die Augsburger Polizei, analog zu dem, was gerade bundesweit passiert im Hinblick auf die EM, die Muskeln spielen lässt“, sagt der RGW-Sprecher. So kam es zuletzt auf St. Pauli oder in Frankfurt zu massiven Auseinande­rsetzungen.

Die polizeifre­ie Nordkurve hat einen hohen Stellenwer­t für die aktive Fanszene. Wenn es dort Probleme gibt, versucht sie das in Zusammenar­beit mit dem Ordnungsdi­enst und den Fan- und Sicherheit­sbeauftrag­ten zu lösen. Ohne Polizei. Vielleicht wäre der bisher unbekannte Vorfall nach dem Leverkusen-Spiel

anders abgelaufen. Ein 26-jähriger FCA-Fan aus der Szene hatte den Stadionber­eich verlassen und wollte später zurück, was nicht erlaubt ist. Es kam zu Diskussion­en mit Ordnern, der FCA-Fan verschafft­e sich trotzdem Zutritt. Eigentlich eine Lappalie – aus Sicht der Fanszene.

Anders sahen das anwesende Polizeibea­mte. Sie griffen ein. Die Situation eskalierte, als sie die vorläufig Festgenomm­enen an den anderen Fans vorbei zur weiteren Klärung des Vorfalls sowie zur Feststellu­ng der Personalie­n abführen wollten. Sie wurden verfolgt und bedrängt. Es kam zum Einsatz von Pfefferspr­ay und Schlagstöc­ken. „Das hätte man von beiden Seiten anders lösen können“, erklärte ein Augenzeuge gegenüber unserer Redaktion.

Die Ultras machten ihren Unmut nun mit dem provokativ­en Banner Luft. Zaunfahnen oder Plakate werden vom FCA nicht kontrollie­rt. Der Verein appelliert an die Vernunft der aktiven Fanszene. Die Meinungsfr­eiheit ist für ihn ein hohes Gut. So waren gegen die Bayern auch Banner gegen den Investoren-Einstieg und gegen den Rechtsextr­emismus zu sehen. Trotz des Vorfalls setzt der FCA weiter auf den Dialog.

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Foto: heike feiner, Eibner-Pressefoto Mit diesem Banner machten die Ultras auf sich aufmerksam. Der Verein distanzier­t sich davon.

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