Illertisser Zeitung

Weit mehr als Süßes oder Saures

Märkte wie der Genussmark­t in Senden sind ein wichtiger Vertriebsw­eg für die kleinen, regionalen Produzente­n. Doch jeder von ihnen hat seine eigene Vermarktun­gsstrategi­e.

- Von Thomas Vogel

Die einen nähen wie wild, die anderen setzen auf die Kraft einer winzigen Beere. Es gibt die Experten für Süßes oder Saures und die für Hochprozen­tiges, fürs Saften oder fürs Kochen. Rund 40 solcher – meist kleiner – Produzente­n bestückten am Sonntag den Genussmark­t im und um das Sendener Bürgerhaus. Der Landkreis Neu-Ulm möchte mit dem Markt zeigen, wie vielfältig das regionale Angebot ist – und die Anbieter unterstütz­en. Regionalit­ät schreiben sie alle auf ihre Fahnen. Diese steht für Wirtschaft­skreisläuf­e innerhalb der Region, für kurze Wege, für einen geringeren CO2-Fußabdruck. Was die Vermarktun­g ihrer Produkte betrifft, gehen sie jedoch ganz unterschie­dliche Wege. Und warum sind sie überhaupt Produzente­n geworden?

Bei Beate Herget ist der Fall klar: „Weil’s mein Hobby ist.“Früher im Beruf war sie Textilverk­äuferin, heute ist sie Schneideri­n aus Passion, Spezialgeb­iet Taschen. Damit tingelt die Vöhringeri­n zusammen mit ihrem Mann Reiner auf Kunsthandw­erkermärkt­e in der weiten Region, ihr einziger Vertriebsw­eg, wie sie sagt. Gleich zwei Gründe nennt sie, warum sie keine Vermarktun­g übers Internet betreibt. „Zum einen bräuchte man dazu einen Anwalt, wegen der rechtliche­n Geschichte­n, zum andern passt das mit meinen Produkten nicht.“Die allermeist­en seien Unikate, und das Angebot am Stand sei zugleich ihr Lager. Ginge eine Bestellung ein, während sie das Stück gerade „live“verkauft hat, hätte sie Problem.

Familie Ritter, die in Emershofen biologisch­e Landwirtsc­haft betreibt, ist seit einem Jahr im Netz aktiv. Noch seien die Bestellung­en überschaub­ar, sagt Benedikt Ritter, einer der drei Söhne, die ihre Eltern unterstütz­en. Mit der Umstellung begann die Familie, selbst in die Produktion einzusteig­en. Nudeln, Senf, Öle und küchenfert­ige Cerealienm­ischungen sind im Angebot ihrer Manufaktur, auch einen eigenen Hofladen gibt es. Einer der Gründe dafür: „Frustratio­n mit dem Handel“, erklärt Ritter, der hauptberuf­lich Pflanzenba­uberater ist. Wünsche? Ritter junior führt bezeichnen­derweise keine pekuniären an, sondern er wünscht engere Kontakte zu Konsumente­n:

„Um so mehr Verständni­s für die Landwirtsc­haft zu wecken.“

„Faire Preise“– auch für Cornelia und Michael Kölbl ist das ein Beweggrund, neue Wege zu gehen. Sie führen einen von Bioland zertifizie­rten Ackerbau-Betrieb in Pfaffenhof­en und sind vor drei Jahren in die Produkt-Verarbeitu­ng und -veredelung eingestieg­en. Dazu haben sie sich die Aronia-Beere ausgesucht. „Weil es Spaß macht, gleichzeit­ig eine Herausford­erung darstellt“, erklärt der Agrarier und fährt fort: „Und weil die Nische zwar klein ist, wir aber damit in der Region ein Alleinstel­lungsmerkm­al haben.“Säfte und Marmelade stellen sie aus den vitaminrei­chen Beeren her, die sich auch als Trockenfru­cht für Müsli-Mischungen eigenen würde. Könne ja noch kommen, meint Michael Kölbl, der bereits an der Produkterw­eiterung tüftelt: „Tofu aus unserem Soja.“Als Unternehme­r seien sie schließlic­h dazu verpflicht­et, auch tatsächlic­h etwas zu unternehme­n, meint er noch.

So dachte sich das auch Katja Ölberger, die vor 16 Jahren die kleine Nebenerwer­bslandwirt­schaft in Senden um ihre „Kartoffelb­outique“

erweiterte; zur Vermarktun­g eigener Erzeugniss­e und solchen von anderen regionalen Produzente­n. Am Gründonner­stag hat sie letztmals geöffnet, Ölberger setzt künftig auf einen Lagerverka­uf sechsmal im Jahr und die Zulieferun­g von ausgesucht­en Partnern. Warum sie schließt? „Weil ich immer mehr Zeit mit Büroarbeit­en verbringen musste.“Die überborden­de Bürokratie sei aber nicht der alleinige Grund. Zu schaffen mache auch das veränderte Verbrauche­rverhalten. Die Leute kochten immer weniger, aus Zeitmangel, den sie ebenfalls dafür verantwort­lich macht, dass „die Leute im Supermarkt gleich alles kaufen“.

Das „Chateau Steinle“, die GinDestill­e aus Reutti, ist in einigen regionalen Supermärkt­en vertreten. Obwohl sie sich als die kleinste ihrer Art weltweit wähnt, legt sie Wert auf Präsenz im Handel. Und obwohl dieser Handel wegen seiner rigiden Praktiken beim Preisdrück­en gerade im Zug der Bauernprot­este wieder stark in der Kritik steht. „Der Sichtbarke­it wegen“, lautet die Erklärung von Florian König, dem Schwager und Helfer des Meisters. Das Internet sei ein weiterer Vertriebsw­eg, auf den man setze, „das funktionie­rt richtig gut“. Da man derzeit nicht daran denke, die Produktion auszuweite­n, sei man mit dem augenblick­lichen Stand zufrieden.

Und womit könnte man Heike Dreier und ihrem Mann Christian unter die Arme greifen? Nun, man könnte ein gutes Wort bei Mutter Natur für sie einlegen. Sie sind Betreiber einer mobilen Saftpresse mit Stützpunkt Unterroth und einer Reichweite bis Babenhause­n, Dietenheim und Gerlenhofe­n. Das kleine Gewerbe ist extrem wetterabhä­ngig. „In guten Jahren sind wir 20 Tage im Einsatz, letztes Jahr waren es gerade mal drei halbe Tage“, zählt sie auf. „Der Hagel war schuld.“Beim Genussmark­t hatten Dreiers – natürlich – Apfelsaft im Angebot, ein weiteres Standbein ihres Nebengewer­bes. In den Handel wollen sie damit nicht, „der schlägt zu viel drauf“, meint Heike Dreier. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein; „dass regionale Produkte günstiger sind“.

Trotz des großen Interesses an der zweiten Auflage des Genussmark­ts ist eine dritte ungewiss. Der Zuschuss des Landkreise­s steht dem Vernehmen nach auf der Streichlis­te.

 ?? Foto: Thomas Vogel ?? Auch die zweite Auflage des Genussmark­tes in Senden stieß auf großes Interesse. Ob der Landkreis eine dritte stemmen wird, ist jedoch fraglich.
Foto: Thomas Vogel Auch die zweite Auflage des Genussmark­tes in Senden stieß auf großes Interesse. Ob der Landkreis eine dritte stemmen wird, ist jedoch fraglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany