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Gegen den Strom: Keine Angst, ein wenig betulich, gelegentlich sogar leicht pathetisch daherzukommen hat Rainer Erlinger, der doppelt promovierte Mediziner und Jurist, der nicht nur der ganzen Stadt, sondern allen des Deutschen mächtigen Lesern seiner beliebten „SZ Magazin“-Kolumne regelmäßig ins Gewissen redet. Oft sind es die ganz alltäglichen kleinen Klemmen, für die er Auswege zeigt – und die oft allzu naheliegenden Fluchttüren mit guten Argumenten versperrt. In Zeiten von Twitter-Poltergeistern vom Schlage Donald Trump und überraschend aufbrausenden „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Pöblern selbst im Freundes- und Familienkreis rät Erlinger wieder einmal zu etwas sehr Bewährten: Nicht nur zum Nachdenken, bevor man mal wieder die Klappe aufreißt. Sondern zu so etwas vermeintlich Altmodischem wie der Höflichkeit. Man muss eben auch in der Toleranz freundlich und verbindlich bleiben und nicht den Rechthaber spielen, wenn es um das Verhältnis der Geschlechter, die Netiquette im Internet oder so etwas Schwergewichtiges wie den Umgang mit anderen Weltanschauungen und Religionen geht. „Vom Wert der Höflichkeit – Plädoyer für eine verschwindende Tugend“hat Rainer Erlinger sein neues Benimmbuch genannt, aus dem er jetzt selbst liest. (Evangelische Stadtakademie, 12.7.)
Wie verletzend von Höflichkeit maskierte Unverschämtheiten und Unbedachtheiten trotzdem wirken können, davon kann Lena Gorelik („Meine weißen Nächte“), die 1981 in St. Petersburg geborene Russin erzählen, die in München die Deutsche Journalistenschule absolvierte und dann erfolgreiche Schriftstellerin wurde. Ihr erstes Sachbuch heißt ohne allzu viel Augenzwinkern „Sie können aber gut Deutsch“. Daraus wird sie aller Voraussicht nach ebenso vortragen wie aus ihren tollen, gerne überbordenden Romanen, von denen zuletzt „Hochzeit in Jerusalem“und „Lieber Mischa“erschienen. (Tolstoi Bibliothek, 13.7.)
Zumindest wenn das Bergwetter jäh umschlug, war Nicola Reiter zuletzt viel allein. Sie verbrachte einen Sommer lang als Saisonkraft auf einer Schweizer Schutzhütte weit oben in den Bergen. Meilenweit entfernt vom gewohnten bequemen Großstadtleben machte sie (Schnee-)Grenzerfahrungen durch. „Firn“erzählt in eindrucksvoller Sprache davon, wie sich das Selbst verändert, wenn man sich mit Haut, Haar und Muskelkraft auf eine komplett fremde Umgebung einlassen muss. Die Gletscher hatte sie dabei immer im Blick. (Alpines Museum, 6.7.)
Schon vom Sujet her eine Grenzerfahrung ist der blutige Serienkiller-Krimi „Die Henkerstochter und der Rat der Zwölf“von Oliver Pötzsch – im Rahmen des „Krimi-Sommers 2017“. Erzählt wird vom Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl der 1672 mit seiner Familie nach München reiste – zum Henkerstreffen. Die Stadt hält derweil eine schauerliche Mordserie in Atem. Der Mörder geht wie ein Scharfrichter vor. Ist er ein Mitglied des eigentlich angesehenen „Rat der Zwölf“? Man muss es herausfinden. Valentin Schmitt und Veronika Rüfer untermalen das Ganze musikalisch. (Schlachthof, 18.7.)
Auf in den Münchner Süden: Prominente Autoren, Poetry-Slammer, Bands, Schauspieler und Kabarettisten kommen unter dem Motto „Neuperlach bunt und kreativ“für den dortigen Langen Tag der Poesie und Musik zusammen. Die Trabantenstadt pulsiert. (Kulturhaus Neuperlich, 15.7.)
In Erding ist mittlerweile auch ein große Dichterschlacht angekommen: Der dortige Poetry Slam wird von Mic Mehler und Christoph Hebenstreit von Reimrausch präsentiert. Sie konnten unter anderem Sarah Poyte, die bayerische U20-Vizemeisterin, den Nürnberger Routinier Martin Geier, erfahren aus über 600 Wettkämpfen in 120 Städten, sowie Markus Berg vom Science Slam zusammentrommeln. (Stadthalle Erding, 12.7.)
Ein eigenes Festival hat das E-BookUnternehmen Tolino zusammengestellt und macht damit von 6. bis 9. Juli den Wittelsbacherplatz zu einem „Lesewohnzimmer“. Beim StadtLesen treten unter anderem Markus Ridder („Die Rückkehr des Sandmanns“, 6.7.) auf.
Bleibt zum Abschluss der Marschbefehl für die neueste Ausgabe von „Suchers Leidenschaften“mit dem langjährigen „SZ“-Kritiker C. Bernd Sucher. Diesmal hat sich der quirlige kleine Mann den „Schauplatz Bibel“gewählt. Und zwar nicht, weil er das Buch der Bücher zur Erbauung liest, weil er dort etwa Trost suchen würde oder weil er mit den Psalmen dem Schöpfer danken wollte. Sucher liebt einfach spannende, saftige Geschichten. Am liebsten solche von der Gier – nach Frauen, nach Männern und nach dem Geld. Und wenn sie dann wie so oft nicht ganz jugendfrei sind – umso besser! (Münchner Künstlerhaus, 13.7. und 18.7.)