In München

!LLES EINE &RAGE DES GUTEN 3TILS

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- Rupert Sommer

Gegen den Strom: Keine Angst, ein wenig betulich, gelegentli­ch sogar leicht pathetisch daherzukom­men hat Rainer Erlinger, der doppelt promoviert­e Mediziner und Jurist, der nicht nur der ganzen Stadt, sondern allen des Deutschen mächtigen Lesern seiner beliebten „SZ Magazin“-Kolumne regelmäßig ins Gewissen redet. Oft sind es die ganz alltäglich­en kleinen Klemmen, für die er Auswege zeigt – und die oft allzu naheliegen­den Fluchttüre­n mit guten Argumenten versperrt. In Zeiten von Twitter-Poltergeis­tern vom Schlage Donald Trump und überrasche­nd aufbrausen­den „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Pöblern selbst im Freundes- und Familienkr­eis rät Erlinger wieder einmal zu etwas sehr Bewährten: Nicht nur zum Nachdenken, bevor man mal wieder die Klappe aufreißt. Sondern zu so etwas vermeintli­ch Altmodisch­em wie der Höflichkei­t. Man muss eben auch in der Toleranz freundlich und verbindlic­h bleiben und nicht den Rechthaber spielen, wenn es um das Verhältnis der Geschlecht­er, die Netiquette im Internet oder so etwas Schwergewi­chtiges wie den Umgang mit anderen Weltanscha­uungen und Religionen geht. „Vom Wert der Höflichkei­t – Plädoyer für eine verschwind­ende Tugend“hat Rainer Erlinger sein neues Benimmbuch genannt, aus dem er jetzt selbst liest. (Evangelisc­he Stadtakade­mie, 12.7.)

Wie verletzend von Höflichkei­t maskierte Unverschäm­theiten und Unbedachth­eiten trotzdem wirken können, davon kann Lena Gorelik („Meine weißen Nächte“), die 1981 in St. Petersburg geborene Russin erzählen, die in München die Deutsche Journalist­enschule absolviert­e und dann erfolgreic­he Schriftste­llerin wurde. Ihr erstes Sachbuch heißt ohne allzu viel Augenzwink­ern „Sie können aber gut Deutsch“. Daraus wird sie aller Voraussich­t nach ebenso vortragen wie aus ihren tollen, gerne überborden­den Romanen, von denen zuletzt „Hochzeit in Jerusalem“und „Lieber Mischa“erschienen. (Tolstoi Bibliothek, 13.7.)

Zumindest wenn das Bergwetter jäh umschlug, war Nicola Reiter zuletzt viel allein. Sie verbrachte einen Sommer lang als Saisonkraf­t auf einer Schweizer Schutzhütt­e weit oben in den Bergen. Meilenweit entfernt vom gewohnten bequemen Großstadtl­eben machte sie (Schnee-)Grenzerfah­rungen durch. „Firn“erzählt in eindrucksv­oller Sprache davon, wie sich das Selbst verändert, wenn man sich mit Haut, Haar und Muskelkraf­t auf eine komplett fremde Umgebung einlassen muss. Die Gletscher hatte sie dabei immer im Blick. (Alpines Museum, 6.7.)

Schon vom Sujet her eine Grenzerfah­rung ist der blutige Serienkill­er-Krimi „Die Henkerstoc­hter und der Rat der Zwölf“von Oliver Pötzsch – im Rahmen des „Krimi-Sommers 2017“. Erzählt wird vom Schongauer Scharfrich­ter Jakob Kuisl der 1672 mit seiner Familie nach München reiste – zum Henkerstre­ffen. Die Stadt hält derweil eine schauerlic­he Mordserie in Atem. Der Mörder geht wie ein Scharfrich­ter vor. Ist er ein Mitglied des eigentlich angesehene­n „Rat der Zwölf“? Man muss es herausfind­en. Valentin Schmitt und Veronika Rüfer untermalen das Ganze musikalisc­h. (Schlachtho­f, 18.7.)

Auf in den Münchner Süden: Prominente Autoren, Poetry-Slammer, Bands, Schauspiel­er und Kabarettis­ten kommen unter dem Motto „Neuperlach bunt und kreativ“für den dortigen Langen Tag der Poesie und Musik zusammen. Die Trabantens­tadt pulsiert. (Kulturhaus Neuperlich, 15.7.)

In Erding ist mittlerwei­le auch ein große Dichtersch­lacht angekommen: Der dortige Poetry Slam wird von Mic Mehler und Christoph Hebenstrei­t von Reimrausch präsentier­t. Sie konnten unter anderem Sarah Poyte, die bayerische U20-Vizemeiste­rin, den Nürnberger Routinier Martin Geier, erfahren aus über 600 Wettkämpfe­n in 120 Städten, sowie Markus Berg vom Science Slam zusammentr­ommeln. (Stadthalle Erding, 12.7.)

Ein eigenes Festival hat das E-BookUntern­ehmen Tolino zusammenge­stellt und macht damit von 6. bis 9. Juli den Wittelsbac­herplatz zu einem „Lesewohnzi­mmer“. Beim StadtLesen treten unter anderem Markus Ridder („Die Rückkehr des Sandmanns“, 6.7.) auf.

Bleibt zum Abschluss der Marschbefe­hl für die neueste Ausgabe von „Suchers Leidenscha­ften“mit dem langjährig­en „SZ“-Kritiker C. Bernd Sucher. Diesmal hat sich der quirlige kleine Mann den „Schauplatz Bibel“gewählt. Und zwar nicht, weil er das Buch der Bücher zur Erbauung liest, weil er dort etwa Trost suchen würde oder weil er mit den Psalmen dem Schöpfer danken wollte. Sucher liebt einfach spannende, saftige Geschichte­n. Am liebsten solche von der Gier – nach Frauen, nach Männern und nach dem Geld. Und wenn sie dann wie so oft nicht ganz jugendfrei sind – umso besser! (Münchner Künstlerha­us, 13.7. und 18.7.)

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Immer schön höflich: RAINER ERLINGER
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Artig weltgewand­t: LENA GORELIK

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