Lummerland is not enough
Bei aller Landlust und -liebe, die in den letzten Jahren so fies trendy geworden ist: Auf die Dauer macht Idylle dumm und langweilig. Aus schön wird monoton, aus Harmonie wird Engstirnigkeit. Die richtige Antwort lautet: „Ich hit dann mal the road, Jack.“Unterwegs kommt man sich selbst viel näher als in jedem Käfig, egal wie golden er ist. Jede Reise ist quasi hauptnebensächlich eine Selbstentdeckungstour. Bevor hier jetzt auch noch Coolfuzius seinen Develey aus der „Blimey, I’m so fucking Buddha“-Tube quetscht, mal ganz schnell ‘ne scharfe Weiche zum Hauptgleis. Nämlich interessant, wie viel Spaß Jim Knopf und Lukas noch immer machen, wenn einem die beiden ein gefühltes halbes Menschenleben nach dem Puppenkisten-Erstkontakt wieder durch die Rübe dampfen und rattern. Die beiden Lokfreaks verlassen Lummerland übrigens nicht wegen Überidylle und geistiger Enge, dazu liebt Michael Ende seine kleine Insel und seine Inselitos viel zu sehr. Damit die Helden trotzdem losziehen, wählt der Aufbaugeschichtenerfinder die räumliche Engevariante. Und weil es um Freundschaft geht, ziehen die beiden Loksters gemeinsam los, statt um den Platz zu streiten wie dämliche Analog-Idyllen-Nachbarn. Die Zugdurchsagen macht Stimmposer CMH, der CR7 des Hörbuchs. Nein, viel sympathischer. Packt die ganze rufusbeck’sche Stimmbandbreite aus, die ihm Endes Einfallsreichtum abverlangt. Lukas ist aufgeherbstet ein saucooler Typ, ein echter Seebär, der auch bei der allersteifsten Brise nur anerkennend nickt, während er welterfahren an seiner Pfeife nuckelt. Nebenbei ist er ein ganz lieber Kerl. Die Leute im chinaverdächtigen Mandala piepsen natürlich r-frei und in einer Stimmlage, die sonst reserviert ist für Sanostolwerbekinder und Kastraten. Dagegen bedachtelt der mandalische Kaiser wie ein altersmilder Dumbledore und dem grunzquiekenden Halbdrache Nepomuk fehlt nur das Lispeln zum Urmelchen. Wer sich am „Neger“stört: Endes Buch ist Jahrgang 1960. Tiefste Prä-PCÄra. Dabei kosmopolitischer und humanistischer als vieles, was in unserem neuen Sittenzeitalter so herum satellitet. Am Ende lässt sich nur die James-Bond-Braut aus Moonraker zitieren: Jim, take me ‘round the world one more time ...
Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Multistimmgelesen von Christoph Maria Herbst, 6 CD, ca. 7 Std., www.hoerbuch-hamburg.de