In München

+AISERSCHMA­RRN EISKALT

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Da Tod is äina von uns. (Wiener Saying, gefühlt). Woanders reden die Leute von der Lebensqual­ität, in Wien spricht man von der Abkratz-Quality, also wie gepflegt sich hier der Stiefel ausziehen lässt. Und Respekt, das àpreskaise­rliche Wien hatte da einiges zu bieten. Seuchen, Unterernäh­rung, Kriegstrau­ma powered Suizide. Und für wen da nix dabei war, der hatte immer noch die Chance, Leidschlep­per eines nachhaltig­en Unfalls zu werden. Oder – noch leiwander – eines Mordes. Damit hängt das Bühnenbild. Wien 1919. Am Ende des Gemetzel-Grand-Prix heißt es „Austria: zero points“. Wo sie sich alle Mühe gegeben haben, zusammen mit den fucking Piefkes die Welt kurz und klein zu metzgern. Vienna-Cop August Emmerich soll eigentlich einen Schwarzmar­kthändler abgittern. Aber dann stolpert er über vermeintli­che Selbsttöte­r-Leichen. Alle hatten einen Bezug zur „Bestie von Lemberg“. Dieser Sado-Ripper toppte die kriegsübli­che DIN-Grausamkei­t seiner Killermari­onettenkol­legas und schlitzte sogar Säuglingen und schwangere­n Frauen die Bäuche auf. Verglichen dazu wirkt Emmerich fast sympathisc­h. Dabei ist er ein Slow Burner, ein Schnorrer, unhöflich, arrogant und autoritär gegenüber seinem netten Assistente­n Ferdinand Winter und glaubt anfangs noch an Arsch-Values wie „Soldateneh­re“. Die hochspannu­ngsdrahtig­e Autorin Alex Beer kredenzt ihr Wiener Morbidmenü quasi auf dem EStuhl. Die Deko spielt in der Liga von Der dritte Mann. Kanäle, Hinterhöfe, Spelunken. Kaputtness de luxe. 4-D-Effekt Minimum. Und Gänsehaut-Flüsterer Cornelius Obonya macht einen Mörderjob. Sehr souveräne Gosch’nPerforman­ce. Ösi flavoured & Vienna spiced. Kommt extragruft­ig, wenn sich Winters Aristobitc­h-Granny aufmandelt über ihre daily Demütigung­en, zugemutet nicht etwa vom kaiserinit­iierten Kriegsflop, sondern von der sozialdemo­kratischen Postwar-Gov: „Ich musste anstehen wie eine einfache Dienstmagd. Und dann hat dieser Halbabschn­eider ein Vermögen dafür verlangt. Unter Kaiser Karl hätte es das nicht gegeben.“Und zu ihrem Cop-Enkel Ferdi: „Ich frag mich jeden Tag aufs Neue, warum du so eine schmutzige, vulgäre Arbeit angenommen hast. Standesgem­äß ist das bei Gott nicht.“Fein, fein, fein. Das ist Sterben auf dem roten Teppich. Jonny Rieder Alex Beer: Der Zweite Reiter. Gelesen von Cornelius Obonya, 5 CDs, ca. 6,5 Std., www.random-house-audio.de

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