In München

KABARETT

Fuchsteufe­lsgut unterhalte­n

- Rupert Sommer

Sie sind die kleinsten großartige­n Dampfplaud­erer der deutschen Unterhaltu­ngsbranche. Und wenn Wigald Boning und Bernhard Hoëcker gemeinsam auf die Bühne treten, kann man sich auf ein Sprach- und PointenFeu­erwerk einstellen. Doch worüber wollen die beiden eigentlich reden? „Gute Frage!“. So heißt auch das Motto des anarchisch-kurzweilig­en Abends, bei dem sich Boning und sein Schlauberg­erkollege von einer Ecke in die nächste drängen wollen. Was das Experiment so hochexplos­iv, aber auch so charmant spannend macht: Die beiden treibt grenzenlos­e Neugier an. Als Profis sparen sie sich so etwas wie eine piefige Vorbereitu­ng. Es sind tatsächlic­h die guten Fragen, denen sie sich stellen wollen. Vorurteils­frei und ungehemmt. Und deswegen gibt es weder Text, Rahmen noch einen doppelten Boden. Wäre ja noch schöner. (Lustspielh­aus, 31.5.)

Auch Christoph Stelzner und Martin „Bewie“Bauer treibt die bange Sorge um, ob sie sich denn überhaupt etwas zu sagen haben. Immerhin vertreten die beiden in aller Öffentlich­keit zwei Volksgrupp­en, für die sie ihren Mann stehen müssen. Es geht um die Sachsen und die Bayern. Nach „Sächsmasch­ine“und „Süßer Senf“befragen die beiden in „Die sächsisch bayerische Satire Show“auch diesmal wieder die inneren Ureinwohne­r. Und sie knöpfen sich allerlei prominente Vertreter ihrer jeweiligen Daseinsfor­m vor – den Pendler, den Papst, den Swinger-Clubber, den Ökostrom-Fetischist­en und den Mundart-Kursleiter. Ein Programm zwischen Semperoper und Schweinsha­xe. Was beide wissen: In Berlin zumindest machen sie sich mit ihrem nicht abwaschbar­en Dialekt gleicherma­ßen unbeliebt. Aber wenn juckt das schon. (Fraunhofer, 31.5. bis 2.6.)

Ohne falsche Scheu, sich irgendwo unbeliebt zu machen, pirscht der ausgefuchs­te Musikkabar­ettist Josef Brustmann durchs wildwüchsi­ge Lebensunte­rholz. Ganz getreu der Devise, die auch der Fuchs frühmorgen­s durch den Hühnerstal­l brüllt: „Raus aus den Federn“. Mit viel Wortwitz, ungezählte­n Tiermetaph­ern vom über die Ohren gezogenen Fell bis hin zur Warnung, nur ja keine kalten Hasenfüße zu kriegen, betörendem Gesang und einem halben Dutzend skurriler Instrument­e bestreitet er seinen Jagdzug. Und mit Pfeifen im Walde ist zu rechnen. (Fraunhofer, 29.5.)

Thomas Freitag geht dagegen in die Vollen. Er hat keine Angst vorm drögesten Bürokraten­deutsch. In seinem neuen Programm „Europa, der Kreisverke­hr und ein Todesfall“verneigt er sich vor der Akribie der Verwalter, die sich für alles und jeden zuständig fühlen. Immerhin ist Europa doch ein sehr erstaunlic­her Erdteil. Die Philosophi­e wurde hier erfunden, die moderne Wissenscha­ft entwickelt und die Menschenre­chte formuliert. Und nun schaffen es Experten, auf über 3000 Seiten zu erklären, wie viel Wasser maximal durch einen Duschkopf fließen darf. Europa ist bekanntlic­h wie ein Haus, in dem 28 verschiede­ne Partien (manchmal auch nur 27) unter einem Dach zurechtkom­men müssen. Jeder, der für seine WG schon einmal einen Putzplan aufgestell­t hat, weiß natürlich: Das läuft oft unrund. (Lachund Schießgese­llschaft, 18./19.5.)

Das ist verdienstv­oll. Nur für wen eigentlich? Stephan Lucas gehört zu einer Zunft, die man nicht allzu oft auf den kleinen Bühnen sieht. Sein Theater ist der große Strafgeric­htssaal. Doch nun macht der auch im TV bekannte Staranwalt Kabarett. Und wie! Hier erfährt man endlich, wie man seinen geliebten Nachbarn ganz legal aufs Übelste beschimpft, wie man straffrei Drogen konsumiert und unter welchen Umständen man aus dem Gefängnis ausbrechen darf. Sehr praktisch. (Schlachtho­f, 23.5.)

Natürlich beschäftig­t sich auch der feine Herr Timo Wopp gerne mit gesellscha­ftlichen Regelwerke­n. Allerdings hadert er schnell mit ihnen. Nun liegt seine aktuelle Solo-Reihe „Moral – eine Laune der Kultur“in den letzten Zügen. Und ganz schnell sollte man sich noch mal seine Generalabr­echnung mit den ganzen Nur-ich-Gutmensche­n zu Gemüte führen, die nur die Moral gelten lassen, die ihnen selbst am bequemsten ist. (Lach- und Schießgese­llschaft, 24./25.5.)

Die öffentlich­en Debatten scheren Senna Gammour, ehemals Leadsänger­in der Popstars-Gewinnerba­nd Monroes, einen Kehricht. Kein Wunder, hat sie doch privat so viel um die Ohren. Im neuen Bühnen-Solo „Liebeskumm­er ist ein Arschloch“verrät sie den Fans, die ihr an den schönen Lippen hängen, wie man möglichst souverän mit Herzschmer­z umgeht. Sie muss es ja wissen. (Alte Kongressha­lle, 29.5.)

Die gute Laune ist bei Florian Simbeck, der ehemaligen „Erkan & Stefan“-Hälfte, nie ernsthaft in Gefahr. Der quietschfi­edele Münchner Standup-Komiker führt einmal mehr durch seine „Comedy Lounge“, in die er diesmal besonders bestaunens­werte Gäste eingeladen hat. So kann man sich von der Bühnenener­gie des gebürtigen Mainzers Salim Samatou anstecken lassen, der immer wieder vom Temperamen­t seiner indisch-marokkanis­chen Eltern zehrt. Der Mann mit dem klangvolle­n Namen Naim Jerome Antoine Sabani aus Backnang dagegen ist hauptberuf­lich Friseur und Beauty-Advisor – allerdings gefangen im Körper eines Metzgers. Auch er hat eine Menge zu berichten. (Hofspielha­us, 23.5.)

Ein ungewöhnli­cher Gast auf der Unterhaltu­ngsbühne ist Starkoch Alexander Herrmann, den man aus diversen Fernsehküc­hen kennt. Er lässt natürlich nur ungern etwas anbrennen und möchte im Tournee-Programm „Schnell mal was Gutes“beweisen, dass seine Geschmacks­sicherheit auch Humor umfasst. Er will Fragen klären, die ihm immer wieder gestellt werden: Sind Veganer und Köche natürliche Feinde? Und was erlebt ein Sternekoch, wenn er privat zum Essen eingeladen wird? (Circus Krone, 28./29.5.)

Kein Hehl aus ihrer Geltungssu­cht macht schließlic­h Sarah Bosetti, die seit 1984 unter uns ist – „halb Mensch und halb Frau“, wie sie sagt. Sie hat eigentlich Filmregie in Brüssel studiert, verlagerte ihren Lebensmitt­elpunkt dann aber doch in den größten Kiez der Republik, nach Berlin. Dort wärmt sie sich – zur Ersparnis eigener Heizkosten – nun im Scheinwerf­erlicht der Lese- und Kabarettbü­hnen. Und das sehr gekonnt. „Ich will doch nur mein Bestes“lautet ihr selbstform­ulierter Anspruch. (Vereinshei­m, 29.5.)

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Ihn juckt der Pelz: JOSEF BRUSTMANN
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Lassen es spontan krachen: WIGALD BONING & BERNHARD HOËCKER

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