*AHRE (ORROR
(EINZ 2EDMANN
Ein Theatermann mit Herz und Seele – und mit einem Temperament, ohne das ein Überleben nicht möglich gewesen wäre. Vor 50 Jahren hatte sich Heinz Redmann, der eigentlich ausgebildeter Operetten-Sänger war, mit Freunden zusammengesetzt und eine Lücke entdeckt – Kindertheater, mit Leidenschaft auf die Bühne gebracht. Dieses Feuer züngelt in ihm immer noch hoch. Jeden Tag steht Intendant Redmann im ehrwürdig patinierten Theater in der Dachauer Straße seinen Mann – und schnauzt auch mal sehr beherzt seine Bühnentechniker herum. Richtig ungehalten bleibt er dabei nie lange. Nur für sein 50Jahre-Jubiläum mit dem Münchner Theater für Kinder wollte er sich doch nicht richtig feiern lassen. Wir haben es trotzdem versucht.
Herr Redmann, 50 Jahre Theaterchef. Hätten Sie jemals gedacht, dass aus Ihren Kindertheater-Anfängen zusammen mit Freunden einmal ein Lebenswerk werden würde?
Nein, hätte ich nie. Es waren 50 Jahre Horror!
Wirklich? Jetzt machen Sie Spaß, oder?
Ja, ja. Es war nicht immer einfach. Was wir in 50 Jahren mitgemacht haben, war eine Katastrophe.
Sie spielen auf die vielen Schwierigkeiten an?
Kein Geld haben wir bekommen. Keine Unterstützung. Es war schlimm, man kann es nicht anders sagen. Eigentlich hätte ich immer wieder zusperren wollen. Wir hatten anfänglich nur zwei Vorstellungen gemacht. Mit einem Minimum an Geld stellte ich damals Dekorationen auf die Bühne. Für nichts waren die Mittel da – etwa um sich ein paar Kostüme schneidern zu lassen.
Aber Sie sind doch kein Mann, der sich leicht einschüchtern und bremsen lässt.
So viel Idealismus ist nicht mehr vorhanden. Gut, wir haben jetzt den Vorteil, dass das Theater nun eine GmbH ist. Seit zwei Jahren bin ich deren Geschäftsführer. Das gibt mir ein wenig Sicherheit. Sonst wäre es nicht mehr
weitergegangen. Die Kosten sind dermaßen explodiert – und zwar kreuz und quer. Hier habe ich erst kürzlich 2.500 Euro an den TÜV zahlen müssen – und dann war’s trotzdem verkehrt. Die Herren kommen dann nach 14 Tagen wieder – und wollen schon wieder ein paar Euro obenauf. Es ist wirklich eine Katastrophe.
Man merkt es, dass Sie sich eigentlich lieber mit anderen als technischen und finanziellen Themen als Intendant herumschlagen würden.
(lacht) Die ewige Sorge ums Geld macht einen manchmal narrisch. Die Gerichtsvollzieher hatten wir oft sogar während der Vorstellung im Haus. Die sind dann immer hoch ins Büro und haben meine Leute dort zusammengeschimpft. Bis ich gesagt habe: Schickt sie mal zu mir runter!
Sie verstecken sich nicht.
Keinesfalls. Wir hatten aber auch gute Gerichtsvollzieher – mit viel Verständnis. Außer einem Haufen Mahngebühren ist dann doch nie viel passiert. Wir haben ja immer gezahlt. Ich muss halt als erstes immer an die Schauspieler denken, dann kommen die nächsten dran, die bezahlt werden. Aber mittlerweile ist mir das egal. Ich bin jetzt selber angestellt – und die GmbH muss sich um die Rechnungen kümmern.
Erleichtert? Schon. Jetzt haben wir aber auch alles Schlechte rausgelassen. Nun können wir uns ja mal dem Schönen widmen.
Es gibt ja Generationen von Münchnern, die gerne in Ihr Haus kommen – vielleicht sogar nicht nur mit ihren Kindern, sondern schon mit ihren Enkeln.
Es gibt sogar Großmütter, die schon selbst als Kind gerne hier waren.
So viel Liebe und Zuspruch muss Sie doch auch über harte Phasen hinweg wieder aufrichten.
Aber ja, sicher! Ich habe allerdings im Verhältnis wenig Kontakt mit dem Publikum. Bei den Vorstellungen bin ich zwar vor Ort und bekomme mit, wie begeistert die Leute sind. Das freut mich natürlich. Was so ein Haus aber außen herum an Arbeit mit sich bringt, das bekommt man im Zuschauerraum gar nicht mit. Wir beschäftigen ja bis zu 50 Leute. Und auch obwohl wir jetzt eine GmbH sind, haben wir natürlich weiter zu kämpfen.
Jetzt fangen Sie schon wieder an ...
Es geht am Theater halt immer um die Frage, ob man das Geld am Ende des Monats aufbringen kann. Es ist schon schwierig.
Haben Sie das anfangs ein wenig unterschätzt, als Sie erstmalig Theatermacher werden wollten?
Na ja, das hatte man damals nicht so sehr auf dem Schirm. Ich war frisch von Engagements zurück. Vorher stand ich ja drei Jahre lang am RainmundTheater in Wien auf der Bühne. Ich war in Detmold und in Regensburg. Nach all der Zeit am Theater saßen wir eines Abends zusammen und überlegten, was wir in München machen können. Als wir mit Kindertheater auf die Bühne gingen, war die Nachfrage gut. Doch schon im zweiten Jahr wurde alles viel größer – und damit auch teurer. Mit aufwändigem Bühnenbild und mehr Schauspielern. Auch das dritte Jahr war nicht leicht. Es braucht eben einige Zeit, bis man seine wichtigen Erfahrungen gemacht hat. Damals hatten wir auch mehr Glück, muss man sagen.
Inwiefern?
Es gab einfach mehr Zusammenhalt in der Stadt. Und mehr Austausch. Da haben uns die Werkstätten der Kammerspiele schon mal mit einer Bühnendekoration geholfen. Oder andere mit den Kostümen. Die Leute waren offener und hilfsbereiter.
Die Theaterfreunde der Stadt zählen Sie manchmal in einem Atemzug mit den Hausherrn der „großen Bühnen“auf. Wurmt es Sie manchmal, dass Sie trotzdem nicht ganz dazu gehören?
Es gab immer wieder Tiefs, deswegen ärgert mich so etwas weniger. In den 70er Jahren wurden wir auch schon stark angegriffen. Weil wir angeblich kein politisches Theater machen. Doch darum geht es hier doch gar nicht. Es
geht darum, dass die Kinder einfach mal zwei Stunden Spaß haben. Da hat Erziehung von oben herunter oder Maßregeln mit dem erhobenen Zeigefinger auf der Bühne keinen Platz. Es geht darum, die Kinder zu unterhalten und mitzureißen – für eine indirekte Botschaft ist da immer noch genug Raum.
Und das funktioniert auch mit jungen Menschen, die angeblich ständig an ihren Computerspielen und Handys hängen?
Na klar. Sie kommen wieder ins Theater – gar kein Problem. Als in den 80er Jahren das Privatfernsehen groß wurde, kam so eine Diskussion auch schon mal auf. Die Kinder sind alle zu uns zurückgekehrt.
Man muss Theater schon in echt erleben.
Aber ja. Mit-Erleben, Mit-Erleben, MitDabei-Sein – mitten im Geschehen. Darum geht’s!
Man sagt ja manchmal, Kinder seien ein dankbares, aber auch ein recht anspruchsvolles Publikum.
Dankbar – freilich! Aber es ist wichtig, dass man sie mit guten Stoffen fesselt. Es gibt so viele schlimme Stücke, in denen keine Handlung, keine Spannung drinsteckt. Deswegen ist es auch schwer, ein geeignetes Stück zu finden – oder selbst eins zu schreiben. Die meisten Stücke, die mir angeboten werden, kann ich gar nicht verwenden. Die wurden nicht von Theaterleuten geschrieben, sondern von literarischen Autoren, bei denen ich dann erst einmal fast alles umarbeiten muss. Ein Stück muss eine Handlung haben. Es muss aufregend sein. Und es muss viel Action drinstecken. Auch Effekte müssen kommen – einfach Theater eben!
Bis dahin, dass der arme Fuchs dann auch auf offener Bühne schön heftig mit dem Besen verprügelt wird.
Aber sicher. (lacht) Es muss einfach Spektakel sein. Auch beim Bühnenbild: Wir wollen keine weißen Wände haben. Manchmal reichen ja ein paar Pinselstriche – und schon wird die Phantasie der Kinder angeregt.
Wie sehr fühlen Sie sich eigentlich als Familienvater des Betriebs?
Die Verantwortung ist groß. Auf die jungen Schauspieler muss man schon aufpassen – und mit ihnen kämpfen. Sie stellen sich teilweise etwas anders vor. Da muss man aber durch. Bei uns sind die ersten acht Wochen, wenn die Spielzeit wieder anläuft, harte Arbeit. Viele Premieren – entweder man macht das, oder man geht eben nicht zum Theater.
Zwei Vorstellungen pro Tag, mehrere Stücke pro Woche. Die Knochenarbeit kennen Sie ja aus eigenen Bühnenzeiten selber.
Ich habe viel gespielt. Früher habe ich manchmal in Regensburg Abendvorstellungen gemacht – und unter Tags stand ich hier im eigenen Theater auf der Bühne. Das ist schon was. Aber die Schauspieler, die wir haben, kennen das auch nicht anders. Zunächst gibt es halt viele Proben, weil wir mit vielen neuen Stücken rauskommen. Dann wechseln sich aber auch Aufführungstage und Freizeiten ab. Man muss halt zwei Ensembles haben, die im Wechsel spielen. So schlimm ist es dann doch nicht.
Junge Schauspieler müssen bei Ihnen aber schon auch mal früh aufstehen.
Es gibt halt die Frühvorstellung morgens um neun – für die Schüler. Klar: Viele, die ans Theater wollen, kennen so was gar nicht. Aber Aufstehen gehört zur Arbeit. Um 15.00 Uhr ist dann oft die zweite Aufführung. Und dann kann’s auch mal sein, dass ich für 19.00 Uhr eine Generalprobe ansetze. Manche Tage bei uns sind schon happig. Aber da muss man durch. (lacht) Wir haben das früher auch geschafft.
Woher ziehen Sie eigentlich Ihre Energie? Was ist der schönste Lohn?
Ach ja. Man macht es halt. Es muss ja sein. Und von etwas leben muss man schließlich auch.
In Ihrem Theater wird ja nicht nur brav applaudiert. Es wird ja auch mit den Füßen getrampelt – wenn das Stück gut ankam.
Richtig. Schöne Momente. Apropos: Erhobener Zeigefinger. Darüber, wie man Kinderund Jugendtheater in München macht, wird ja derzeit wieder viel diskutiert – etwa wegen des Intendantenwechsels an der Schauburg.
Man kann Theater nicht gegen das Publikum machen. Wir schon gar nicht. Wir sind auf den freien Verkauf angewiesen. Vor allem die Schulen sind für uns wichtig. Mal läuft es ein Jahr lang besser, mal ein Jahr lang schlechter. Das hängt oft ganz individuell von den Stücken ab. Mal geht es in einer Spielzeit prima, dann wieder nicht so gut. Vor drei Jahren lief „Der Zauberer von Oz“wirklich nicht ordentlich, zuletzt war er wieder sehr nachgefragt. Vorhersagen kann man das leider nicht. Wenn ein Stück zwei Jahre abgesetzt war und ich es dann wieder auf den Spielplan nehme, läuft es häufig überraschenderweise sehr gut. Es ist ein ewiges Auf und Ab.
Häufig wurde zuletzt – ein bisschen akademisch – diskutiert, dass man Kinder fordern, vielleicht sogar ein wenig überfordern müsse.
Wissen Sie: Etwas Pädagogisches findet sich in jedem Stück – aber oft etwas versteckt. Jedes der Stücke, die wir spielen, hat einen Sinn und einen Gehalt. Aber eben nicht so penetrant. Unser Renner, die „Zauberflöte“, läuft seit 40 Jahren. Oder auch „Das Gespenst von Canterville“. Auch „Die Schatzinsel“ist ein schweres, großes Stück – für die Kinder ab acht Jahren. Im Herbst kommt bei uns „Der fliegende Teppich“. Es sind immer zehn oder elf Stücke, die wir draufhaben.
Eine besondere Hochsaison für Sie ist dann doch die Zeit um Weihnachten, oder?
Es geht halt im Oktober richtig los – und läuft dann bis März/April gut. Danach haben wir schon zu knabbern. Die Kinder sind heutzutage länger in der Schule – und bleiben dann noch in der Nachmittagsbetreuung. Wenn’s dann wärmer wird, spüren wir das schon sehr. Aber wenn an einem Wochentag am Nachmittag nur 100 Kinder kommen, sind wir zufrieden.
Ist der Fußballverein der natürliche Feind des Theatermachers?
Um Gottes willen. Nein. Kinder, die ins Theater gehen wollen, weil es ihnen großen Spaß macht, die kommen schon ganz von selbst.
Interview: Rupert Sommer