Illertisser Zeitung

Pure Freude

Beim 6:0 in Darmstadt gelingt dem FC Augsburg Historisch­es: Noch nie erzielte der Klub auswärts so viele Treffer. Die Verantwort­lichen brechen dennoch nicht in Euphorie aus.

- Von Johannes Graf

Als Kevin Mbabu und Ermedin Demirovic Richtung Mannschaft­sbus steuerten, zogen sie eine Musikbox hinter sich her. Die Spieler des FC Augsburg sangen, den Sound hatten sie aufgedreht, es dröhnte durch die Mixedzone des Darmstädte­r Stadions. Die beiden waren in Partystimm­ung. Alles andere hätte auch überrascht. Nach diesem Spiel. Nach dieser ersten Hälfte. Nach dem höchsten Auswärtssi­eg in der Erstligage­schichte des Klubs. In wahnwitzig­en 28 Minuten hatten die Augsburger fünf Treffer erzielt, am Ende dokumentie­rten eine Sechs und eine Null auf der elektronis­chen Anzeigetaf­el Historisch­es.

In welches Gesicht man auch blickte, das Lächeln wollte nicht verschwind­en. Selbst Thorup, der von sich sagt, er sei eigentlich nie zufrieden, hörte nicht auf zu lächeln. Ausgiebig lobte der 54-Jährige seine Mannschaft. „Sie haben überragend gespielt, haben den Gegner unter Druck gesetzt, haben schöne Tore gemacht“, so Thorup, der aus dem Schulterkl­opfen gar nicht mehr herauskam.

Den Rekord von Ermedin Demirovic zählte er auf, der nun als einziger FCA-Spieler in der Bundesliga innerhalb einer Saison 14 Treffer erzielt hat; das erste Zu-NullSpiel

hob er hervor; nicht zuletzt erzählte er davon, dass es erstmals nach vier Jahren gelungen war, zweimal innerhalb einer Spielzeit zweimal hintereina­nder zu gewinnen. Thorup fasste zusammen: „Es gibt so viele positive Dinge, die wir mitnehmen können.“

Thorup hatte nach Freiburg und vor Darmstadt mit seinen Spielern sinniert, nach was sie denn jetzt strebten. Ob sie sich, wie in den vergangene­n Jahren üblich, damit zufriedeng­eben würden, irgendwie den Klassenerh­alt zu schaffen. Oder ob sie nicht doch Lust auf mehr hätten. Auf mehr Spaß am Spiel. Auf mehr Tore. Auf mehr Siege. In Summe auf mehr Erfolg und damit eine bessere Tabellenpl­atzierung. „Ich habe gesagt: Wenn, dann ist es heute, dass wir etwas verändern müssen“, berichtete Thorup. „Und das haben wir von der ersten Minute an auf dem Platz gezeigt.“

Schon zu Beginn hätte die Partie keinen besseren Verlauf aus Augsburger Sicht nehmen können. Während die Darmstädte­r unter dem Druck, als Tabellenle­tzter gegen Augsburg die Wende schaffen zu müssen, grausige Fehler produziert­en, berauschte­n sich die Gäste an ihren Offensivak­tionen. Beim frühen 1:0 verwertete Phillip Tietz einen völlig missratene­n Querpass, beim 3:0 Ermedin Demirovic einen nicht minder missratene­n Rückpass.

Die weiteren Treffer von Fredrik Jensen, Ruben Vargas und abermals Demirovic entsprange­n einer Kombinatio­n aus spielerisc­her Überlegenh­eit und einem heillos überforder­ten Gegner.

In der jüngeren Vergangenh­eit hatten die Augsburger solche Gelegenhei­ten verstreich­en lassen, diesmal zeigten sie sich fest entschloss­en, ein Zeichen zu setzen. Thorups Spieler hatten sein „Mindset“, seine offensive Denkweise, von der er so gerne referiert, verinnerli­cht.

Seine persönlich­e Hinrunde hat Thorup jetzt abgeschlos­sen (Punkteschn­itt: 1,41 pro Spiel), gegen jeden Gegner der Bundesliga hat er einmal gespielt. Darauf eingehen wollte der Däne nicht, stattdesse­n lenkte er den Blick auf das, was noch kommt. „Wir wollten den nächsten Sieg, um in der Tabelle mal nach oben zu schauen.“Man habe noch nichts gewonnen, sei aber „auf einem guten Weg“.

Weil Heidenheim zu Hause gegen Frankfurt unterlag, überholte der FCA in der Tabelle den Aufsteiger und rückte auf Platz zehn vor und hielt Anschluss zu Platz sieben. FCA-Sportdirek­tor Marinko Jurendic, der selbstrede­nd an diesem Nachmittag ebenso viel lächelte, nicht aber im Verdacht steht, allzu überschwän­glich auf Erfolge zu reagieren, bemühte sich sogleich um eine passende Einordnung.

Den „Härtetest“und den Sieg gegen Freiburg hätten sie nicht nur bestätigt, sie hätten diese „vergoldet“. „Das war der nächstgröß­ere Schritt“, sagte Jurendic. Ehe er nachschob: „Trotzdem gibt es nur drei Punkte.“

Eine erste wegweisend­e Begegnung haben die Augsburger für sich entschiede­n, weitere folgen. Nach dem Heimspiel gegen Heidenheim (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) stehen Partien gegen Wolfsburg und Köln an. Letzte Zweifel am Ligaverble­ib ließen sich dabei zerstreuen, ohne Last auf den Schultern scheint vieles möglich. „Uns gibt die gefestigte Mittelfeld­platzierun­g ein gutes Gefühl, den nächsten Schritt angehen zu können“, meinte Jurendic.

Sollten Siege folgen, hätten Demirovic und Mbabu bestimmt den passenden Sound.

Darmstadt Schuhen – J. Müller (27. Zimmermann), Franjic, Maglica, Karic – Gjasula (27. Holtmann), Holland (41. A. Müller)- Sharke, Justvan – Polter (74. Torsiello), Pfeiffer (74. Vilhelmsso­n) Augsburg Dahmen – Mbabu, Gouweleeuw (74. Bauer), Uduokhai, Iago – Jakic (60. Dorsch) – Jensen (46. Engels), Maier (60. Pep Biel) – Vargas – Demirovic (71. Beljo), Tietz

Tore 0:1 Tietz (2.), 0:2 Jensen (12.), 0:3 Demirovic (20.), 0:4 Vargas (25.), 0:5 Demirovic (29.), 0:6 Tietz (84.) SR Zwayer (Berlin) Zuschauer 17.810 (ausverk.)

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Foto: Harald Bremes, Jan Huebner Kevin Mbabu (links) zeigt es an: fünf Treffer erzielte der FCA innerhalb einer knappen halben Stunde in Darmstadt, zwei davon erzielte Kapitän Ermedin Demirovic (vorne).

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