3ACHLICHE 2OMANZE
$AS +UNSTFOYER ZEIGT 0ETER +EETMANS FOTOGRAFISCHES ,EBENSWERK
Gestorben ist er 2005, geboren wurde er 1916. Im zweiten Weltkrieg war er bei den Eisenbahnpionieren, wurde schwer verletzt und verlor sein linkes Bein. Gleich am Anfang der Ausstellung hängt ein Bild von Peter Keetman, das sein Fotografenfreund Wolfgang Reisewitz gemacht hat: Keetman sitzt auf einem Holzbänkchen vor einer Mauer. In den Händen hält er zwei Krücken, der Kopf liegt auf dem übrig gebliebenen Knie. Sein Gesicht sieht man nicht, aber das leere Hosenbein. Das hat der Krieg aus uns gemacht. Lange her scheint das zu sein. Und doch trifft man in der Ausstellung eine Frau mit Rollator, die lange vor dem zerbombten Münchenbild steht und dann erzählt: „Da entlang bin ich immer zur Schule gegangen. Ich weiß noch, wie das damals ausgesehen hat.“Beide Bilder sind 1948 entstanden. In diesem Jahr besuchte Keetman einen Meisterkurs an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen in München und einen Meisterkurs bei Lazi in Stuttgart. Und begann, als Freiberufler zu arbeiten. Ein Jahr später gründete er zusammen mit Siegfried Lauterwasser, Wolfgang Reisewitz, Toni Schneiders, Otto Steinert und Ludwig Windstosser die avantgardistische Gruppe „fotoform“. Keetman beschrieb ihre Motivation so: „Was wir wollen, ist: den Konservativismus brechen, etwas Neues überzeugend bieten, den Leuten die Augen öffnen. Ich bin bestimmt alles andere als ein Fanatiker, aber wir wollen keine flaue Sache unter unserem neuen Namen.“Und dann ging es los mit der Karriere. Keetman wurde einer der bekanntesten und berühmtesten Fotografen der Nachkriegszeit. Über 360 Bilder zeigt die Ausstellung „Peter Keetman. Gestaltete Welt.“im Kunstfoyer, und man versteht sofort, was Keetman meint, wenn er vom „Augen öffnen“spricht. Er war mit seiner Kamera unterwegs, um die Welt in der Welt zu entdecken. Formen, Linien, Muster, Strukturen – er sah und fotografierte, was die einen nicht sahen und woran die anderen vorbeihasteten, weil sie keine Zeit hatten hinzusehen. Natur- und Bewegungsstudien, fotografische Experimente, Industriefotografie – Keetman war einer der innovativsten und vielfältigsten Fotografen der Nachkriegszeit. Sein Blick war sachlich und poetisch. Als er 1953 das VW-Werk in Wolfsburg besuchte, fotografierte er natürlich auch Arbeiter bei der Arbeit. Eigentlich aber hat er eine ästhetisch vollkommen eigenständige Parallelwelt erschaffen, die mit VW nur noch bedingt zu tun hatte. „Hinterachsen-Kegelräder für das Differential“heißt zum Beispiel ein Bild. Und natürlich sind HinterachsenKegelräder zu sehen, sogar bildfüllend. Aber eigentlich sieht man etwas ganz anderes. Man sieht die Lust an der formalen Idee, die zur poetischen Abstraktion transformiert. Die Realität ist das eine. Aber was man in ihr zu erkennen vermag, ist das Eigentliche. Und so sind Keetmans Bilder nicht nur das, was sie zu sein scheinen. Seine Bilder haben etwas Grundsätzliches, das er zwar in diesem einen Moment findet, das aber immer über diesen Moment hinausweist. Egal, ob er vereiste Schilfstengel fotografiert, Wassertropfen, Lichtreflexe, russische Bauern, Katzen, Baustellen oder Menschen im Park. Und diese Gewissheit, dass die Welt sich nicht in diesem einem Bild erschöpft, macht seinen Blick besonders. Nächste Kuratorenführung am 28. und 29. Juli, jeweils um 11, 13 und 15 Uhr.