LITERATUR
... und dem stilvollen Scheitern eines ambitionierten Projekts
Vom Anstand in schwierigen Zeiten
Sehr viele MünchnerInnen haben sich in den vergangenen Monaten vom Faust-Fieber anstecken lassen. Sie sind durch Ausstellungen geschlendert, haben Theater, Kinos und Konzertsäle besucht, Vorträge gehört und Kunstaktionen bestaunt. „Bei 350 Veranstaltungen und 33 Ausstellungen wurden mehr als 125.000 Festival-Besucher gezählt“sagt Projektleiterin Anna Kleeblatt. Auf gar keinen Fall verpassen sollte man nun Bibiana Beglau (auch Sprecherin des Hörbuchs) wenn sie im Rahmen des Faust-Festivals aus dem großen Roman »Die Unglückseligen« von Thea Dorn liest. Anschließend findet noch ein Gespräch mit der Autorin statt. (HFF München, 3.6.)
Da wäre man gern Mäuschen gewesen: Vater und Tochter haben sich gemeinsam an einen Tisch gesetzt – zwischen beiden ein Aufnahmegerät. Es gibt viel aufzuarbeiten. Die beiden wollen das Leben ihrer Familie dokumentieren und Geschichten vor dem Vergessenwerden retten. Das Spannende im Roman „Die Unruhigen“der norwegischen Starautorin Linn Ullmann: Es geht um ihre Eltern – Liv Ullmann und Ingmar Bergman, zwei der ganz Großen der Filmwelt. Doch das Tonband-Projekt gerät ins Stocken – nicht nur weil die Ausführungen des Vaters immer wirrer, sprunghafter und unvorhersehbarer werden. Es ist das Scheitern eines Projekts, Ordnung an einem Ort zu stiften, der sich einfacher Deutungen entzieht. Heraus kommt ein wahres Kaleidoskop an Stories und ein Vexierspiel, in dessen Scherben irgendwo so etwas wie Wahrheit stecken muss. Den deutschen Text liest die großartige Schauspielerin Juliane Köhler. (Literaturhaus, 6.6.)
Während bei Ullmann der Schrecken noch subkutan verläuft, werden die Protagonisten im neuen Roman „Von Vögeln und Menschen“von Margriet de Moor schnell handgreiflich. Schauplatz ist die Esplanade vor dem Hauptbahnhof von Amsterdam. Dort treffen zwei Frauen aufeinander, schnell beginnt die Jüngere auf die Ältere einzuschlagen. Und Geschrei zerfetzt die Luft. Dann stürzt eine der beiden Furien in eine Baugrube und stirbt. Es ist ein beklemmendes, starkes Setting, mit dem die Grand Dame der niederländischen Literaturszene ihre Leser fesselt. Unter dem Firnis von Bürgerlichkeit flackert Rohheit und Brutalität auf. Und Gewalt ist für fast jede Familie schicksalshaft. (Literaturhaus, 11.6.)
Sinnsuche ist wichtig, mit Axel Hacke (und der sympathischen Gesellschaft seines stets gut mit Gerstensaft gefüllten Kühlschranks) macht sie besonders großen Spaß. Allerdings muss man tapfer sein, was der „SZ Magazin“-Autor jeweils genau vortragen wird, lässt er sich selbst meist nur sehr ungern entlocken. Und das aus einfachem Grund: Weil er es selbst meistens nicht so genau im Vorfeld weiß. Hackes Prinzip ist, alle seine Texte mit auf die Bühne zu bringen und erst im Laufe des Abends zu entscheiden, welche er vorträgt. Gut möglich, dass er dann mit eher Ernstem aus seinem aktuellen Werk „Über den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen“beginnen wird. Doch was wird folgen? Vielleicht ein Stück aus „Die Tage, die ich mit Gott verbrachte“oder ein, hoffentlich zwei