Weit mehr als Süßes oder Saures
Märkte wie der Genussmarkt in Senden sind ein wichtiger Vertriebsweg für die kleinen, regionalen Produzenten. Doch jeder von ihnen hat seine eigene Vermarktungsstrategie.
Die einen nähen wie wild, die anderen setzen auf die Kraft einer winzigen Beere. Es gibt die Experten für Süßes oder Saures und die für Hochprozentiges, fürs Saften oder fürs Kochen. Rund 40 solcher – meist kleiner – Produzenten bestückten am Sonntag den Genussmarkt im und um das Sendener Bürgerhaus. Der Landkreis Neu-Ulm möchte mit dem Markt zeigen, wie vielfältig das regionale Angebot ist – und die Anbieter unterstützen. Regionalität schreiben sie alle auf ihre Fahnen. Diese steht für Wirtschaftskreisläufe innerhalb der Region, für kurze Wege, für einen geringeren CO2-Fußabdruck. Was die Vermarktung ihrer Produkte betrifft, gehen sie jedoch ganz unterschiedliche Wege. Und warum sind sie überhaupt Produzenten geworden?
Bei Beate Herget ist der Fall klar: „Weil’s mein Hobby ist.“Früher im Beruf war sie Textilverkäuferin, heute ist sie Schneiderin aus Passion, Spezialgebiet Taschen. Damit tingelt die Vöhringerin zusammen mit ihrem Mann Reiner auf Kunsthandwerkermärkte in der weiten Region, ihr einziger Vertriebsweg, wie sie sagt. Gleich zwei Gründe nennt sie, warum sie keine Vermarktung übers Internet betreibt. „Zum einen bräuchte man dazu einen Anwalt, wegen der rechtlichen Geschichten, zum andern passt das mit meinen Produkten nicht.“Die allermeisten seien Unikate, und das Angebot am Stand sei zugleich ihr Lager. Ginge eine Bestellung ein, während sie das Stück gerade „live“verkauft hat, hätte sie Problem.
Familie Ritter, die in Emershofen biologische Landwirtschaft betreibt, ist seit einem Jahr im Netz aktiv. Noch seien die Bestellungen überschaubar, sagt Benedikt Ritter, einer der drei Söhne, die ihre Eltern unterstützen. Mit der Umstellung begann die Familie, selbst in die Produktion einzusteigen. Nudeln, Senf, Öle und küchenfertige Cerealienmischungen sind im Angebot ihrer Manufaktur, auch einen eigenen Hofladen gibt es. Einer der Gründe dafür: „Frustration mit dem Handel“, erklärt Ritter, der hauptberuflich Pflanzenbauberater ist. Wünsche? Ritter junior führt bezeichnenderweise keine pekuniären an, sondern er wünscht engere Kontakte zu Konsumenten:
„Um so mehr Verständnis für die Landwirtschaft zu wecken.“
„Faire Preise“– auch für Cornelia und Michael Kölbl ist das ein Beweggrund, neue Wege zu gehen. Sie führen einen von Bioland zertifizierten Ackerbau-Betrieb in Pfaffenhofen und sind vor drei Jahren in die Produkt-Verarbeitung und -veredelung eingestiegen. Dazu haben sie sich die Aronia-Beere ausgesucht. „Weil es Spaß macht, gleichzeitig eine Herausforderung darstellt“, erklärt der Agrarier und fährt fort: „Und weil die Nische zwar klein ist, wir aber damit in der Region ein Alleinstellungsmerkmal haben.“Säfte und Marmelade stellen sie aus den vitaminreichen Beeren her, die sich auch als Trockenfrucht für Müsli-Mischungen eigenen würde. Könne ja noch kommen, meint Michael Kölbl, der bereits an der Produkterweiterung tüftelt: „Tofu aus unserem Soja.“Als Unternehmer seien sie schließlich dazu verpflichtet, auch tatsächlich etwas zu unternehmen, meint er noch.
So dachte sich das auch Katja Ölberger, die vor 16 Jahren die kleine Nebenerwerbslandwirtschaft in Senden um ihre „Kartoffelboutique“
erweiterte; zur Vermarktung eigener Erzeugnisse und solchen von anderen regionalen Produzenten. Am Gründonnerstag hat sie letztmals geöffnet, Ölberger setzt künftig auf einen Lagerverkauf sechsmal im Jahr und die Zulieferung von ausgesuchten Partnern. Warum sie schließt? „Weil ich immer mehr Zeit mit Büroarbeiten verbringen musste.“Die überbordende Bürokratie sei aber nicht der alleinige Grund. Zu schaffen mache auch das veränderte Verbraucherverhalten. Die Leute kochten immer weniger, aus Zeitmangel, den sie ebenfalls dafür verantwortlich macht, dass „die Leute im Supermarkt gleich alles kaufen“.
Das „Chateau Steinle“, die GinDestille aus Reutti, ist in einigen regionalen Supermärkten vertreten. Obwohl sie sich als die kleinste ihrer Art weltweit wähnt, legt sie Wert auf Präsenz im Handel. Und obwohl dieser Handel wegen seiner rigiden Praktiken beim Preisdrücken gerade im Zug der Bauernproteste wieder stark in der Kritik steht. „Der Sichtbarkeit wegen“, lautet die Erklärung von Florian König, dem Schwager und Helfer des Meisters. Das Internet sei ein weiterer Vertriebsweg, auf den man setze, „das funktioniert richtig gut“. Da man derzeit nicht daran denke, die Produktion auszuweiten, sei man mit dem augenblicklichen Stand zufrieden.
Und womit könnte man Heike Dreier und ihrem Mann Christian unter die Arme greifen? Nun, man könnte ein gutes Wort bei Mutter Natur für sie einlegen. Sie sind Betreiber einer mobilen Saftpresse mit Stützpunkt Unterroth und einer Reichweite bis Babenhausen, Dietenheim und Gerlenhofen. Das kleine Gewerbe ist extrem wetterabhängig. „In guten Jahren sind wir 20 Tage im Einsatz, letztes Jahr waren es gerade mal drei halbe Tage“, zählt sie auf. „Der Hagel war schuld.“Beim Genussmarkt hatten Dreiers – natürlich – Apfelsaft im Angebot, ein weiteres Standbein ihres Nebengewerbes. In den Handel wollen sie damit nicht, „der schlägt zu viel drauf“, meint Heike Dreier. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein; „dass regionale Produkte günstiger sind“.
Trotz des großen Interesses an der zweiten Auflage des Genussmarkts ist eine dritte ungewiss. Der Zuschuss des Landkreises steht dem Vernehmen nach auf der Streichliste.