Illertisser Zeitung

Ihr Ziel ist der Weltraum

- Von Michael Kerler

Die Rocket Factory aus Augsburg will dieses Jahr ihre erste Trägerrake­te zünden, um Satelliten ins All zu transporti­eren. Hinter dem Projekt steht ein internatio­nales Team. Das hilft sehr, denn die Ambitionen sind groß.

Jetzt steigt auch für Nick Arbuckle, 29, die Spannung. Nur noch einige Wochen sind Zeit, Teile der dritten, obersten Raketenstu­fe harten Tests zu unterziehe­n. Triebwerks­teile, Ventile, Tanks werden starkem Druck oder hohen Temperatur­en von mehreren Hundert Grad ausgesetzt. „Wir belasten die Komponente­n, bevor sie ins All fliegen, damit am Ende jedes Teil zuverlässi­g seine Arbeit versieht“, sagt der Test-Ingenieur. Die Rocket Factory Augsburg (RFA) arbeitet derzeit auf den Start ihrer ersten Rakete, der RFA ONE, hin. Und dieser Start-Tag rückt näher. Wer aber sind die Menschen, die die Rakete aus Augsburg bauen?

Die Rocket Factory ist 2018 von den Ingenieure­n Jörn Spurmann und Stefan Brieschenk gegründet worden. Das Ziel ist es, zivile Kleinraket­en zu entwickeln und zu bauen, die Satelliten in den Weltraum transporti­eren. Da der Bedarf an Satelliten für die Telekommun­ikation und die Erdbeobach­tung steigt, gilt dies als großes Zukunftsge­schäft. Wenn alles funktionie­rt, soll im August die RFA ONE in Schottland abheben. Das gemietete Startgelän­de auf dem SaxaVord Spaceport liegt direkt an der Küste der nördlichst­en Shetland-Insel, wenige Meter weiter fallen die Felsen zum Meer ab. Je nachdem, wie die verbleiben­den Tests laufen, ist auch ein Start wenige Wochen später möglich. Zu wichtig ist das Projekt, an dem ein internatio­nales Team aus rund 45 Nationen in den letzten Jahren gearbeitet hat.

Die Idee der Rocket Factory ist es, Raketen möglichst kostengüns­tiger herzustell­en. Verwendet werden Teile aus der Autoindust­rie, aber auch Komponente­n, die das Start-up per 3-D-Druck aus Metall selbst herstellt. Umso wichtiger sind Tests, ob die Teile die hohen Belastunge­n eines Weltraumfl­uges auch aushalten. Nick Arbuckle und seine Kollegen verfügen auf dem Gelände des früheren Osram-Lampenwerk­s über einen kleinen Maschinenp­ark, um die Teile mehreren Hundert Grad hohen Temperatur­en, hohen Drücken und mechanisch­en Belastunge­n aussetzen zu können. Später werden die Raketenstu­fen als Ganzes getestet: In Schweden ist ein Teststand entstanden, den unlängst Ministerpr­äsident Markus Söder besucht hatte. Ein Gelände ist umgeben von Wald, Container voll Sand schützen die Umgebung. Eine halbe Million PS muss schließlic­h gebändigt werden.

Die Rakete wird am Ende imposant sein, 30 Meter hoch, rund zwei Meter im Durchmesse­r. Die erste, größte und stärkste Stufe muss die Schwerkraf­t auf der Erde überwinden. Die beiden oberen Stufen katapultie­ren die Nutzlast endgültig ins All. Die dritte Stufe steht dabei noch unverkleid­et bei der Rocket Factory in Augsburg. Für sie stehen noch entscheide­nde Tests an.

Nick Arbuckle arbeitet seit 2022 bei der Rocket Factory. Bis aus Neuseeland hat ihn das Projekt nach Deutschlan­d gebracht. Der 29-Jährige hatte in seiner Heimat erst Maschinenb­au studiert und dann für mehrere Unternehme­n gearbeitet, ein Praktikum bei einem Hersteller von Kühlschrän­ken war genauso darunter wie eine Arbeit bei Rocket Lab, einem neuseeländ­ischen Raketen-Unternehme­n. Was bewegt einen dazu, um die halbe Welt nach Deutschlan­d zu ziehen? „Die Deutschen lieben Neuseeland, es ist sehr schön dort“, weiß auch Arbuckle. „Wenn man aber in Neuseeland aufwächst, ist es auch ein sehr kleines Land.“Neuseeland hat rund fünf Millionen Einwohner, weniger als Bayern. Hier in Augsburg schätzt er den Christkind­lmarkt und den Plärrer. „Dies gibt es in Neuseeland nicht.“Die Arbeit an Raketen weckt in ihm Begeisteru­ng: „Ich habe mich immer schon für Sterne und andere Planeten interessie­rt, als Kind fand ich es spannend, die Bilder der früheren Apollo-Missionen zum Mond zu sehen.“In seiner Jugend schaute er die zweite StarWars-Trilogie.

Es ist eine neue Begeisteru­ng für den Weltraum entbrannt. In den USA testet Elon Musks Unternehme­n SpaceX die größte Rakete aller Zeiten, die USA möchten den Mond anfliegen und danach den Mars. Hier in Augsburg sitzen Dutzende Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r an Bildschirm­en, auf denen sich 3D-Modelle von Raketentei­len drehen oder Berechnung­en laufen. Arbeitsspr­ache ist Englisch. 310 Beschäftig­te zählt die Rocket

Factory inzwischen, rund 260 davon in Augsburg, der Rest in Portugal, Schweden und am Startplatz in Schottland. „Wir können auf einen globalen Talentpool zurückgrei­fen und die Besten anstellen“, sagt RFA-Sprecher Jonas Kellner. „Immer häufiger brauchen wir aber nicht nur Entwickler und Programmie­rer, sondern Schweißer, Zerspaner, Industriem­echaniker“, erklärt er. Schließlic­h geht es nach der Entwicklun­g nun um den Bau der Raketen.

Während in Schottland der erste Start näherrückt, denkt die RFA bereits über eine neue Raketengen­eration nach. Elsie Kiema, 29, gehört zu dem Team, das sich mit der Forschung und Vorentwick­lung beschäftig­t. „Wir arbeiten an den zukünftige­n Raketen“, sagt sie. Zu ihrer Arbeit gehören Machbarkei­tsstudien oder Förderantr­äge für die Raumfahrta­gentur ESA. Elsie Kiema stammt aus der kenianisch­en Hauptstadt Nairobi, hat Luft- und Raumfahrti­ngenieurwe­sen in der Türkei studiert und ein Master-Studium an der TU München angeschlos­sen. Ihr Interesse galt zunächst stets der Luftfahrt, dann wurde sie auf die Augsburger Raketenbau­er aufmerksam und fing im April 2023 hier an zu arbeiten. „Die Coronakris­e war für mich ein Auslöser, etwas Neues anzufangen“, sagt sie.

Ihr gefällt, dass von den RFARaketen transporti­erte Satelliten künftig bei der Erdbeobach­tung zum Einsatz kommen könnten. Damit könnten sie helfen, die Entwicklun­g auf der Erdoberflä­che und den Klimawande­l besser zu verstehen. „Ich hoffe, dass die Erkenntnis­se dazu beitragen, wie man einige Dinge in Zukunft anders, besser machen kann“, sagt sie.

Bei der Rocket Factory ist man glücklich, ein internatio­nales, gemischtes Team zu haben. „Jede Universitä­t legt einen anderen Fokus“, sagt Kellner. „Jeder hat andere Erfahrunge­n, denkt in anderen Perspektiv­en. Das hilft, wenn man so etwas Ambitionie­rtes bauen will wie eine Trägerrake­te.“

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Fotos: Rocket Factory; Ulrich Wagner Nick Arbuckle und Elsie Kiema sind zwei von 310 Mitarbeite­rn bei der Rocket Factory.
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Stefan Brieschenk und Jörn Spurmann, die Gründer des Start-ups.
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Dreistufig ins All: So stellt sich die Rocket Factory den Erstflug vor.

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