LITERATUR
Taxifahrten mit Langzeitstudent Faust
Er ist ein Mysterium, das immer wieder Leute in Wallungen versetzt. Ein bisschen geheimnisvoll, latent schmierig, provokant, lasziv, im besten Fall energiegeladen und schön exotisch – der Schottenrock. Beziehungsweise das, was sich darunter befindet. Oder das, was man jedenfalls darunter vermutet. David F. Ross kennt sich bestens nicht nur mit Tartans, sondern auch mit der urwüchsigen Musikszene seiner westschottischen Heimat aus. Im gleichnamigen „Schottenrock“-Roman erzählt er von vier Jugendlichen aus der eher trostlosen denn pittoresken Provinz in Kilmarnock. Dort gehen die Uhren Anfang der 80er Jahre noch etwas anders, langsamer. Weitab von der Großstadt Glasgow herrschen der Suff und die Depression. Und natürlich unerbittliche Familienclans und Kleinstadtgangster. Wer ausbrechen möchte, muss wegziehen – oder gleich Superstar werden. Davon träumen die Bandmitglieder, denen das Unerhörte gelingt: Sie landen doch tatsächlich einen Smash Hit. Und dann taucht auch noch Boy George in der Kleinstadt auf. Die Dinge – auch die Schottenröcke – überschlagen sich. Für seine sicher kultige Lesung lässt sich Ross von Bobby Bluebell von der legendären SchottenrockBand The Bluebells begleiten – mit ein paar Songs, die extra für seinen furiosen Roman entstanden. (The Lovelace Hotel, 24.5.)
Eine Art deutscher Rockstar ist längst Bastian Sick. Und zum Glück muss er dafür nicht einmal singen. Der „Zwiebelfisch“-Kolumnist, fest etabliert in den „Spiegel“-Bestseller-Listen, liest immer wieder mit charmant, aber eben auch hartnäckig vorgetragenen Warnungen, die deutsche Sprache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen seinen rechtschreibfaulen und grammtikschwachen Landsleuten die Leviten. „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“hat ihn berühmt und reich gemacht. Nun ist sein neues Buch aus der „Happy Aua“-Reihe dran. Seine „Schlagen Sie dem Teufel ein Schnäppchen“-Lesung verspricht großen ernsten Spaß – unterstützt durch Wort, Bild und Musik. (Lustspielhaus, 29.5.)
Erst noch weltberühmt werden muss Julia Dippel, die man in München vor allem als kreative Regisseurin und Möglichmacherin kennt. Aber sie ist auf dem besten Weg dazu. Mit ihrer Fantasy-Reihe „Izara“hat sie eine spannende Welt rund um eine Geheimorganisation, Jäger, Hexen und unsterbliche Wesen, die sich von den Emotionen der Menschen ernähren, geschaffen. Nun stellt sie in der Pasinger Fabrik, wo sie zuletzt mit großartigen kleinen Opernkunstwerken wie Rossinis „La Cenerentola“glänzte, den neuesten Band „Izara – Das ewige Feuer“vor. Der Clou dabei: Extra für die Lesungen hat Dippel zusammen mit dem Jazz-Sänger und Musiker Florian Stiersdorfer gefühlige Soundtracks komponiert, die dabei natürlich nicht fehlen dürfen. (Pasinger Fabrik, 23.5.)
München sonnt sich noch immer im Glanz des Spätsommers 2015, als die Stadt wirklich Herz und Offenheit bewies. Doch in Wirklichkeit ist der Diskurs um die vielbeschworenen „Willkommenskultur“längst in den Händen von Hetzern und Schwarzmalern gelandet. Ein trauriges Lied, in das auch Karl-Heinz Meier-Braun mit seinem „Schwarzbuch Migration – Die dunkle Seite unserer Flüchtlingspolitik“einstimmen muss. (Lehmkuhl, 24.5.)
Wie alles doch anders, partnerschaftlicher laufen kann, davon erzählte zuletzt das About Heroes-Festival, das Außenseitern, Ich-Suchern und eben auch schreibfreudigen Migranten eine Stimme gab. Nun steuert das Festival mit dem „Young Refugee“Abend mit Fabio Geda auf ein Finale zu. Dabei lesen unter anderem die Finalisten des Kurzgeschichten-Wettbewerbs. (Charlotte-Dessecker-Bücherei im Kulturhaus Pullach, 17.5.)
Vom alltäglichen Irrsinn der postmodernen Welt, vom schönen Scheitern und von den Qualen, seine eigenen Eltern anpumpen zu müssen, erzählt Sebastian Lehmann in seiner neuen Lese-Reihe. Die trägt den schön hintersinnigen Titel „Ich war jung und hatte das Geld“und blickt natürlich nostalgisch-verklärend auf Zeiten zurück, die nicht wiederkommen werden. (Vereinsheim, 22.5.)
Bleibt zum Schluss der Comic-Spaß zum laufenden „Faust-Festival“. Dafür tritt nun mit Flix einer der renommiertesten deutschen Zeichner an. Er hat die Rahmenhandlung – den Wettstreit zwischen Gott und Mephisto – in die Gegenwart verlegt. Bei ihm ist Faust nicht nur Dauerstudent, sondern ganz zeitgemäß auch Berliner Taxifahrer. (Gasteig Bibliothek, 29.5.)