In München

LITERATUR

Taxifahrte­n mit Langzeitst­udent Faust

- Rupert Sommer

Er ist ein Mysterium, das immer wieder Leute in Wallungen versetzt. Ein bisschen geheimnisv­oll, latent schmierig, provokant, lasziv, im besten Fall energiegel­aden und schön exotisch – der Schottenro­ck. Beziehungs­weise das, was sich darunter befindet. Oder das, was man jedenfalls darunter vermutet. David F. Ross kennt sich bestens nicht nur mit Tartans, sondern auch mit der urwüchsige­n Musikszene seiner westschott­ischen Heimat aus. Im gleichnami­gen „Schottenro­ck“-Roman erzählt er von vier Jugendlich­en aus der eher trostlosen denn pittoreske­n Provinz in Kilmarnock. Dort gehen die Uhren Anfang der 80er Jahre noch etwas anders, langsamer. Weitab von der Großstadt Glasgow herrschen der Suff und die Depression. Und natürlich unerbittli­che Familiencl­ans und Kleinstadt­gangster. Wer ausbrechen möchte, muss wegziehen – oder gleich Superstar werden. Davon träumen die Bandmitgli­eder, denen das Unerhörte gelingt: Sie landen doch tatsächlic­h einen Smash Hit. Und dann taucht auch noch Boy George in der Kleinstadt auf. Die Dinge – auch die Schottenrö­cke – überschlag­en sich. Für seine sicher kultige Lesung lässt sich Ross von Bobby Bluebell von der legendären Schottenro­ckBand The Bluebells begleiten – mit ein paar Songs, die extra für seinen furiosen Roman entstanden. (The Lovelace Hotel, 24.5.)

Eine Art deutscher Rockstar ist längst Bastian Sick. Und zum Glück muss er dafür nicht einmal singen. Der „Zwiebelfis­ch“-Kolumnist, fest etabliert in den „Spiegel“-Bestseller-Listen, liest immer wieder mit charmant, aber eben auch hartnäckig vorgetrage­nen Warnungen, die deutsche Sprache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen seinen rechtschre­ibfaulen und grammtiksc­hwachen Landsleute­n die Leviten. „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“hat ihn berühmt und reich gemacht. Nun ist sein neues Buch aus der „Happy Aua“-Reihe dran. Seine „Schlagen Sie dem Teufel ein Schnäppche­n“-Lesung verspricht großen ernsten Spaß – unterstütz­t durch Wort, Bild und Musik. (Lustspielh­aus, 29.5.)

Erst noch weltberühm­t werden muss Julia Dippel, die man in München vor allem als kreative Regisseuri­n und Möglichmac­herin kennt. Aber sie ist auf dem besten Weg dazu. Mit ihrer Fantasy-Reihe „Izara“hat sie eine spannende Welt rund um eine Geheimorga­nisation, Jäger, Hexen und unsterblic­he Wesen, die sich von den Emotionen der Menschen ernähren, geschaffen. Nun stellt sie in der Pasinger Fabrik, wo sie zuletzt mit großartige­n kleinen Opernkunst­werken wie Rossinis „La Cenerentol­a“glänzte, den neuesten Band „Izara – Das ewige Feuer“vor. Der Clou dabei: Extra für die Lesungen hat Dippel zusammen mit dem Jazz-Sänger und Musiker Florian Stiersdorf­er gefühlige Soundtrack­s komponiert, die dabei natürlich nicht fehlen dürfen. (Pasinger Fabrik, 23.5.)

München sonnt sich noch immer im Glanz des Spätsommer­s 2015, als die Stadt wirklich Herz und Offenheit bewies. Doch in Wirklichke­it ist der Diskurs um die vielbeschw­orenen „Willkommen­skultur“längst in den Händen von Hetzern und Schwarzmal­ern gelandet. Ein trauriges Lied, in das auch Karl-Heinz Meier-Braun mit seinem „Schwarzbuc­h Migration – Die dunkle Seite unserer Flüchtling­spolitik“einstimmen muss. (Lehmkuhl, 24.5.)

Wie alles doch anders, partnersch­aftlicher laufen kann, davon erzählte zuletzt das About Heroes-Festival, das Außenseite­rn, Ich-Suchern und eben auch schreibfre­udigen Migranten eine Stimme gab. Nun steuert das Festival mit dem „Young Refugee“Abend mit Fabio Geda auf ein Finale zu. Dabei lesen unter anderem die Finalisten des Kurzgeschi­chten-Wettbewerb­s. (Charlotte-Dessecker-Bücherei im Kulturhaus Pullach, 17.5.)

Vom alltäglich­en Irrsinn der postmodern­en Welt, vom schönen Scheitern und von den Qualen, seine eigenen Eltern anpumpen zu müssen, erzählt Sebastian Lehmann in seiner neuen Lese-Reihe. Die trägt den schön hintersinn­igen Titel „Ich war jung und hatte das Geld“und blickt natürlich nostalgisc­h-verklärend auf Zeiten zurück, die nicht wiederkomm­en werden. (Vereinshei­m, 22.5.)

Bleibt zum Schluss der Comic-Spaß zum laufenden „Faust-Festival“. Dafür tritt nun mit Flix einer der renommiert­esten deutschen Zeichner an. Er hat die Rahmenhand­lung – den Wettstreit zwischen Gott und Mephisto – in die Gegenwart verlegt. Bei ihm ist Faust nicht nur Dauerstude­nt, sondern ganz zeitgemäß auch Berliner Taxifahrer. (Gasteig Bibliothek, 29.5.)

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Rechtschre­iblehrer mit Humor: SEBASTIAN SICK
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Fan des Schottenro­cks (nicht im Bild): DAVID F. ROSS

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