AUSSTELLUNGEN
Postapokalyptische Veranstaltungen, digitale Selbstüberwachung und Geheimagenten
Streng genommen gibt es die Welt, in der wir leben, gar nicht mehr. Sie ist schon mehrfach untergangen. Im Großen wie im Kleinen, in Träumen, in Filmen, in Büchern, in Videospielen und teilweise auch in echt. Ein ganzes Genre zeigt uns, wie es sein wird, wenn nichts mehr ist: knappe Rohstoffe, Klimachaos, politischer Umsturz, Krieg und Krisen. Science-Fiction ist das theoretische Spiel mit dem Untergang. Und gefühlt rückt der Untergang immer näher – zumindest seit Beginn der Moderne. Damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, etablierte sich das Narrativ eines entwurzelten Selbst, das seinen Platz in einer aus den Fugen geratenen Welt verloren hat. Diese postapokalyptischen Erzählungen schaffen Strukturen, indem sie fiktive und faktische, vergangene, gegenwärtige und zukünftige Bedrohungen miteinander verknüpfen. Auf scheinbar zwingend logische Art und Weise. Das ist spannend. Und ziemlich aktuell. Und deshalb startet das Museum Brandhorst eine dreiteilige und jeweils zweitätige Veranstaltungsreihe mit dem schönen langen Titel Postapokalyptischer Realismus. It’s after the end of the world. Don’t you know that? (17. und 18., 24. und 25. März, 30. März und 1. April, sämtliche Infos unter: museum-brandhorst.de). Vorträge, Lesungen, Filme und Diskussionen – so lässt sich das Programm umreißen. Aber natürlich ist es sehr viel mehr, was man schon an der Gästeliste sehen kann. So kommt zum Beispiel die Videokünstlerin Anja Kirschner, die Literaturprofessorin Dana Luciano von der Georgetown University, der Kunsthistoriker Helmut Draxler oder der in Kairo geborene Künstler Hassan Khan.
Seitdem wir große Teile unseres Lebens digitalisiert haben, checken wir uns rund um die Uhr. Wir zählen Kalorien, Schritte, analysieren unser Schlafverhalten, sammeln Orte, Freunde und Mahlzeiten. Das Ziel: Wir wollen uns optimieren. Dafür sind wir überall und immer online und jammern gleichzeitig unserer Privatsphäre hinterher. Was paradox ist, denn zum großen Teil liegt es an einem selbst, wie viel Privatsphäre man sich zugesteht. Freiwillig erzeugen wir eine Flut digitaler Informationen und füttern damit Überwachungssysteme fett und mächtig. Längst nutzen Sicherheitsbehörden, Versicherungen, IT-, Handels- oder Pharmakonzerne die Ergebnisse von Big-Data-Analysen. Daten, die wir heute preisgeben, bestimmen unser künftiges Selbstbild. Denn die Mittel der Datenüberwachung zeigen uns und anderen nicht nur, wo wir uns aktuell befinden. Sie steuern auch, wie wir uns in Zukunft verhalten werden. Kurzum: Sie beeinflussen uns. Wie lässt sich diese Bereitschaft zur Selbstpreisgabe erklären? Und kann man sich dieser Entwicklung entziehen und trotzdem „zeitgemäß“leben? Ein Thema, das uns alle angeht, dessen wir uns aber nicht immer in aller Konsequenz bewusst sind. Das Ausstellungsprojekt No secrets! Reiz und Gefahr digitaler Selbstüberwachung (25. März bis 16. Juli, Katalog) der Eres Stiftung beschäftigt sich mit diesem paradoxen Phänomen. Videos, Fotografie, Installationen und Textilarbeiten – gezeigt werden zehn zeitgenössische Positionen, die sich mit der freiwilligen Selbstüberwachung auseinandersetzen. Mit dabei ist zum Beispiel der in Bangladesch geborene Medien-Künstler Hasan Elahi, der niederländische Programmierer und Künstler Matthias Oostrik, der amerikanische Fotokünstler Trevor Paglen oder auch die britische Künstlerin Susan Morris. Ergänzt wird die künstlerische Sicht der Dinge durch Vorträge. Den ersten hält der Wissenschaftsphilosoph Prof. Dr. Klaus Mainzer am Dienstag, 28. März um 19 Uhr. Titel: „Die Berechnung der Welt. Von der Macht und den Grenzen der Algorithmen und Big Data.“
Die Ausstellung in der EresStiftung wurde gemeinsam mit dem Münchner Stadtmuseum umgesetzt. Und so ist es kein Zufall, dass die neue Ausstellung dort so ähnlich heißt: No secrets!– Bilder der Überwachung (24. März bis 16. Juli, Katalog). Auch hier geht es um Datenberge, die wir anhäufen und die Ziele von Überwachung und Kontrolle sind. Aber nicht nur Geheimdienste generieren Daten aus der Nutzung von Medientechnologien, auch im „Internet der Dinge“werden mediale Ereignisse und Kommunikationen automatisiert ausgewertet, um so das Verhalten des Menschen besser einschätzen und nutzen zu können. Mit einem historischen Rückblick werden verwandte Phänomene staatlicher und privater Raumerfassung und Personenkontrolle zum Thema. Von der Einführung der Straßenbeleuchtung über die Standardisierung der Verbrecherfotografie durch Alphonse Bertillon in den 1880er-Jahren und die Erfassung von Fingerabdrücken ab 1900 bis hin zur heutigen Videoüberwachung. Schwerpunkt der Ausstellung aber sind zeitgenössische Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Video, Malerei, Plakat und Installation. Begleitend zu den beiden Ausstellungen zeigt das Filmmuseum vom 24. März bis 12. April eine Filmreihe mit Spiel- und Dokumentarfilmen. Los geht es am 24. März mit dem Tschechoslowakischen Psychothriller „Das Ohr“(1970) von Karel Kachyna. Und dann gibt es noch Alessandra Schellneggers Fotoserie Einblicke. Hinter den Mauern des BND in Pullach (14. März bis 16. Juli) zu sehen. Die Kabinettausstellung im Forum des Stadtmuseums zeigt die wenig glamouröse Arbeitswelt der Agenten. Ernüchterndes Spionagebeamtentum.