Vorboten des Sommers
Country, Soul und immer wieder Punk in allen Facetten
Performance, Poesie, Politik, und Liebe als Haltung – Candelilla sind immer schon mehr interdisziplinäres Kollektiv als bloße Rockband. Fest steht auch, dass die vier Damen eine unglaublich intensive Live-Präsenz haben, diese Energie wurde von Produzenten-Legende Steve Albini schon beim letzten Album vor vier Jahren gelungen auf Band konserviert. Nun das neue Album „Camping“, aufgenommen in München und Hamburg von Tobias Levin und Hannes Plattmeister: vielleicht etwas weniger Noise dafür mehr Text, markanter Post Punk deutscher Prägung, dynamisch, hintergründig und höchst hörenswert. (15.4. Milla)
Riot-Grrrl-Punk, Blues, Fuzz und Garage Rock: Auch wenn man aus der BankenMetropole St. Gallen in der Schweiz kommt, kann man ein böses Mädchen sein. Besser gesagt drei davon: Die halbschwedischen Schwestern Sophie und Sara Diggelmann und Bassistin Franca Mock haben von zuhause Clapton, Crosby, Stills, Nash & Young und alten Blues mitbekommen, machen seit sie zwölf Jahre alt sind Musik und nennen sich Velvet Two Stripes. Der Name verrät es schon, White Stripes und Velvet Underground standen hier Pate, aber auch The Kills, Yeah Yeah Yeahs oder Deap Vally sind Verwandte. Die neue EP „Got Me Good“wurde von Kooks-Produzent Tim Tautorat im Hansa Studio in Berlin aufgenommen, nun darf man gespannt sein, wie die Schweizer Girls das live präsentieren. (18.4. Milla)
Sie klingen, wie es der Name Friedrich Sunlight bereits verrät: Nach trägen, Martini durchtränkten Nachmittagen am türkisblauen Pool, nach Mädchen mit Pagenköpfen, die sich zu verträumter Musik im Takt wiegen, nach Jungs mit Brille und Vorliebe für Paisley-Hemden und Rickenbacker-Gitarren. Aus dem sonnigen Augsburg machte sich das Quintett im Sommer letzten Jahres nicht nach Kalifornien, wo Sänger Kenji Kitahama her stammt, sondern ins geschichtsträchtige Studio Nord in Bremen auf, um mit Andy Lewis (Spearmint, Paul Weller Band) als Produzent das vorliegende Debütalbum aufzunehmen. Nun kommen sie passend zum Frühling vorbei, um den Sommer schon mal anzukündigen. (16.4. Import Export)
Bereits im vergangenen Jahr veröffentlichten die Kanadier ihr Debütalbum „Princess Flash“in ihrer Heimat, nun erschien das Album endlich auch hierzulande: Die Foreign Diplomats aus Montreal zählen momentan zu den interessantesten Pop Acts mit ihre Mischung aus tanzbarem Elektro-Wave und melodischem Indiepop. Brian Deck (Modest Mouse, The Shins) hat die elf Songs des Debutalbums produziert, die Single „Queen + King“gibt die Richtung schon mal vor, anspruchsvolles Songwriting, das zuweilen stimmlich auch mal Arcade Fire erinnert, ein bisschen Art Pop, ein bisschen New Wave. Die fünf Bandmitglieder fallen besonders durch ihre ansteckende Live Performance auf und haben letztes Jahr auf dem Reeperbahn Festival für Begeisterung gesorgt. (19.4. Milla)
Die neue Konzertreihe „Behind The Green Door“, benannt nach dem gleichnamigen psychedelischen Pornofilm von Artie und James Mitchell von 1972, möchte psychedelische Musik mit erotischen Visuals verbinden. Dazu hat man sich mit Sugar Candy Mountain aus Los Angeles eine Band eingeladen, die einfährt, wie ein „Acidtrip am kalifornischen Strand“. Verspielt, verraucht und verspuhlt klingt das, wenn das Quartett mit seinem Soundtrack in einem Meer aus Klangfarben badet. Mit dabei sind Karaba, die zwischen Psychedelic Rock und Jazz, mal wild-wuchernd, mal sphärisch klingen. (20.4. Import Export)
Spizzenergi nannten sich manchmal auch Spizzoil, Spizz Energi und Athletico Spizz 80 und sind eine legendäre Punkband aus Birmingham, ge-
gründet Ende der 1970er Jahre. Sänger Spizz sprang damals laut Legende bei einem Siouxie and the Banshees-Gig auf die Bühne und schnappte sich ein Mikro, was einen Plattenvertrag einbrachte. John Peel wurde auf die Singles „Where’s Captain Kirk“und „Soldier, Soldier“aufmerksam, danach diverse Umbesetzungen und eben Umbenennungen. In den letzten Jahren gab’s Auftritte bei diversen Punkfestivals und gemeinsame Shows mit Theatre Of Hate und The Rezillos und nun, nach über 35 Jahren, kommt die Band zum allerersten Mal nach München. (21.4. Glockenbachwerkstatt)
Vor sieben Jahre in Esslingen bei Stuttgart als Lo-Fi-Duo gegründet, veröffentlichen Die Nerven, nach diversen Singles, EPs und Download-Alben, 2012 als Punk-Noise-Rock-Trio mit deutschsprachigen Texten das Debüt „Fluidum“. 2014 erscheint mit „Fun“der Nachfolger und wird von Jan Wigger (was macht der eigentlich?) von Spiegel Online als „eine der wichtigsten und besten deutschsprachigen Platten dieses Jahrzehnts“bezeichnet. Julian Knoth (Gesang, Bass), Max Rieger (Gesang, Gitarre) und Kevin Kuhn (Schlagzeug) sind „das vielleicht beste deutsche Trio seit Trio“und spielten Festivals wie Roskilde (DK) und Eurosonic in Groningen (NL), eine IsraelTour, und veröffentlichten als erste deutschsprachige Band auf Amphetamine Reptile Records in den USA. (21.4. Rote Sonne)
Zuerst überlegt man, ob man hingehen soll, dann sucht man nach Ausreden, und später findet man sich sturzbetrunken im Kreise alter Weggefährten alte Gassenhauer singen – so muss es 2015 wohl für Tilman Rossmy und seine Band Die Regierung gewesen sein. Das Berliner Label „Play Loud“hatte anlässlich des 30jährigen Jubiläums des wegweisenden Albums „Supermüll“die Band gebeten, in Originalbesetzung eine kleine Tournee zu spielen und anscheinend hat das so viel Spaß gemacht, dass seit zwei Jahren immer wieder Zugaben gegeben werden. (21.4. Unter Deck)
Auf „The Country Hustle“präsentiert der ewige Troubadour Jeb Loy Nichols einen eklektischen Mix aus Southern Soul, Country, Blues, Funk und Folk, das er obendrein noch erweitert um Dub und Clubsounds aus den Achtzigern und Neunzigern. Also alles, wofür der umtriebige Musiker bereits von seiner Formation Fellow Travellers und diversen Solowerken bekannt ist. Aber: Obwohl seine Kompositionen ganz klar in der Vergangenheit verwurzelt sind, klingen sie auf diesem Album absolut zeitgemäß. Der Reifeprozess, der dem neuen Werk zugrunde liegt, war lang, zum Teil wurde er unterbrochen, weil sich Nichols anderen Dingen wie dem Schreiben widmen wollte. Gerade deshalb markiert „The Country Hustle“ den Beginn ei-ner ganz neuen Schaffensphase, denn Nichols klang nie so fokussiert und ambitioniert. (23.4. Muffatcafé)
Benannt haben sie sich nach einem alten dänischen Märchen und deshalb klingen sie auch märchenhaft, mystisch, magisch und episch: Espen & The Witch kann man bei Gothic bis Post-Rock und Dark Wave einordnen, sie selbst nennen ihre Musik Heavy Atmospheric Rock. Das Trio aus Brighton erschafft einen Zustand von Trance mit schamanischen Trommelklängen, entführt gekonnt in weite Soundlandschaften und verbindet Schönheit mit Gefühl und musikalischer Tiefe zu einer Einheit. Mit ihrem neuen Album „Older Terror“tauchen sie wieder in musikalische Nebelschwaden ein und nehmen ihre Fans gleich mit. (24.4. Milla)
Hier weinen sensibel gestrickte Mädchen und junge Frauen nachts die Kopfkissen voll, im Konzert im ausverkauften Strom hingen sie verträumt am Ärmel ihrer Partner. Es gibt immer noch kein komplettes Album von Cigarettes After Sex (kommt angeblich im Juni), die EP „I“und die Singles „Affection“und „K“wurde zig-millionenfach geklickt und haben dem Brooklyner Projekt um Sänger Greg Gonzalez Kultstatus eingebracht. Zu Recht: selten wurde Slowcore mit einer so eindrucksvollen, androgynen Stimme dargebracht, kein Ton zu viel wird gespielt und mit „Keep On Loving You“von REO Speedwagon gibt es auch noch die wohl beste Coverversion der letzten Jahre als Zugabe obendrauf. (26.4. Technikum)