Radio Nukular
Satirekraft für die Jetztzeit, veredelt in schonungsloser Rückschau
Um die schrille Gegenwart besser beurteilen zu können, empfiehlt der Historiker ja gerne mal den Rückblick. Urban Priol, der zauselige Polit-Clown aus dem Fränkischen, ist schon so alt, dass man sich auf seine wirren Weltweisheiten eigentlich doch getrost verlassen kann. Er hat das Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt hautnah miterlebt. Dann legte er schnell einen anderen Gang ein, ließ das Taxifahren sein und beschloss, zeitgleich mit dem Dicken, dem BirneHelmut, Kabarett zu machen. Seitdem ist viel Zeit ins Land gezogen. Priol hat 16 Jahre Kohl überstanden, sieben Jahre Schröder und eine in eine unbestimmte Zukunft reichende Ära Merkel. Der Elchtest war dabei. Das PrivatTV wurde erfunden. Irgendwo ist eine Mauer umgekracht. „Gestern heute morgen“blickt zurück. (Lustspielhaus, 31.5. bis 2.6.)
Natürlich gibt’s auch schon lange den anderen Gwamperten, den in der Birne immer noch flinken Otti Fischer. Unter dem blutdruckschonenden Motto „Jetzt noch langsamer“meldet auch er sich mal wieder für eine Rückschau zurück. Zusammen mit Leo Gmelch, dem kongenial skurrilen Tubisten, erzählt er, wie für ihn alles anfing. Und natürlich muss improvisiert werden. Aber bei Otti hört man eben immer gerne zu. (Fraunhofer, 2.6., einen Tag später auch mit großer „Die Heimatlosen“-Besetzung, 3.6.)
Irgendwie haben unlängst auch der multitalentierte Musikkritiker, Regisseur und NachtmixDJ Karl Bruckmaier und Wilfried Petzi, seines Zeichens Fotograf, zusammengefunden. Beide eint nicht nur die gemeinsame Liebe zum Pop, von dem Bruckmaier gerne auch mal herrlich komisch erzählen kann, sondern die gemeinsame Herkunft aus dem Landkreis Rottal-Inn. Das kann heiter werden. (Fraunhofer, 1.6.)
Wo Berge sind, sind Abgründe. Das wissen nicht nur die Tiroler ganz genau. Andreas Vitásek kommt aus den Alpen, um später dann zunächst Tuchhändler, dann Rundfunkredakteur und seit längerem natürlich ein scharfer Zeitgeistbeobachter zu werden. Sein neues Programm „Grünmandl oder Das Verschwinden des Künstlers“hat er dem großen Kabarettisten, Volksschauspieler und Schriftsteller Otto Grünmandl gewidmet. Alles allerdings versehen mit der zutiefst abgründigen, sehr unverwechselbaren, weil gerne mal bitterbösen Vitásek-Handschrift. (Lachund Schießgesellschaft, 7.6.)
„Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“Das sagte Humboldt. Klang schön, ist aber falsch, meint zumindest Patrick Salmen. Er ist davon überzeugt, dass der Hippie Humboldt einfach in einer sonder-
baren Zeit und vor allem nicht im Ruhrgebiet gelebt hat. Salmens Variation der klassischen Maxime lautet nämlich: „Das Leben an sich ist großartig, Menschen hingegen eine unschöne Begleiterscheinung.“Eigentlich bleibt nur eine Alternative zur feigen Anpassung: den bedingungslosen Rückzug auf den eigenen Balkon. Von dort oben kann man die Menschheit als das betrachten, was sie Salmen zufolge ist, ein Marktplatz der Merkwürdigkeiten. (Lustspielhaus, 4.6.)
Jacques Palminger, Heinz Strunk und Rocko Schamoni vom zurecht beinahe weltberühmten Studio Braun haben sich zuletzt ebenfalls sehr rar gemacht. Vermutlich auch sie aus gutem Grund. Doch jetzt halten es die Herren vom norddeutschen Exzellenz-Cluster (unbescheidene Selbsteinschätzung) nicht mehr auf den durchgefurzten Sofas aus. Sie ziehen wieder durch die Lande – rechtzeitig zur anstehenden Werkschau „Drei Farben Braun“, die im Herbst erscheinen wird. Mitbringen werden die Studiomitglieder psychedelische Gag-Avantgarde und bislang unveröffentlichtes High-Class-Humor-PerformanceSpitzenmaterial. Das ist übrigens auch eine unbescheidene Selbsteinschätzung. Doch so wie man die Drei kennt, werden sie recht haben. (Volkstheater, 2.6.)
Da wo das Studio Braun heute steht, wären Max Nachtsheim, Dominik Hammes und Christian Gürnth von Radio Nukular auch schon länger gerne. Obwohl: Eigentlich gibt es die anarchisch-freche Truppe, die immer noch auf das solide Fundament von gefährlichem NerdHalbwissen baut, schon seit 25 Jahren. Behaupten die Herren jedenfalls. Nun wird in einem Live-Podcast auf der Bühne, bei der das Publikum mitpöbeln darf, der Beweis erbracht, wie spontan, aber auch wie frivol sie wirklich sind. (Freiheiz, 1.6.)
Angeberei hat Bernhard Ludwig gar nicht nötig, ist er doch längst einer der ganz Großen. Er setzt mit „Anleitung zum lustvoll Leben: Wir sind Nobelpreis“seine mitfühlende Dakann-man-was-lernen-Reihe fort. Diesmal verrät er, wie man mit den Schrecken der Menscheit – Herzinfarkt, Übergewicht, Burnout – souverän lächelnd fertig wird. Außerdem hat Ludwig ein verführerisches Versprechen mitgebracht: „Damit Ihr Leben nicht nur länger, sondern auch besser wird, gibt es im zweiten Teil ein Sexprogramm mit vielen Schmunzlern und Aha-Erlebnissen!“Man darf sehr gespannt sein. (Lustspielhaus, 6.6.)
Ein Routinier, der sich Mätzchen verkneifen kann, ist zum Glück ja auch Jess Jochimsen, der sich dieser Tage angemessen bejubeln lässt: Immerhin gilt es ja, sein 25-jähriges Bühnenjubiläum zu feiern. Und dabei ziehen unter anderem Helmut Schleich, Luise Kinseher, Michael Altinger, Alex Liegl, Hannes Ringlstetter und Unsere Lieblinge mit. Lohnt sich also allemal. Mit ausgewählten Texten, Liedern und den gefürchteten schrägen Dias zieht Jochimsen stolz eine erste Schaffensbilanz. Und da dürfen dann natürlich auch seine bayerischen Hippie-Eltern, Renate und Eberhard und der traurige Frosch nicht fehlen. (Lach- und Schießgesellschaft, 29.5.)
Ein sehr privates Jubiläum wollte eigentlich Massimo Rocchi, der Schweizer Komiker mit den italienischen Wurzeln, feiern: seien 60.! Aber dann kam es doch, wie es halt immer passiert: Es zog ihn auf die Bühne. Nun serviert er zum Festtag Klassiker aus Massimos Ideenküche. (Lach- und Schießgesellschaft, 5. bis 8.6.)
Noch weit entfernt vom großen runden 60er ist Frank Eilers, der aber trotzdem schon ins Grübel gekommen ist. „Männer 2.0 – Das neue schwache Geschlecht“nennt der gerade mal End-Zwanzigjährige sein aktuelles Bühnenprogramm. Immerhin steckt der gute Mann in der Klemme: Er weiß nicht, was man von ihm erwartet. Und auch nicht, was er selber will. Nur alkoholfreies Bier und selbstverständlich Tofu kommt ihm auf keinen Fall auf den Tisch. (Schlachthof, 7.6.)
Unerhörte Klangmagie, rumpelfreie Arrangements, lala und dudu, die Zeit vergeht im Nu! Nach ihrem ersten Programm „Männer satt“machen sich die vier Opernsänger von CantoSonor mit ihrem Pianisten nun über ihr ureigenstes Metier her. „Oper? von wegen!“ist der ultimative Liebesbeweis, denn was sich liebt, das neckt sich. Jeder gegen jeden, aber es muss doch miteinander gehen. Dabei wird kein Auge trocken bleiben und das Publikum kommt auf mehr als seine Kosten. Das wird versprochen. (Hofspielhaus, 1.6.)
Bleibt zum Abschluss, sich einen Ruck für Die Münchner Zauberwochen zu geben, die Jahrestagung der Jungfrauenzersäger und Kaninchenentferner (5. bis 11.6.). Ein echter Höhepunkt dabei ist die Soloshow von Marcel Kösling, der der bangen Frage nachgeht, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen Abhörskandalen, internationalen Krisenherden und Nuss-Nougat-Creme. Solche Fragen muss man erst einmal stellen. (Theater Und so fort, 7.6.)