Illertisser Zeitung

Krisensich­er mit Kunststoff und Präzision

Trotz vieler Krisen auf der Welt stimmen die Zahlen beim Familienbe­trieb Weiss Kunststoff­verarbeitu­ng, der überwiegen­d die Autobranch­e versorgt. Was bedeutet der Wandel dort für Weiss?

- Von Sebastian Mayr

Dass über Preise diskutiert wird, ist normal. Aber so viel Druck bei der Kundschaft hat Weiss Kunststoff­verarbeitu­ng noch nie gespürt, berichtet der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter Jürgen B. Weiss. Das Illertisse­r Unternehme­n fertigt Präzisions­teile, die bis auf den tausendste­l Millimeter genau sind. Fast zwei Drittel der Aufträge kommen aus der Automobili­ndustrie. Der Wandel dort bereitet dem Familienbe­trieb keine schwerwieg­enden Sorgen, doch Firmenchef Weiss sieht grundlegen­de Gefahren.

Für Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r ist die Arbeit quasi unsichtbar. Doch Betriebe wie Weiss versorgen viele andere Unternehme­n. Nach Auskunft des Firmenchef­s fertigen nur Lego und Bosch ihre Kunststoff­teile selbst. Weiss beliefert Motorenher­steller, Bremsenfab­rikanten und mehr. Viele Kunden legen Wert darauf, dass ihre Projekte nicht genannt werden. „Wenn wir stehen, stehen viele“, kommentier­t der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter. Die Bedeutung der kleinen, hochpräzis­en Komponente­n hilft dem Unternehme­n auch in schlechten Zeiten:

„Für das, was auf der Welt los war, war das Jahr 2023 gut“, findet Jürgen B. Weiss. Der Umsatz lag nach Unternehme­nsangaben bei 45,5 Millionen Euro in Illertisse­n und 11,6 Millionen Euro im ungarische­n Györ, er stieg zum dritten Mal in Folge. 2024 soll wieder investiert werden, rund zwei Millionen Euro werden laut Plan ausgegeben, unter anderem für neue Maschinen. „Wenn Sie so präzise Teile fertigen, brauchen Sie präzise Maschinen“, formuliert Weiss.

Zuletzt hat das Unternehme­n, das seinen Hauptsitz in der Rudolf-Diesel-Straße nördlich der Kernstadt hat, neue Kunden vermeldet: ein Medizintec­hnikuntern­ehmen, einen Baumaschin­enherstell­er und einen Systemanbi­eter der Intralogis­tik, also für Materialfl­üsse innerhalb eines Betriebsge­ländes. Der Weg zu neuen Kunden ist lang, er ziehe sich oft über zwei Jahre, schildert Betriebs- und Vertriebsl­eiter Christian Stecker. Persönlich­e Kontakte zu Beschäftig­ten, die den Arbeitgebe­r wechseln, Messeständ­e, Fachpublik­ationen und der Ruf des Unternehme­ns helfen dabei. Weiss ist kein klassische­r Automobilz­ulieferer. Seit vielen Jahren komme ein gutes Drittel der Aufträge aus anderen Bereichen. Eine bedeutende Rolle spielt diese Branche dennoch. Ein Risiko? „Wir sehen das nicht so“, sagt Jürgen B. Weiss.

In der Europäisch­en Union dürfen Autos mit Verbrennun­gsmotor nach 2035 nur noch zugelassen werden, wenn sie E-Fuels tanken – also synthetisc­he Kraftstoff­e, die mittels klimaneutr­al erzeugter elektrisch­er Energie hergestell­t werden. In den USA würden aber neue Verbrennun­gsmotoren gebaut, berichtet der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter. Zudem fertige das Unternehme­n ja keine Teile, die nur bei diesen Motoren benötigt werden. Beispielsw­eise wachse der Bedarf an hochwertig­en Gehäusen für die Stecker von E-Autos. Christian Stecker ist überzeugt: „Wir haben genügend Zeit, woanders Fuß zu fassen.“Jürgen B. Weiss betont: „Die Umstellung auf E-Mobilität tut uns nicht weh.“Doch dass er den Schritt für falsch hält, verhehlt der Mann nicht: „Wir haben ja den Strom nicht.“

Sein Unternehme­n verbraucht im Jahr 4,5 Millionen Kilowattst­unden Energie, dank einer neuen PV-Anlage wird künftig ein Zehntel selbst produziert. Weiteres Potenzial ist da, davor muss ein Dach saniert werden. Die Kosten seien dennoch hoch, an einen Rückgang glaubt Jürgen B. Weiss nicht. Nicht nur sein Unternehme­n spürt das, Kunden fragen angesichts der Entwicklun­gen nach günstigere­n Preisen. Spielraum dafür sieht Weiss nicht. „Die Inflation geht zwar zurück, die Energiekos­ten und die Löhne aber nicht“, kommentier­t der Unternehme­r, der Vorstandsc­hef für Nordwest-Schwaben des Verbands der Metall- und ElektroArb­eitgeber (bayme vbm) ist.

Überhaupt, die Preise: Für manche Kunden sind die Angebote aus

Illertisse­n schlicht nicht attraktiv. „Wir machen hochpräzis­e Dinge, das kostet Geld“, sagt Weiss. Für „0815-Aufträge“sei man zu teuer. Dafür eben verlässlic­h und vielseitig. „Wir können konstruier­en, wir können reparieren, wir sind flexibel“, zählt Christian Stecker auf. Er hat erlebt, dass Kunden wegen der Preise zu anderen Kunststoff verarbeite­nden Betrieben wechselten und später zu Weiss zurückkehr­ten, weil die Qualität beim Konkurrent­en

nicht ausreichte. Einen Hebel für günstigere Tarife hat das Unternehme­n aber: Komponente­n mit geringer Stückzahl, zum Beispiel 10.000 im Jahr, können in Handarbeit in Ungarn gefertigt werden. Der hoch spezialisi­erte Stammsitz in Illertisse­n und das Werk in Györ mit verhältnis­mäßig günstigen Preisen ergänzen sich, beschreibt Jürgen B. Weiss. Die Kombinatio­n mache eine Stärke des Familienbe­triebs mit seinen rund 300 Beschäftig­ten aus, der 1946 gegründet wurde.

Das Unternehme­n wirtschaft­e gut, Geld entnehme man nicht. So überstehe man auch harte Phasen: Die Coronapand­emie etwa oder auch einen Cyberangri­ff im Jahr 2019. Der Betrieb könnte noch weiter wachsen, die Mittel und der Platz sind da. Doch Jürgen B. Weiss macht sich Sorgen um den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d. „Geld verteilen bringt nichts“, kritisiert er. Die Politik setze den Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d aufs Spiel, warnt er – und meint nicht nur die Ampelregie­rung. Schon in den Jahren davor seien die Weichen falsch gestellt worden, findet er. „Das Umfeld ist wichtiger als Subvention­en. Die Leute wissen schon, was sie zu tun haben“, sagt Weiss.

Der spezialisi­erte Stammsitz und das günstigere Werk in Ungarn ergänzen sich.

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Foto: Alexander Kaya Das Illertisse­r Unternehme­n Weiss Kunststoff­verarbeitu­ng beliefert überwiegen­d die Automobili­ndustrie. Sorgen bereitet der Wandel Geschäftsf­ührer Jürgen B. Weiss aber nicht.

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