Molly’s Game
„Molly’s Game“von Aaron Sorkin
Dies ist die völlig unglaubliche, aber weitgehend wahre Geschichte einer saucoolen Selfmadefrau mit StehaufQualitäten. Ihr Name: Molly Bloom. Ein spektakulärer Unfall kurz vor den Olympischen Winterspielen 2002 bedeutet das abrupte Ende ihrer steilen Skisport-Karriere. Sie zieht nach Los Angeles und jobbt als Sekretärin für einen Veranstalter von UndergroundPokerspielen. Bald beginnt sie selbst, solche Events zu organisieren: Jahrelang betreibt sie den exklusivsten geheimen Poker-Ring der USA; zu ihren Stammgästen gehören Wirtschaftsbosse, Spitzensportler und Hollywoodstars wie Leonardo DiCaprio oder Tobey Maguire. Als sie versehentlich auch Mitglieder der Russenmafia an ihren Spieltisch lässt, wird sie eines Nachts von 17 FBI-Agenten aus dem Bett gerissen und wegen illegalen Glücksspiels verhaftet. Ihr winken Straffreiheit, Ruhm und Reichtum, wenn sie die Namen ihrer prominenten Kunden preisgibt – aber sie weigert sich strikt. Was spielt Molly für ein Spiel? Ein Glück, dass der mehrfache Oscar, Emmy- und Golden-Globe-Preisträger Aaron Sorkin aus dieser einzigartigen Persönlichkeit eine Filmheldin gemacht hat. Wie schon bei „The Social Network“und „Steve Jobs“geht Sorkin als Autor recht kreativ mit manchen Fakten um (offenbar nach dem Motto: „Warum sollte man eine tolle Geschichte durch die Wahrheit ruinieren?“) – und dringt gerade dadurch zum Kern der Hauptfigur vor. Ihm gelingt ein hochklassiges Hochgeschwindigkeitsporträt: die fesselnde Charakterstudie einer blitzgescheiten Powerfrau, die stets hoch pokert und versucht, sich in einer Männerdomäne zu behaupten, ohne ihre Integrität zu verlieren. Man muss keine Ahnung vom Pokern haben, um diesen Film spannend zu finden. Kleine Abzüge in der B-Note gibt es, weil Sorkin bei seinem rasanten Regiedebüt statt auf die Kraft der Bilder fast nur auf die Cleverness der Worte setzt. Er kann sich das leisten, denn niemand schreibt brillantere Dialoge als er. Kein Wunder, dass sich hier sogar für kleinste Nebenrollen exquisite Darsteller einfanden, darunter Kevin Costner als Mollys ehrgeiziger Vater, der seine Tochter zu Höchstleistungen drillt. Sorkins skalpellscharfe, rhythmisierte Rededuelle in schwindelerregendem Stakkato sind kein Gelaber-Dünnpfiff, sondern Esprit-Feuerwerke und Bonmot-Detonationen. Insbesondere die Szenen, in denen die gewitzte PokerPrinzessin (Jessica Chastain) sich den Respekt ihres gewieften Anwalts (Idris Elba) erkämpft, entwickeln eine elektrisierende Energie. Überhaupt erweist sich Jessica Chastain als Sorkins größte Trumpfkarte: Die chamäleonhafte Charismatikerin ist die Idealbesetzung für die schillernde Titelfigur – und eine wahre Verbal-Virtuosin, die ihre Rolle rockt. Gebannt fiebern wir mit ihr mit, wenn sie sich mit Chuzpe und Charakterstärke zwischen Pokerhimmel und Gerichtshölle bewegt. Dank ihres berauschenden Spiels geht man als Zuschauer von „Molly’s Game“mit einem satten Gewinn nach Hause.