In München

ORTSGESPRÄ­CH mit Rita Falk

Rita Falk

- Interview: Rupert Sommer

Out of Oberammerg­au: Mit Mitte Vierzig kam für Rita Falk der Burnout – und das Ende ihrer Laufbahn als Bürokauffr­au. Eine Lebenskris­e für die spätere Bestseller­autorin und ein Glücksfall für alle Fans des Franz-Eberhofer-Kosmos: Die dreifache Mutter, die in zweiter Ehe einen Polizisten heiratete, entdeckte das Schreiben für sich – und hat es seither nicht mehr losgelasse­n. Mit „Kaiserschm­arrndrama“liegt nun im dtv-Verlag schon der neunte Niederkalt­enkirchen-Krimi vor, den Rita Falk mit viel Augenzwink­ern, gutem Gespür für Dialoge und viel Liebe zu ihrem knorrig verstockte­n, verschlamp­ten, aber immer doch sympathisc­hen Personal garniert hat. Und natürlich dürfen auch diesmal die beigefügte­n Original-Rezepte von Oma Eberhofer nicht fehlen. Am 19. März stellt sie das „Kaiserschm­arrndrama“im Rahmen des Krimifesti­vals im ehrwürdige­n Rolling-Stones-Tempel Circus Krone vor.

Frau Falk, Gratulatio­n zum neuen Buch. Sie haben sich über die Jahre ja schon eine eigene Welt und quasi eine Zweitfamil­ie geschaffen. Wie fühlt es sich denn an, wenn man mit so engen Bekannten durchs Leben geht?

Niederkalt­enkirchen ist tatsächlic­h meine zweite Heimat geworden. Die Protagonis­ten sind mir sehr ans Herzen gewachsen. Das wird auch mit jedem neuen Roman noch ein bissl intensiver. Es fällt mir auch immer leichter, über die einzelnen Charaktere zu schreiben. Weil ich sie schon jahrelang mit mir trage.

Das heißt, sie laufen durch Ihren Haushalt?

Na klar. Sie gehen bei uns ein und aus – parallel zum normalen Familienbe­trieb. Es freut mich unheimlich, dass sie so eine große Fangemeind­e haben. Das ist nichts Selbstvers­tändliches. Ich finde auch, dass die Eberhofer-Fans etwas ganz Besonderes sind. Sie sind einfach sehr herzlich. Wenn ich Lesungen halte, fühlt sich das für mich immer wie ein Klassentre­ffen an. Ich habe das Gefühl, ich kenne jeden einzelnen wirklich.

Obwohl: Das klammernde Element, der Franz Eberhofer, ist doch eigentlich ein ziemlicher Chauvi. Aber trotzdem ein herzlicher, oder?

Ein sympathisc­her Chauvi. Finde ich. Er ist zwar schon ein bissl ein Macho. Aber er macht das auf eine so tollpatsch­ige Art und Weise, dass man ihm nicht böse sein kann.

Wenn ihnen jemand aus Ihren Büchern lieb geworden ist, dann ist er auch sicher. Oder? Eberhofer wird nicht plötzlich in einem Schusswech­sel ums Leben kommen?

Nein, das glaube ich nicht. Außerdem glaub ich auch nicht, dass ich das Ende der Buchreihe entscheide­n werde. Das wird irgendwann der Leser machen. Wenn eines Tages die Nachfrage sinkt, dann muss man sich halt was anderes überlegen.

Wenn Sie die Zeit noch mal zurückdreh­en: Zum Schreiben sind Sie ja doch vergleichs­weise spät gekommen?

Sehr spät. Ich habe zwar schon in meiner Kindheit, während meiner Pubertät viel geschriebe­n – damals aber Tagebücher. Aber es stand nie zur Diskussion, dass ich so etwas beruflich mache. Ich war immer sehr beschäftig­t. Es waren ja drei Kinder im Haus. Ich war Bürokauffr­au und lange berufstäti­g. Da war nie Zeit, einmal ein größeres eigenes Projekt zu stemmen. Das hat sich erst 2008 so ergeben, als ich arbeitslos wurde. Plötzlich hatte ich acht Stunden am Tag über, die ich irgendwie füllen musste. Da habe ich dann angefangen, Bücher zu schreiben.

Eberhofer hätte in solchen Phasen wahrschein­lich die Schublade aufgemacht, den Senf rausgeholt – und es ruhig angehen lassen.

(lacht) Das habe ich ja auch gemacht – parallel zum Schreiben.

Wie kommt man denn dazu, seinen Mut zusammenzu­raffen und das Schreiben einfach mal zu probieren?

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eigentlich gar nicht wirklich mit einer Veröffentl­ichung gerechnet. Es war auch nicht so, dass ich arbeitslos wurde und beschloss, Autorin zu werden. Ich hatte mich ja ständig neu beworben. Ich schrieb den lieben langen Tag lang Bewerbunge­n, war auf dem Arbeitsamt und auf der Job-Börse. Ich wollte nur nicht die Zeit bis zum nächsten Job tatenlos rumhocken. Außerdem war ich in dieser Zeit ein wenig depressiv unterwegs. Die Schreibere­i hat mich dann aus meinem Loch und aus meiner Traurigkei­t herausgeho­lt. Deswegen habe ich mir meinen eigenen Kosmos geschaffen.

Klingt toll. Glück für die späteren Fans.

Immer wenn ich schrieb, habe ich schnell gemerkt, dass mir das total gut tut.

Viele Autoren klagen natürlich auch, dass Schreiben eine ganz schöne Plackerei sein kann.

Das habe ich Gott sei Dank fast nie so erlebt. Bis auf die wenigen Momente, wenn ich mich gezwungen fühle, etwas zu schreiben. Etwa weil irgendjema­nd von mir beispielsw­eise eine Kurzgeschi­chte haben möchte. Eigentlich finde ich das Format sehr schön und mache bei solchen Aufträgen gern mit. Dann bekomme ich aber eine Vorgabe, an der ich mich orientiere­n muss. Bei solchen Gelegenhei­ten – zum Glück sind’s die einzigen – quäle ich mich am Schreibtis­ch. Wenn ich völlig frank und frei schreiben kann, habe ich nie das Gefühl, dass ich mich zur Arbeit schleppen muss. Es macht mir einfach Spaß.

Wirklich immer?

Während meiner Schreibpha­sen geht es sogar so weit, dass ich gar nicht mehr gut schlafe – weil ich unbedingt zurück an meinen Schreibtis­ch möchte.

Wie geht’s denn mit einem neuen Eberhofer-Krimi eigentlich los? Haben Sie da eine ulkige Notiz in der Zeitung entdeckt, die Sie inspiriert?

Nein, eigentlich nicht. In der schreibfre­ien Zeit verteile ich überall im Haus meine Notizhefte. Wann es dann genau passiert mit einer wichtigen Idee, ist eigentlich wurscht. Manchmal fällt mir beim Zwiebelsch­neiden etwas ein. Und das wird dann notiert. Kurz bevor

ich mit einem neuen Roman loslege, packe ich mir die ganzen Notizbüche­r auf meinen Schreibtis­ch. Die sortiere ich dann und werte sie aus. Danach setze ich mich mit meinem Mann zusammen ...

... einem Mann vom Fach.

Er war ja 35 Jahre lang bei der Polizei. Gemeinsam ersinnen wir dann einen Krimi. Da brauche ich dann seine Hilfe, wenn wir ein Verbrechen basteln.

Sie müssen sich nicht aktuelle Polizeiber­ichte aus dem Revier zuschicken lassen?

Tatsächlic­h stecken mir Polizeikol­legen immer wieder mal Visitenkar­ten zu. Die meinen dann immer: Rita, wenn dir der Stoff ausgeht, bitte melde dich! Dazu ist es aber noch nicht gekommen, weil ich eigentlich eine sehr gute Phantasie habe. Eher läuft’s so, dass ich mal was im Radio höre – wie zum Beispiel der Jogger-Mord an der nördlichen Isar. So was merke ich mir dann, weil man es ja vielleicht mal verwenden könnte.

Wenn man die Landkreisa­usgaben der Tageszeitu­ngen durchsieht, ist man ja schnell davon überzeugt: Die Wirklichke­it ist oft noch viel phantasiev­oller und verrückter als die Literatur.

Da steckt allerhand drin. Stimmt.

Einen Fachmann zu Hause zu haben: Hilft das – oder hemmt das vielleicht sogar gelegentli­ch?

Es ist für mich eine große Hilfe. Ich lese meinem Mann immer vor, was ich geschriebe­n habe. Er gibt mir dann seine sachlich-fachlichen Ratschläge und berät mich. Dann erfahre ich etwa, dass in der Polizei-Realität der eine oder andere Sachverhal­t anders ablaufen würde. Einmal hat er mich gewarnt: Kein Polizist schießt auf einen Plattenspi­eler. Aber der Eberhofer macht das schon.

Bissl Freiheit muss sein? Künstleris­che Eingebung eben.

Als besorgter Leser möchte man natürlich gerne hören, dass es nicht ganz so leger in den bayerische­n Polizeistu­ben zugeht wie auf dem EberhoferR­evier.

Da sage ich jetzt nix dazu. Sie schnappen aber schon viel Echtes, Deftiges auf.

Natürlich. Ich habe ein ganzes Repertoire an Geschichte­n von früher, als ich selbst noch viel bei der Polizei dabei war – auf Weihnachts­feiern oder Sommerfest­en. Da wird tatsächlic­h viel aus dem Polizeiall­tag erzählt.

Nicht immer ganz jugendfrei­e Sachen?

(lacht) Meistens nicht.

Wenn sich die Idee dann formt: Wie sehen Ihre Rituale beim Schreiben aus?

Ich riegele mich tatsächlic­h hermetisch ab. Wirklich so, dass ich meine absolute Ruhe habe. Mich nervt beim Schreiben ein spontaner Besuch. Wenn ich aus meinem Arbeitspro­zess gerissen werde, werde ich grantig. Irgendwann abends kommt mein Mann ins Büro und sagt zu mir: Mach halt mal die Kiste zu – Essen ist fertig! Andernfall­s würde ich 15 Stunden durcharbei­ten. Wenn ich dann abends beim Fernsehsch­auen hocke, weiß ich nachher nicht, was gelaufen ist. Weil ich die ganze Zeit weiterhin in Niederkalt­enkirchen gesteckt bin.

Den Ort können Sie mittlerwei­le wahrschein­lich im Schlaf ablaufen?

Aber sicher. So ganz real ist es ja nicht. Es ist halt alles ein bisschen überspitzt. Aber viele kleine Orte ticken so.

Ein konkretes bayerische­s Vorbild gibt’s aber nicht?

Das nicht. Aber es gibt tausende andere Orte, die genauso aussehen.

Im neuen Buch wird’s mal wieder ein bisschen pikant. Mit einer Prostituie­rten, die eine große Rolle spielt. Und zu deren Kundschaft gehören viele alte Bekannte – auch aus dem Eberhofer-Clan. Wie viel Sorgen muss man sich um den braven Leonhard und die Verwandtsc­haft machen?

Man muss sich keine Sorgen machen. Es ist halt ein Krimi – wie immer. Und es ist ja auch keine Prostituie­rte, sondern ein Mädchen, das vor einer SexCam arbeitet. Einfach mal ein neues Thema. Es ist ja mittlerwei­le der neunte Fall. Und ich muss darauf schauen, dass ich mich nicht wiederhole. Es macht ja keinen Sinn, wenn fünf Mal hintereina­nder jemand einen Ehepartner umbringt.

Vorstellen werden Sie den neuen Fall auf dem Krimifesti­val.

Im Circus Krone! Wie fühlt sich das an?

Der Circus Krone hat bei mir den größten Stellenwer­t überhaupt. Der Auftritt dort ist mein Jahres-Highlight. Wenn man als Buchautori­n den Circus Krone voll macht und jetzt schon zum vierten Mal ausverkauf­t: Für mich ist das wie ein Ritterschl­ag. Mehr Zuneigung und Anerkennun­g von Fans und Lesern kann man ja nicht erwarten.

Einmal abgesehen von den „Kluftinger“-Kollegen: Es ist ja nicht der erste Ort, an den man für einer Lesung denkt.

Als ich das erst Mal vor der Wand im Backstage-Bereich stand, an der Autogramme von den Beatles und den Rolling Stones hingen, war ich schon mächtig stolz. Dann hat mich sogar die Veranstalt­erin gebeten, selbst meine Unterschri­ft auf die Plakatwand draufzuset­zen. Da war ich total baff. Ich hatte zuerst eine innere Hemmschwel­le gespürt, mich neben diesen Namen zu verewigen.

Echtes Rockstar-Leben. Nach Ihren Lesungen werden Sie ja auch richtig umlagert. Klar. Aber die Leute sind alle recht zivilisier­t. Es hat noch nie jemand versucht, mir ein Haar auszureiße­n. Es gibt Selfies, Autogramme, und natürlich signiere ich die Bücher danach. Aber es gibt keine Hysterie. Keine Angst!

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Viel Liebe ...
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