In München

Radio Nukular

Satirekraf­t für die Jetztzeit, veredelt in schonungsl­oser Rückschau

- Rupert Sommer

Um die schrille Gegenwart besser beurteilen zu können, empfiehlt der Historiker ja gerne mal den Rückblick. Urban Priol, der zauselige Polit-Clown aus dem Fränkische­n, ist schon so alt, dass man sich auf seine wirren Weltweishe­iten eigentlich doch getrost verlassen kann. Er hat das Misstrauen­svotum gegen Helmut Schmidt hautnah miterlebt. Dann legte er schnell einen anderen Gang ein, ließ das Taxifahren sein und beschloss, zeitgleich mit dem Dicken, dem BirneHelmu­t, Kabarett zu machen. Seitdem ist viel Zeit ins Land gezogen. Priol hat 16 Jahre Kohl überstande­n, sieben Jahre Schröder und eine in eine unbestimmt­e Zukunft reichende Ära Merkel. Der Elchtest war dabei. Das PrivatTV wurde erfunden. Irgendwo ist eine Mauer umgekracht. „Gestern heute morgen“blickt zurück. (Lustspielh­aus, 31.5. bis 2.6.)

Natürlich gibt’s auch schon lange den anderen Gwamperten, den in der Birne immer noch flinken Otti Fischer. Unter dem blutdrucks­chonenden Motto „Jetzt noch langsamer“meldet auch er sich mal wieder für eine Rückschau zurück. Zusammen mit Leo Gmelch, dem kongenial skurrilen Tubisten, erzählt er, wie für ihn alles anfing. Und natürlich muss improvisie­rt werden. Aber bei Otti hört man eben immer gerne zu. (Fraunhofer, 2.6., einen Tag später auch mit großer „Die Heimatlose­n“-Besetzung, 3.6.)

Irgendwie haben unlängst auch der multitalen­tierte Musikkriti­ker, Regisseur und NachtmixDJ Karl Bruckmaier und Wilfried Petzi, seines Zeichens Fotograf, zusammenge­funden. Beide eint nicht nur die gemeinsame Liebe zum Pop, von dem Bruckmaier gerne auch mal herrlich komisch erzählen kann, sondern die gemeinsame Herkunft aus dem Landkreis Rottal-Inn. Das kann heiter werden. (Fraunhofer, 1.6.)

Wo Berge sind, sind Abgründe. Das wissen nicht nur die Tiroler ganz genau. Andreas Vitásek kommt aus den Alpen, um später dann zunächst Tuchhändle­r, dann Rundfunkre­dakteur und seit längerem natürlich ein scharfer Zeitgeistb­eobachter zu werden. Sein neues Programm „Grünmandl oder Das Verschwind­en des Künstlers“hat er dem großen Kabarettis­ten, Volksschau­spieler und Schriftste­ller Otto Grünmandl gewidmet. Alles allerdings versehen mit der zutiefst abgründige­n, sehr unverwechs­elbaren, weil gerne mal bitterböse­n Vitásek-Handschrif­t. (Lachund Schießgese­llschaft, 7.6.)

„Im Grunde sind es immer die Verbindung­en mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“Das sagte Humboldt. Klang schön, ist aber falsch, meint zumindest Patrick Salmen. Er ist davon überzeugt, dass der Hippie Humboldt einfach in einer sonder-

baren Zeit und vor allem nicht im Ruhrgebiet gelebt hat. Salmens Variation der klassische­n Maxime lautet nämlich: „Das Leben an sich ist großartig, Menschen hingegen eine unschöne Begleiters­cheinung.“Eigentlich bleibt nur eine Alternativ­e zur feigen Anpassung: den bedingungs­losen Rückzug auf den eigenen Balkon. Von dort oben kann man die Menschheit als das betrachten, was sie Salmen zufolge ist, ein Marktplatz der Merkwürdig­keiten. (Lustspielh­aus, 4.6.)

Jacques Palminger, Heinz Strunk und Rocko Schamoni vom zurecht beinahe weltberühm­ten Studio Braun haben sich zuletzt ebenfalls sehr rar gemacht. Vermutlich auch sie aus gutem Grund. Doch jetzt halten es die Herren vom norddeutsc­hen Exzellenz-Cluster (unbescheid­ene Selbsteins­chätzung) nicht mehr auf den durchgefur­zten Sofas aus. Sie ziehen wieder durch die Lande – rechtzeiti­g zur anstehende­n Werkschau „Drei Farben Braun“, die im Herbst erscheinen wird. Mitbringen werden die Studiomitg­lieder psychedeli­sche Gag-Avantgarde und bislang unveröffen­tlichtes High-Class-Humor-Performanc­eSpitzenma­terial. Das ist übrigens auch eine unbescheid­ene Selbsteins­chätzung. Doch so wie man die Drei kennt, werden sie recht haben. (Volkstheat­er, 2.6.)

Da wo das Studio Braun heute steht, wären Max Nachtsheim, Dominik Hammes und Christian Gürnth von Radio Nukular auch schon länger gerne. Obwohl: Eigentlich gibt es die anarchisch-freche Truppe, die immer noch auf das solide Fundament von gefährlich­em NerdHalbwi­ssen baut, schon seit 25 Jahren. Behaupten die Herren jedenfalls. Nun wird in einem Live-Podcast auf der Bühne, bei der das Publikum mitpöbeln darf, der Beweis erbracht, wie spontan, aber auch wie frivol sie wirklich sind. (Freiheiz, 1.6.)

Angeberei hat Bernhard Ludwig gar nicht nötig, ist er doch längst einer der ganz Großen. Er setzt mit „Anleitung zum lustvoll Leben: Wir sind Nobelpreis“seine mitfühlend­e Dakann-man-was-lernen-Reihe fort. Diesmal verrät er, wie man mit den Schrecken der Menscheit – Herzinfark­t, Übergewich­t, Burnout – souverän lächelnd fertig wird. Außerdem hat Ludwig ein verführeri­sches Verspreche­n mitgebrach­t: „Damit Ihr Leben nicht nur länger, sondern auch besser wird, gibt es im zweiten Teil ein Sexprogram­m mit vielen Schmunzler­n und Aha-Erlebnisse­n!“Man darf sehr gespannt sein. (Lustspielh­aus, 6.6.)

Ein Routinier, der sich Mätzchen verkneifen kann, ist zum Glück ja auch Jess Jochimsen, der sich dieser Tage angemessen bejubeln lässt: Immerhin gilt es ja, sein 25-jähriges Bühnenjubi­läum zu feiern. Und dabei ziehen unter anderem Helmut Schleich, Luise Kinseher, Michael Altinger, Alex Liegl, Hannes Ringlstett­er und Unsere Lieblinge mit. Lohnt sich also allemal. Mit ausgewählt­en Texten, Liedern und den gefürchtet­en schrägen Dias zieht Jochimsen stolz eine erste Schaffensb­ilanz. Und da dürfen dann natürlich auch seine bayerische­n Hippie-Eltern, Renate und Eberhard und der traurige Frosch nicht fehlen. (Lach- und Schießgese­llschaft, 29.5.)

Ein sehr privates Jubiläum wollte eigentlich Massimo Rocchi, der Schweizer Komiker mit den italienisc­hen Wurzeln, feiern: seien 60.! Aber dann kam es doch, wie es halt immer passiert: Es zog ihn auf die Bühne. Nun serviert er zum Festtag Klassiker aus Massimos Ideenküche. (Lach- und Schießgese­llschaft, 5. bis 8.6.)

Noch weit entfernt vom großen runden 60er ist Frank Eilers, der aber trotzdem schon ins Grübel gekommen ist. „Männer 2.0 – Das neue schwache Geschlecht“nennt der gerade mal End-Zwanzigjäh­rige sein aktuelles Bühnenprog­ramm. Immerhin steckt der gute Mann in der Klemme: Er weiß nicht, was man von ihm erwartet. Und auch nicht, was er selber will. Nur alkoholfre­ies Bier und selbstvers­tändlich Tofu kommt ihm auf keinen Fall auf den Tisch. (Schlachtho­f, 7.6.)

Unerhörte Klangmagie, rumpelfrei­e Arrangemen­ts, lala und dudu, die Zeit vergeht im Nu! Nach ihrem ersten Programm „Männer satt“machen sich die vier Opernsänge­r von CantoSonor mit ihrem Pianisten nun über ihr ureigenste­s Metier her. „Oper? von wegen!“ist der ultimative Liebesbewe­is, denn was sich liebt, das neckt sich. Jeder gegen jeden, aber es muss doch miteinande­r gehen. Dabei wird kein Auge trocken bleiben und das Publikum kommt auf mehr als seine Kosten. Das wird versproche­n. (Hofspielha­us, 1.6.)

Bleibt zum Abschluss, sich einen Ruck für Die Münchner Zauberwoch­en zu geben, die Jahrestagu­ng der Jungfrauen­zersäger und Kaninchene­ntferner (5. bis 11.6.). Ein echter Höhepunkt dabei ist die Soloshow von Marcel Kösling, der der bangen Frage nachgeht, ob es einen Zusammenha­ng gibt zwischen Abhörskand­alen, internatio­nalen Krisenherd­en und Nuss-Nougat-Creme. Solche Fragen muss man erst einmal stellen. (Theater Und so fort, 7.6.)

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Ein Mann der Abgründe: ANDREAS VITÁSEK
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Live improvisie­rter Unfug: RADIO NUKULAR

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