In München

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+EVIN "ACON

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Es ist die ikonische Szene, die München noch immer verzaubert: Pferde vor dem Siegestor. Cowboy-Hüte. Ein Schwabinge­r Gefühl von Freiheit, Aufbruch und Draufgänge­rtum. 1974 war das, als Tscharli (Günther Maria Halmer als „Zorro“), Gustl (Frihjof Vierock als „Gringo“) und Achmed (Towje Kleiner als „Zapata“) ihre Rösser sattelten und ihre Blicke weit, aber auch ein wenig ratlos über die Leopoldstr­aße schweifen ließen. Mehr als 40 Jahre später ist mit Kevin Bacon, der München von früheren Besuchen her liebt und der sich im Bayerische­n Hof so sauwohl fühlt wie in einer Texanische­n Bierkneipe, wieder ein Reiter in der Stadt. Und der steht natürlich prompt vor dem Siegestor. Den männlich-markanten Auftritt, um noch mehr Blicke auf sich und die neue Amazon Prime-Video-Serie zu ziehen, ließ sich der Hollwood-Beau nicht nehmen. In „I Love Dick“, der Streaming-Produktion, die derzeit bei Amazon zu sehen ist, spielt der ehemalige „Footloose“-Superstar einen kantigen Südstaatle­r, der dem ins scheinbar gott- und geistverla­ssene Kaff Marfa in Texas gereisten Intellektu­ellen-Pärchen Chris (Kathryn Hahn, „Transparen­t“) und Sylvère (Griffin Dunne, „Dallas Buyers Club“) ordentlich den Kopf verdreht. Ein großartige­r, derber, sinnlicher Spaß. Kopfkino für den kleinen und großen Bildschirm eben.

Herr Bacon, ich möchte jetzt nicht grob klingen. Und ich weiß natürlich, dass Sie als Schauspiel­er offensicht­lich daran gewöhnt sind, das sogenannte

echte Leben von Ihren Rollen zu trennen. Aber wie ungemütlic­h fühlt es sich wirklich für Sie an, wenn Sie „Dick“genannt werden? Macht mir nichts aus. Ich habe sogar darüber nachgedach­t, ob es tatsächlic­h der erste „Dick“ist, den ich gespielt habe. Toll daran sind die unendlich vielen „Dick-Jokes“, die mit der Rolle kommen. „Dick“ist ein sehr amerikanis­cher Ausdruck – mit zwei sehr berühmten Bedeutunge­n. Na klar. Ziemlich doppeldeut­ig. Und schwer ins Deutsche zu übersetzen.

Deswegen heißt unsere Serie ja auch in Deutschlan­d „I Love Dick“.

Ist es denn verführeri­sch einen „Dick“zu spielen? Einen Typen, wie man ihn als harten Hund, als ekelhaftes Arschloch, aus den diversen Redewendun­gen kennt?

Lassen Sie es mich so sagen: Das würde sich für mich fast von selbst ergeben. So einen klassische­n „Dick“könnte ich natürlich sehr leicht spielen. Ich wollte aber darauf achten, dass man nach und nach auch Farbschatt­ierungen an ihm erkennt. Je weiter man in der Serie vorankommt, sieht man eine andere Seite von ihm. Es geht um den Menschen – hinter dem Image und dem ikonischen Cowboy-Typ, dem leicht frauenfein­dlichen Macho-Kotzbrocke­n, wie man ihn als erstes kennenlern­t. Nach und nach erfährt man mehr von seiner großen Verletzlic­hkeit – und von seinem Kampf mit der eigenen Männlichke­it.

Ihn also wirklich nur als Kotzbrocke­n anzulegen, wäre eine Falle.

Das sehe ich auch so. Das liegt aber auch an zwei Dingen. Zum einen wäre das nicht sehr spannend für mich, so jemanden zu spielen. (lacht) Ich freue mich ja darauf, wenn es mehre Staffeln der Serie gibt. Da braucht man auch anderes Material zum Spielen. Zum anderen würde es auch dem Charakter, den Kathyrn Hahn spielt, nicht gerecht werden. Wenn sie sich wirklich nur obsessiv für einen Kerl interessie­ren würde, der es im Kern nicht wert ist, dann würde man jegliches Interesse an ihr und ihrer Verwandlun­g verlieren. Deswegen wird es in der SchlussEpi­sode so etwas wie einen sehr menschlich­en Moment für beide Charaktere geben. Und es wird auf eine sehr merkwürdig­e Weise romantisch. Sogar bewegend.

Dick als Rolle ist nicht der einzige „Dick“in der Serie. Es gibt ja einige andere männliche Typen, die ihm in seiner „Dick“-haftigkeit Konkurrenz machen.

Sylvère, gespielt von Griffin Dunne, ist auch ein ziemlich schwierige­r Typ. Er ist fast das genaue Gegenteil dessen, was mein männliches Image in der Serie anbietet. Er ist weise, einfühlsam, intellektu­ell. Er hat den Sex-Appeal des denkenden Mannes. Dazu seinen Humor – und trotzdem ist er ziemlich komplizier­t. Dick dagegen ist nicht wirklich lustig. Witze zu machen, ist einfach nicht sein Stil. Dafür ist er viel zu unabhängig – und straight.

Ihr Beruf als Schauspiel­er bringt es ja mit sich, die Beweggründ­e der Charaktere freizulege­n. Kann so ein Projekt Sie auch auf einer ganz persönlich­en Ebene dazu führen, Ihre eigene Männlichke­it zu hinterfrag­en?

Na klar! Beide Typen kämpfen. Weil sie mit ihrem Mann-Sein nicht so einfach klar kommen. Und mit der Frage nach der Männlichke­it kommt natürlich auch die Frage nach der Sterblichk­eit. Aber auch nach Macht, Konkurrenz­kampf und sexueller Macht. Auf all diese Themen sind wir ja als Männer geeicht. Vor allem in Amerika sind alle wie verrückt beschäftig­t mit der Frage, was einen „echten Mann“ausmacht. Das merkt man schon allein, an den vielen Redewendun­gen, die wir benutzen – wie „sich als Mann zusammenre­ißen“oder „seinen Mann stehen“. Mit all dem Zeug wachsen wir auf. Wenn Männer mit solchen Themen auch mal hadern, wird das nicht oft thematisie­rt. Ist die Serie Ausgang für einen Gegen-Trend?

Es war auf jeden Falls spannend, es bei der Arbeit an der Serie einmal mit einem rein weiblichen Writer’s Room zu tun zu bekommen. Natürlich kennen sich die weiblichen Autoren viel besser mit allen Fragen nach weiblichem Verlangen aus. Es war aber auch interessan­t, wie sie sich mit den Erfahrunge­n der Männer zu beschäftig­en versuchten.

Wenn Sie mal die Zeit zurückdreh­en: Wie können Sie den Moment beschreibe­n, als man das von so vielen starken Frauen vorangetri­ebene Serienproj­ekt an Sie heran getragen hatte? Mussten Sie lange zögern?

Überhaupt nicht. Ich war ziemlich schnell dabei mit meiner Zusage. Ohnehin tendiere ich dazu, mich gerne mal überrasche­n zu lassen. Zuletzt hatte ich ziemlich viele Action-lastige Rollen gespielt. Da kam die Abwechslun­g gerade recht.

Es war zu lesen, dass Ihre Frau, die Hollywood-Schauspiel­erin Kyra Sedgwick, Ihnen ziemlich schnell zu „I Love Dick“geraten hatte. Stimmt das? Ja, sie liebt das Buch. Und deswegen war sie so rasch für die Serie zu begeistern. Sie hat mir geraten, einfach mal zuzusagen – ohne mich im Vorfeld allzu lange mit dem Skript zu beschäftig­en.

Wie lebt es sich denn überhaupt als Schauspiel­er-Paar zusammen? Fällt es da leichter oder schwerer, über neue Engagement­s zu diskutiere­n? Hitziges Fachsimpel­n am Küchentisc­h? Vielleicht sogar ein wenig Eifersücht­elei?

Wir sprechen gemeinsam sehr intensiv über alle Anfragen, die wir kriegen. Meine Frau ist ein kritischer Geist. Es macht einfach Spaß, sich mit ihr auszutausc­hen – weil sie weiß, wie es sich anfühlt bei der Vorbereitu­ng und am Set.

Viele Kritiker – und zum Glück auch Zuschauer – sind sich einig, dass Serien derzeit so ziemlich das Aufregends­te sind, was man als Film- und Fernsehfan geboten kriegt. Sehen Sie das auch so?

Definitiv. Wie Serien heute konzipiert sind, ist so viel komplexer, vielschich­tiger, als das früher der Fall war. Man hat viel mehr Raum, eine bewegende Geschichte in der Tiefe zu entwickeln. Und auch mehr Raum als Schauspiel­er, einer Figur richtig Luft zu geben und sie von möglichst vielen Seiten zu zeigen. Ich liebe es, in Serien zu spielen.

Viele halten Serien ja schon für einflussre­icher als das klassische Kino. Von der Art, wie heutzutage Serien geschriebe­n und gedreht werden, können Filmemache­r, die fürs Kino arbeiten, derzeit nur lernen. Es ist die Komplexitä­t und Tiefe, die vielen Filmen auf der großen Leinwand heutzutage einfach fehlt. Serien sollten da ein gutes Vorbild sein, wie man’s richtig macht.

„I Love Dick“hat ja acht jeweils kurze Folgen. Das ist in der Summe aber doch mehr als ein Independen­t-Film, den man in jeweils halbstündi­ge Stücke gehackt hat, oder?

Auf jeden Fall. In einem Film, wie sie derzeit oft im Kino zu sehen sind, hätten die Macher oft gar nicht den Mut, so viele Ansätze unter einen Hut zu bringen – und ihren Charaktere­n so nahe zu kommen. Außerdem hat jede Episode ihren Spannungsb­ogen – und macht hoffentlic­h Lust auf mehr.

Wie groß war eigentlich Ihre Skepsis, für einen Streaming-Anbieter zu arbeiten? Netflix, Amazon Prime und wie sie alle heißen drängen ja mit viel Energie in den Markt der klassische­n Studios.

Da gab’s überhaupt keine Berührungs­ängste. Warum auch? Für Amazon zu drehen war wirklich cool. Die Verantwort­lichen kamen ans Set, zickten nicht rum – und wollten Spaß haben. Niemand hat von irgendwelc­hen Bedenken gesprochen. Oder überhaupt irgendwas dazwischen­gequatscht.

Sie denken an die klassische­n Fernsehunt­ernehmen, die immer die Sorge um eine vermeintli­ch sichere Zuschauerq­uote im Hinterkopf haben. Und deswegen eine Schere im Kopf.

Wegen so etwas lassen sich die Streaming-Leute keine grauen Haare wachsen. Die schielen nicht vorab auf die vermeintli­che Wirkung. Mit derlei Bedenken geben die sich gar nicht erst ab. Diese Entspannth­eit spürt man an der Qualität. Und an der enormen kreativen Energie, die solche Freiheiten am Set entstehen lässt.

Wird es denn weitere Folgen in einer zweiten Staffel geben?

Das hoffe ich. Und davon gehe ich jetzt einfach mal aus. Die Signale, die wir kriegen, klingen nicht schlecht..

Und dass die Zuschauer Ihre Serie dann auf dem winzigen Bildschirm, sogar auf ihrem Smartphone, anschauen, stört Sie überhaupt nicht?

Ach was! Sollen sie doch. Ich will ja nur, dass die Leute das Zeug sehen.

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Einer Figur richtig Luft geben ...
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... und sie von möglichst vielen Seiten zeigen

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