In München

Rachel Kushner

- Jonny Rieder

Telex aus Kuba (Rowohlt)

Kuba in den 50ern. Es brodelt. Castros Guerillas bekämpfen die Diktatorka­rikatur Batista, Darling der US-Mafia, die das Zentrum Havannas in ein tropisches Las Vegas verwandelt hat, während sich an den Randbezirk­en kilometerw­eit Slums breitmache­n, „ohne Elektrizit­ät oder fließendes Wasser und mit rauchig-typhösen Müllfeuern.“Batista ist ein Tropen-Gaddafi, eine Figur, wie sie Sacha Baron Cohen hätte erfinden können. „Die Rebellen ergriffen die Macht, und währenddes­sen spielte er im Präsidente­npalast Canasta, mit Hilfe seiner Berater, die hinter den anderen Spielern standen und ihm heimlich signalisie­rten, was für Karten sie hatten.“Viele Amerikaner gehen nach Kuba, um ihre zweite Chance zu nutzen oder etwas Distanz zum Arm des Gesetzes zu gewinnen. Kushners Roman erzählt diese Zeit der ständigen Umbrüche aus der Perspektiv­e zweier Kinder. Beide entstammen relativ privilegie­rten Verhältnis­sen. Ihr Blick auf die Geschehnis­se ist neugierig und detailfreu­dig, aber auch seltsam distanzier­t und nostalgisc­h. Das Interesse der Autorin ist fast soziologis­ch. Über ihre Figuren wird Kuba zum Labor für das komplexe Mit- und Gegeneinan­der gesellscha­ftlicher Klassen und Schichten in einem labilen System, das jeden Moment aus den Fugen gerät.

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