Gemeindetag fordert vom Land Klarheit bei Finanzen
Regierung soll sich noch vor der Landtagswahl äußern
- Von drei ganz großen Fragezeichen hat Gemeindetagspräsident Roger Kehle am Freitag in Stuttgart gesprochen: Eins steht für den künftigen Finanzpakt mit dem Land, eins für den zügigen Ausbau an leistungsfähigen Internet–Anschlüssen im Land, ein weiteres für die Kosten, die auf die Gemeinden in Bezug auf die steigende Zahl an Flüchtlingen zukommen. „Es gibt keine Planungssicherheit für die Gemeinden, wenn diese Fragen nicht geklärt sind“, so Kehle bei der Vorstellung des aktuellen Gemeindefinanzberichts.
Die Sozialausgaben
Die Städte und Gemeinden konnten im Jahr 2014 zum vierten Mal in Folge einen Überschuss erwirtschaften. Dieser sank im Vorjahresvergleich aber um 289 Millionen Euro auf 422 Millionen Euro. Für das laufende Jahr rechnet Kehle mit einem weiteren Rückgang auf rund 200 Millionen Euro. „Die Sozialausgaben steigen weiter an und das bei derzeit ausgezeichneter Konjunktur“, sagte Kehle. Unter anderem die Kleinkindbetreuung und die Tariferhöhungen in den Erziehungsberufen „reißen Löcher in die Kommunalfinanzen“, so Kehle weiter. Das sei Geld, das für dringende Investitionen in die Infrastruktur fehle.
Noch vor der Landtagswahl wolle er in Finanzverhandlungen mit der Landesregierung eintreten. Schließlich laufe der Finanzpakt mit dem Land aus, die Schuldenbremse komme, der Solidaritätszuschlag laufe 2019 aus. „Es ist ein Märchen zu sagen, niemand behandelt seine Kommunen so gut wie Baden-Württemberg“, schließlich flössen zum Teil Gelder zurück an die Gemeinden, die ihnen das Land durch die Finanzausgleichsumlage zuvor abgenommen habe – und einen Gutteil davon für den Landeshaushalt verwende. Da vom Land bisher kein Signal in Richtung Finanzverhandlungen vor der Landtagswahl komme, baut Kehle Druck auf, wenn er sagt: „Dann läuft der Vorwegabzug eben aus.“
Der Schuldenstand in den Kernhaushalten der Gemeinden, Stadtund Landkreise sank 2014 weiter um 288 Millionen und lag bei rund 5,9 Milliarden Euro. Auch die Verschuldung der Eigenbetriebe ist gesunken, und zwar um rund 14 Millionen auf etwa 7,66 Milliarden Euro. In Summe sinkt dadurch die Pro-KopfVerschuldung im Land um 37 Euro auf 1270 Euro. Bei den Kreditmarktschulden und Kassenkrediten belegt Baden-Württemberg mit 665 Euro je Einwohner im Bundesvergleich zudem einen Spitzenwert. Schlusslicht hier ist das Saarland mit 3645 Euro. Kehle kritisierte, dass gerade solche Länder, die kontinuierlich ihr Konto überzögen, freiwillige Leistungen wie kostenfreie Kindergartenplätze anböten.
Die Flüchtlingsfrage
Mit Blick auf den gewaltigen Zustrom an Flüchtlingen sagte Kehle: „Das muss man vom Ende her denken. Wir müssen davon ausgehen, dass sehr viele, die zu uns kommen, auch bleiben.“Und für diese sogenannte Anschlussunterbringung nach Abschluss des Asylverfahrens sind die Kommunen zuständig. „Die Anschlussunterbringung wird uns unglaubliche Schwierigkeiten bereiten“, so Kehle. Die 60 Millionen Euro, die das Land den Kommunen hierfür freiwillig zur Verfügung stellt, reichten bei weitem nicht. Schließlich sei bei der Berechnung von 14 000 Flüchtlingen ausgegangen worden. „Aber diese Zahl wird sich mindestens versechsfachen.“Auch hierüber müsse mit Land und Bund gesprochen werden.
Der gesunkene Flächenverbrauch im Land, den das Verkehrsministerium am Donnerstag vorgestellt hat, begrüße auch er. „Aber wir befinden uns in einer Krisensituation und werden mehr bauen müssen“, sagte Kehle mit Verweis auf die steigenden Asylbewerberzahlen.
Der Breitband-Ausbau
Der Ruf der Wirtschaft nach leistungsfähigen Internet-Anschlüssen werde ebenfalls immer lauter, erklärte Kehle in Stuttgart. Die Gemeinden arbeiteten an interkommunalen Lösungen. Kreise, die bereits BackboneTrassen – sozusagen die Hauptschlagadern – errichteten, sprächen von gesamthaften Kosten deutlich über 100 Millionen Euro. „Es gibt Förderung von Bund und Land, aber es bleiben viele Millionen, vielleicht Milliarden an den Kommunen hängen“, so Kehle. Auch hier forderte er mehr Engagement vonseiten der Politik.