Abgründe in Serie
Gelungene Geschichten aus England, Frankreich und Bayern
Als beste deutsche Serie wurde Hindafing (Euro Video) von Regisseur Boris Kunz angekündigt, da hängt die Messlatte schon mal hoch. Wenn Hauptprotagonist Bürgermeister Alfons Zischl sein Crystal Meth schnupft, hat das auch wenig mit Schnupftabak-Orgien im Bierzelt zu tun, klar wird auch gesoffen, aber das nur nebenher. Zischl, glaubwürdig verkörpert von Maximilian Brückner, der bereits in “Mörderisches Tal – Pregau“beweisen konnte, dass der Ex-Tatort-Kommissar auch Charakterköpfe spielen kann, ist ein skrupelloser Karrierist mit einem ganzen Dorf als Spielfeld. Leider ist er nicht so richtig erfolgreich: Ein Windpark stellte sich als Millionengrab heraus und in seinem geplanten Bio-Supermarkt-Einkaufscenter sollen per Dekret von Regierung und Partei Flüchtlinge einziehen. Umgeben von wahnwitzigen Charakteren, gelungen besetzt mit Andreas Giebel und Heinz-Josef Braun, um nur zwei zu nennen, manövriert sich Zischl von einem Abgrund in den nächsten, schafft es aber doch irgendwie die heikelsten Situationen zu überstehen. Auch „Fargo in Bayern“war zu lesen, irgendwie alles richtig, bitte mehr davon! Dass in Frankreich ein parteiloser Staatspräsident gewählt wurde, sagt einiges über die Politik- und Parteienverdrossenheit des Landes aus. Gut, das konnten die Drehbuchautoren von Baron Noir (Studiocanal) nicht vorhersagen, aber sonst wirkt die Politserie aus dem Nachbarland doch sehr realistisch. Die Figur, um die sich hier alles dreht, ist Philippe Rickwaert, gespielt von Kad Merad, den viele als Hauptdarsteller von „Willkommen bei den Sch‘tis“kennen dürften, wo er sehr komisch einen Post-Filialleiter aus Südfrankreich spielte, der in die nördliche Region Nord-Pas-de-Calais strafversetzt wird. Als linker Bürgermeister des ebenfalls nordfranzösischen Dunkerque versucht er in „Baron Noir“nach einem Finanzskandal seine politische Reputation wieder herzustellen. Parallelen zu den Politserien „House Of Cards“und „Borgen“sind offensichtlich und auch wenn man sich in französischer Politik nicht so gut auskennt, wird man spannend und klug unterhalten. In der Mystery-Serie The Frankenstein Chronicles (WVG Medien) von Regisseur und Drehbuchautor Benjamin Ross steht der erfahrene Inspector John Marlott, dargestellt von Sean Bean, im Mittelpunkt des Geschehens am Anfang des 19. Jahrhunderts in London. Marlott bekommt bald einen besonderen Fall zugeteilt: Anscheinend verübt jemand an Kindern chirurgische Experimente mit Todesfolgen, der Roman „Frankenstein“von Mary Shelley dient anscheinend als Vorlage. Für den von Syphilis und Trauer um Frau und Tochter geplagten Marlott tun sich schon bald Abgründe der Londoner Unterwelt zwischen Kinderbanden, Leichendieben, Zuhältern und Bettlern auf und auch die edle Ärzteschaft scheint in den Fall verstrickt zu sein. Beste Unterhaltung mit düsterem Unterton und einem überraschenden Ende.