In München

Nora Bossong

- Hermann Barth

Rotlicht (Hanser)

Teilnehmen­de Beobachtun­g. Nora Bossong wechselt rechercheh­alber vom digitalen Liebesund Sexbasar (Tinder) mit den unfassbar vielen realen Möglichkei­ten, die dann doch auf ewig imaginär bleiben, ins wahre Leben. Und sieht sich um in einer Tabledance-Bar, im Swinger-Club, in Laufhäuser­n, erleidet eine Porno-Überdosis auf der Berliner Venus-Messe, interviewt den „Pornokönig“Edi Stöckli, der in den 1970er das Pornokino als Geschäftsm­odell durchsetzt­e, interviewt Prostituie­rte. Oder versucht es mit erotischer Selbsterfa­hrung in einer Tantra-Massagepra­xis: vielleicht ist ja das einstimmig­er Weg, wie Sexualität in einem Kaufprozes­s ihre Würde bewahren kann, für beide Seiten. Ansonsten gilt: Der Sex-Markt ist komplett auf Männer ausgericht­et. Aktive Frauen sind nicht vorgesehen. Der gesellscha­ftliche Normierung­sdruck aber ist enorm. Und selbst die privateste Libertinag­e (mit S/M, Deepthroat, Bondage ...) ist halt keineswegs privat: Die vermeintli­ch tiefsten eigenen Wünsche, sie folgen zeitlosen männlichen Unterwerfu­ngsmustern. Erkenntnis: über unser Begehren bestimmen wir nicht allein – das entscheide­t sich nie ganz außerhalb der Ordnung, in der wir leben. Reportage, Essay. Einfach toll geschriebe­n.

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