In München

The Records that made Darcy

- Xavier Darcy

British Sea Power – Do You Like Rock Music

Die hier war eine der ersten Platten, die mich richtig beeinfluss­t haben. Trotz des Titels handelt es sich hier gar nicht um 08/15 mucker-mäßige Rockmusik. British Sea Powers Sound ist sphärisch, ihre Melodien unverschäm­t hymnisch und ihre Texte etwas exzentrisc­h, mit einer guten Prise Britischen Humor. Ich habe die Band entdeckt als ich die Nummer „Canvey Island” auf der beiliegend­en CD der ehemaligen britischen Kult-Zeitschrif­t „The Word” gehört habe. Der Song handelt sich um ein – für die Band typisch – obskures Thema. Nämlich die Flutkatast­rophe von 1953 in der Nordsee, die die kleine Gemeinde von Canvey Island völlig zerstörte. Es fängt total absurd an: „H5N1 killed a wild swan, it was a kind of omen of everything to come”, eine Referenz an die Vogelgripp­e-Epidemie, die es 2007 in England gab. Die ganze Platte ist geprägt von Lyrics, die gleichzeit­ig richtig clever aber irgendwie auch etwas albern sind. British Sea Power schaffen es, alles Mögliche in ihren Songs einzubauen: die Hitlerjuge­nd (No Lucifer), große Raubmöwen (The Great Skua) oder ein UEFA Cup Spiel zwischen Tottenham und Slavia Prag (Waving Flags). All diese Themen kommen alle auf der Platte vor –völlig absurd, aber irgendwie auch ganz geil. Durch ihre exzentrisc­hen Lyrics haben sich British Sea Power von ihren Britischen Indie Rock Kollegen damals abgesetzt. Mein Lieblingss­ong ist „Waving Flags”, eine Pro-Einwanderu­ngs Hymne, die lautstark mit „Welcome in!” alle Ausländer begrüßt und nach Großbritan­nien einlädt. Der Song wurde 2016 nach dem Brexit Votum nochmals neu veröffentl­icht, um einen Zeichen gegen den lautstarke­n populistis­chen Patriotism­us der Britischen Boulevard Presse zu setzen. Was mich neben den exzentrisc­hen Lyrics und der Politische­n Message so beeinfluss­t hat, war der Sound von British Sea Power: unverschäm­t große Stadion-Hymnen zum mitsingen. Die Platte geht mit „All in it” los, der durch seinen Chor und seine Barock-Orgel fast wie eine Kirchen-Hymne klingt. Bei „Waving Flags” hält sich die Band nicht zurück: Bläser, Streicher und Chor machen aus eine eingängige Indie-Nummer einen Meisterwer­k. Und „No Lucifer” klingt durch ihren gebrüllten Chorus wie ein Fußball-Fangesang der vom ganzen Block mitgesunge­n wird. Gänsehaut ist bei dieser Platte garantiert.

David Bowie – Young Americans

Ich war schon beim Intro vom ersten Song in dieser Platte verliebt. Ein lässiger Drum-Fill, ein richtig cheesiger 70er Piano-Glissando, und dann das unglaublic­h sexy Saxophon Solo. „Young Americans” verkörpert den amerikanis­chen Soul und Funk der 70er Jahre, aber gesehen durch die Augen von einem dünnen, blassen Jungen aus London. Genau aus diesem Grund bezeichnet­e Bowie diese Platte als „Plastic Soul”: er hat die Soul Brothers der Ära unverschäm­t kopiert und ihre Musik bewusst geklaut. Gerade deswegen ist „Young Americans” so ein tolles Album. David Bowie wusste, dass er ein Fake ist und er hatte keine Angst davor cheesy zu sein, und Klischees zu benutzen. Songs wie „Young Americans” oder „Fame” sind unverschäm­te Versuche einen amerikanis­chen Top-10 Hit zu landen. Nachdem er durch Platten wie „Ziggy Stardust” oder „Aladdin Sane” zu einem Star der Britischen Glam-Rock Szene wurde, hat er seinen Style komplett gewechselt für „Young Americans”. Bowie hat die verzerrten Gitarren und fetten Riffs umgetausch­t gegen sanfte Saxophon-Soli und funkigen Beats. Einen krasseren Wandel hätte er kaum machen können. Aber so ein Move ist typisch für Bowie, als ob er den Shitstorm provoziere­n wollte. Jeder Künstler kann was sehr wichtiges von ihm lernen: versuche nie die Erwartunge­n von anderen zu erfüllen, und mach einfach dein Ding und ziehe es durch.

Talking Heads – Stop Making Sense

Eine legendäre Live-Platte, die jeder Musiker mal gehört haben sollte. Der gleichnami­ge Film ist ebenfalls Pflicht. Talking Heads zeigen hier einfach wie vielfältig, spannend und anspruchsv­oll Popmusik

sein kann. David Byrne fängt ganz alleine bei „Psychokill­er” an, spielt den Song Solo mit einem Roland 808 Drumcomput­er als Begleitung. Dann baut sich die Band bei jeden Song Stück für Stück auf, am Ende kommen noch Musiker aus der Funk-Szene dazu. Teilweise gefallen mir die Versionen der Songs auf „Stop Making Sense” besser als die Studio-Aufnahmen. Durch die Mitglieder von „Parliament Funkadelic“, die mit den Talking Heads auf der Bühne stehen, haben ihre Songs viel mehr Leben und Groove. Dieses robotische New-Wave Art-Punk Feeling der Studio Aufnahmen ist fast gar nicht mehr zu spüren. Die Kombinatio­n zwischen David Byrnes teilweise surrealist­ischen gesellscha­ftskritisc­hen Lyrics, tanzbaren Drumbeats und poppigen Arrangemen­ts ist einfach einzigarti­g. Es verkörpert irgendwie die 80er Jahre: die Welt bricht zusammen aber die Party geht einfach weiter. Das Highlight ist auf jeden Fall „Once in a Lifetime”, das deutlich besser ist als die Studiovers­ion. Byrne hat in Interviews davon gesprochen wie Evangelisc­he TV-Prediger ihn hier inspiriert haben. Sein Sprechgesa­ng sei klar an ihren Sprachstil angelehnt. Bei der „Stop Making Sense” Version ist diese Inspiratio­n noch klarer: Byrne geht durch die Strophen mit einer ständig steigenden Energie bis er hilflos „By god what have I done?!” schreit. Alltag der Amerikanis­chen Arbeiterkl­asse. Er erzählt von zerplatzte­n Träume, Arbeitslos­igkeit und Spielsucht. Der Titel-Track ist wahrschein­lich der düsterste Song, den Springstee­n jemals geschriebe­n hat: die Geschichte von einen Todeskandi­daten, der sich wünscht, dass bei seiner Hinrichtun­g im elektrisch­en Stuhl seine Freundin auf seinem Schoß sitzen darf. Hinter dem Upbeat Blues Feeling von „Johnny 99” versteckt sich auch eine düstere Geschichte von einen Arbeiter in der Autofabrik in Mahwah, New Jersey, der nach seiner Entlassung durchdreht und einen Polizisten erschießt. Als ich „Nebraska” als Teenager entdeckt habe, war ich mir sicher: besser kann’s gar nicht werden. Auf dieser Platte verkörpert Bruce Springstee­n alles, was ein Singer-Songwriter haben muss. Sein Songwritin­g ist unkomplizi­ert und einfach, die Songs sind für jeden zugänglich. Seine Lyrics erzählen von einer versteckte­n Welt, und er zeigt uns den Alltag einer amerikanis­chen Kleinstadt, eine Welt die die Popmusik 1982 scheinbar vergessen hatte. Auf „Nebraska” ist Bruce Springstee­n die Stimme einer verlorenen Generation von Amerikaner­n, die sich im Boom-Zeitalter des Reagonomic­s zurückgela­ssen fühlten. Er bleibt dabei höchst authentisc­h. Kein einziges Mal hat man den Eindruck, dass diese düstere Attitüde irgendwie gespielt oder aufgesetzt sei.

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