Ihr Ziel ist der Weltraum
Die Rocket Factory aus Augsburg will dieses Jahr ihre erste Trägerrakete zünden, um Satelliten ins All zu transportieren. Hinter dem Projekt steht ein internationales Team. Das hilft sehr, denn die Ambitionen sind groß.
Jetzt steigt auch für Nick Arbuckle, 29, die Spannung. Nur noch einige Wochen sind Zeit, Teile der dritten, obersten Raketenstufe harten Tests zu unterziehen. Triebwerksteile, Ventile, Tanks werden starkem Druck oder hohen Temperaturen von mehreren Hundert Grad ausgesetzt. „Wir belasten die Komponenten, bevor sie ins All fliegen, damit am Ende jedes Teil zuverlässig seine Arbeit versieht“, sagt der Test-Ingenieur. Die Rocket Factory Augsburg (RFA) arbeitet derzeit auf den Start ihrer ersten Rakete, der RFA ONE, hin. Und dieser Start-Tag rückt näher. Wer aber sind die Menschen, die die Rakete aus Augsburg bauen?
Die Rocket Factory ist 2018 von den Ingenieuren Jörn Spurmann und Stefan Brieschenk gegründet worden. Das Ziel ist es, zivile Kleinraketen zu entwickeln und zu bauen, die Satelliten in den Weltraum transportieren. Da der Bedarf an Satelliten für die Telekommunikation und die Erdbeobachtung steigt, gilt dies als großes Zukunftsgeschäft. Wenn alles funktioniert, soll im August die RFA ONE in Schottland abheben. Das gemietete Startgelände auf dem SaxaVord Spaceport liegt direkt an der Küste der nördlichsten Shetland-Insel, wenige Meter weiter fallen die Felsen zum Meer ab. Je nachdem, wie die verbleibenden Tests laufen, ist auch ein Start wenige Wochen später möglich. Zu wichtig ist das Projekt, an dem ein internationales Team aus rund 45 Nationen in den letzten Jahren gearbeitet hat.
Die Idee der Rocket Factory ist es, Raketen möglichst kostengünstiger herzustellen. Verwendet werden Teile aus der Autoindustrie, aber auch Komponenten, die das Start-up per 3-D-Druck aus Metall selbst herstellt. Umso wichtiger sind Tests, ob die Teile die hohen Belastungen eines Weltraumfluges auch aushalten. Nick Arbuckle und seine Kollegen verfügen auf dem Gelände des früheren Osram-Lampenwerks über einen kleinen Maschinenpark, um die Teile mehreren Hundert Grad hohen Temperaturen, hohen Drücken und mechanischen Belastungen aussetzen zu können. Später werden die Raketenstufen als Ganzes getestet: In Schweden ist ein Teststand entstanden, den unlängst Ministerpräsident Markus Söder besucht hatte. Ein Gelände ist umgeben von Wald, Container voll Sand schützen die Umgebung. Eine halbe Million PS muss schließlich gebändigt werden.
Die Rakete wird am Ende imposant sein, 30 Meter hoch, rund zwei Meter im Durchmesser. Die erste, größte und stärkste Stufe muss die Schwerkraft auf der Erde überwinden. Die beiden oberen Stufen katapultieren die Nutzlast endgültig ins All. Die dritte Stufe steht dabei noch unverkleidet bei der Rocket Factory in Augsburg. Für sie stehen noch entscheidende Tests an.
Nick Arbuckle arbeitet seit 2022 bei der Rocket Factory. Bis aus Neuseeland hat ihn das Projekt nach Deutschland gebracht. Der 29-Jährige hatte in seiner Heimat erst Maschinenbau studiert und dann für mehrere Unternehmen gearbeitet, ein Praktikum bei einem Hersteller von Kühlschränken war genauso darunter wie eine Arbeit bei Rocket Lab, einem neuseeländischen Raketen-Unternehmen. Was bewegt einen dazu, um die halbe Welt nach Deutschland zu ziehen? „Die Deutschen lieben Neuseeland, es ist sehr schön dort“, weiß auch Arbuckle. „Wenn man aber in Neuseeland aufwächst, ist es auch ein sehr kleines Land.“Neuseeland hat rund fünf Millionen Einwohner, weniger als Bayern. Hier in Augsburg schätzt er den Christkindlmarkt und den Plärrer. „Dies gibt es in Neuseeland nicht.“Die Arbeit an Raketen weckt in ihm Begeisterung: „Ich habe mich immer schon für Sterne und andere Planeten interessiert, als Kind fand ich es spannend, die Bilder der früheren Apollo-Missionen zum Mond zu sehen.“In seiner Jugend schaute er die zweite StarWars-Trilogie.
Es ist eine neue Begeisterung für den Weltraum entbrannt. In den USA testet Elon Musks Unternehmen SpaceX die größte Rakete aller Zeiten, die USA möchten den Mond anfliegen und danach den Mars. Hier in Augsburg sitzen Dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Bildschirmen, auf denen sich 3D-Modelle von Raketenteilen drehen oder Berechnungen laufen. Arbeitssprache ist Englisch. 310 Beschäftigte zählt die Rocket
Factory inzwischen, rund 260 davon in Augsburg, der Rest in Portugal, Schweden und am Startplatz in Schottland. „Wir können auf einen globalen Talentpool zurückgreifen und die Besten anstellen“, sagt RFA-Sprecher Jonas Kellner. „Immer häufiger brauchen wir aber nicht nur Entwickler und Programmierer, sondern Schweißer, Zerspaner, Industriemechaniker“, erklärt er. Schließlich geht es nach der Entwicklung nun um den Bau der Raketen.
Während in Schottland der erste Start näherrückt, denkt die RFA bereits über eine neue Raketengeneration nach. Elsie Kiema, 29, gehört zu dem Team, das sich mit der Forschung und Vorentwicklung beschäftigt. „Wir arbeiten an den zukünftigen Raketen“, sagt sie. Zu ihrer Arbeit gehören Machbarkeitsstudien oder Förderanträge für die Raumfahrtagentur ESA. Elsie Kiema stammt aus der kenianischen Hauptstadt Nairobi, hat Luft- und Raumfahrtingenieurwesen in der Türkei studiert und ein Master-Studium an der TU München angeschlossen. Ihr Interesse galt zunächst stets der Luftfahrt, dann wurde sie auf die Augsburger Raketenbauer aufmerksam und fing im April 2023 hier an zu arbeiten. „Die Coronakrise war für mich ein Auslöser, etwas Neues anzufangen“, sagt sie.
Ihr gefällt, dass von den RFARaketen transportierte Satelliten künftig bei der Erdbeobachtung zum Einsatz kommen könnten. Damit könnten sie helfen, die Entwicklung auf der Erdoberfläche und den Klimawandel besser zu verstehen. „Ich hoffe, dass die Erkenntnisse dazu beitragen, wie man einige Dinge in Zukunft anders, besser machen kann“, sagt sie.
Bei der Rocket Factory ist man glücklich, ein internationales, gemischtes Team zu haben. „Jede Universität legt einen anderen Fokus“, sagt Kellner. „Jeder hat andere Erfahrungen, denkt in anderen Perspektiven. Das hilft, wenn man so etwas Ambitioniertes bauen will wie eine Trägerrakete.“