KABARETT
Fuchsteufelsgut unterhalten
Sie sind die kleinsten großartigen Dampfplauderer der deutschen Unterhaltungsbranche. Und wenn Wigald Boning und Bernhard Hoëcker gemeinsam auf die Bühne treten, kann man sich auf ein Sprach- und PointenFeuerwerk einstellen. Doch worüber wollen die beiden eigentlich reden? „Gute Frage!“. So heißt auch das Motto des anarchisch-kurzweiligen Abends, bei dem sich Boning und sein Schlaubergerkollege von einer Ecke in die nächste drängen wollen. Was das Experiment so hochexplosiv, aber auch so charmant spannend macht: Die beiden treibt grenzenlose Neugier an. Als Profis sparen sie sich so etwas wie eine piefige Vorbereitung. Es sind tatsächlich die guten Fragen, denen sie sich stellen wollen. Vorurteilsfrei und ungehemmt. Und deswegen gibt es weder Text, Rahmen noch einen doppelten Boden. Wäre ja noch schöner. (Lustspielhaus, 31.5.)
Auch Christoph Stelzner und Martin „Bewie“Bauer treibt die bange Sorge um, ob sie sich denn überhaupt etwas zu sagen haben. Immerhin vertreten die beiden in aller Öffentlichkeit zwei Volksgruppen, für die sie ihren Mann stehen müssen. Es geht um die Sachsen und die Bayern. Nach „Sächsmaschine“und „Süßer Senf“befragen die beiden in „Die sächsisch bayerische Satire Show“auch diesmal wieder die inneren Ureinwohner. Und sie knöpfen sich allerlei prominente Vertreter ihrer jeweiligen Daseinsform vor – den Pendler, den Papst, den Swinger-Clubber, den Ökostrom-Fetischisten und den Mundart-Kursleiter. Ein Programm zwischen Semperoper und Schweinshaxe. Was beide wissen: In Berlin zumindest machen sie sich mit ihrem nicht abwaschbaren Dialekt gleichermaßen unbeliebt. Aber wenn juckt das schon. (Fraunhofer, 31.5. bis 2.6.)
Ohne falsche Scheu, sich irgendwo unbeliebt zu machen, pirscht der ausgefuchste Musikkabarettist Josef Brustmann durchs wildwüchsige Lebensunterholz. Ganz getreu der Devise, die auch der Fuchs frühmorgens durch den Hühnerstall brüllt: „Raus aus den Federn“. Mit viel Wortwitz, ungezählten Tiermetaphern vom über die Ohren gezogenen Fell bis hin zur Warnung, nur ja keine kalten Hasenfüße zu kriegen, betörendem Gesang und einem halben Dutzend skurriler Instrumente bestreitet er seinen Jagdzug. Und mit Pfeifen im Walde ist zu rechnen. (Fraunhofer, 29.5.)
Thomas Freitag geht dagegen in die Vollen. Er hat keine Angst vorm drögesten Bürokratendeutsch. In seinem neuen Programm „Europa, der Kreisverkehr und ein Todesfall“verneigt er sich vor der Akribie der Verwalter, die sich für alles und jeden zuständig fühlen. Immerhin ist Europa doch ein sehr erstaunlicher Erdteil. Die Philosophie wurde hier erfunden, die moderne Wissenschaft entwickelt und die Menschenrechte formuliert. Und nun schaffen es Experten, auf über 3000 Seiten zu erklären, wie viel Wasser maximal durch einen Duschkopf fließen darf. Europa ist bekanntlich wie ein Haus, in dem 28 verschiedene Partien (manchmal auch nur 27) unter einem Dach zurechtkommen müssen. Jeder, der für seine WG schon einmal einen Putzplan aufgestellt hat, weiß natürlich: Das läuft oft unrund. (Lachund Schießgesellschaft, 18./19.5.)
Das ist verdienstvoll. Nur für wen eigentlich? Stephan Lucas gehört zu einer Zunft, die man nicht allzu oft auf den kleinen Bühnen sieht. Sein Theater ist der große Strafgerichtssaal. Doch nun macht der auch im TV bekannte Staranwalt Kabarett. Und wie! Hier erfährt man endlich, wie man seinen geliebten Nachbarn ganz legal aufs Übelste beschimpft, wie man straffrei Drogen konsumiert und unter welchen Umständen man aus dem Gefängnis ausbrechen darf. Sehr praktisch. (Schlachthof, 23.5.)
Natürlich beschäftigt sich auch der feine Herr Timo Wopp gerne mit gesellschaftlichen Regelwerken. Allerdings hadert er schnell mit ihnen. Nun liegt seine aktuelle Solo-Reihe „Moral – eine Laune der Kultur“in den letzten Zügen. Und ganz schnell sollte man sich noch mal seine Generalabrechnung mit den ganzen Nur-ich-Gutmenschen zu Gemüte führen, die nur die Moral gelten lassen, die ihnen selbst am bequemsten ist. (Lach- und Schießgesellschaft, 24./25.5.)
Die öffentlichen Debatten scheren Senna Gammour, ehemals Leadsängerin der Popstars-Gewinnerband Monroes, einen Kehricht. Kein Wunder, hat sie doch privat so viel um die Ohren. Im neuen Bühnen-Solo „Liebeskummer ist ein Arschloch“verrät sie den Fans, die ihr an den schönen Lippen hängen, wie man möglichst souverän mit Herzschmerz umgeht. Sie muss es ja wissen. (Alte Kongresshalle, 29.5.)
Die gute Laune ist bei Florian Simbeck, der ehemaligen „Erkan & Stefan“-Hälfte, nie ernsthaft in Gefahr. Der quietschfiedele Münchner Standup-Komiker führt einmal mehr durch seine „Comedy Lounge“, in die er diesmal besonders bestaunenswerte Gäste eingeladen hat. So kann man sich von der Bühnenenergie des gebürtigen Mainzers Salim Samatou anstecken lassen, der immer wieder vom Temperament seiner indisch-marokkanischen Eltern zehrt. Der Mann mit dem klangvollen Namen Naim Jerome Antoine Sabani aus Backnang dagegen ist hauptberuflich Friseur und Beauty-Advisor – allerdings gefangen im Körper eines Metzgers. Auch er hat eine Menge zu berichten. (Hofspielhaus, 23.5.)
Ein ungewöhnlicher Gast auf der Unterhaltungsbühne ist Starkoch Alexander Herrmann, den man aus diversen Fernsehküchen kennt. Er lässt natürlich nur ungern etwas anbrennen und möchte im Tournee-Programm „Schnell mal was Gutes“beweisen, dass seine Geschmackssicherheit auch Humor umfasst. Er will Fragen klären, die ihm immer wieder gestellt werden: Sind Veganer und Köche natürliche Feinde? Und was erlebt ein Sternekoch, wenn er privat zum Essen eingeladen wird? (Circus Krone, 28./29.5.)
Kein Hehl aus ihrer Geltungssucht macht schließlich Sarah Bosetti, die seit 1984 unter uns ist – „halb Mensch und halb Frau“, wie sie sagt. Sie hat eigentlich Filmregie in Brüssel studiert, verlagerte ihren Lebensmittelpunkt dann aber doch in den größten Kiez der Republik, nach Berlin. Dort wärmt sie sich – zur Ersparnis eigener Heizkosten – nun im Scheinwerferlicht der Lese- und Kabarettbühnen. Und das sehr gekonnt. „Ich will doch nur mein Bestes“lautet ihr selbstformulierter Anspruch. (Vereinsheim, 29.5.)