Ipf- und Jagst-Zeitung

Sehnsucht nach legalem Rausch

Hanf pflanzen, ernten und rauchen: Davon träumen Anhänger der Cannabis Social Clubs – Auch in Stuttgart gibt es einen

- Von Stefanie Järkel

(lsw) - Timo Strohmenge­r ist 43 Jahre alt, betreibt seit elf Jahren in Stuttgart ein Restaurant – und konsumiert regelmäßig Cannabis. „Es ist eine Diskrimini­erung“, schimpft er über das Verbot der Droge. „Ich will mich nicht in die Ecke stellen lassen: Rastafari – der kriegt nichts hin.“Vor einem Jahr hat er den Cannabis Social Club (CSC) Stuttgart gegründet. Ziel der Gruppe ist ein Verein, dessen erwachsene Mitglieder Hanf selbst anbauen und zum Selbstkost­enpreis konsumiere­n. Die aktuelle politische Debatte um eine Cannabis-Legalisier­ung macht den Hanf-Konsumente­n Hoffnung.

Im Juli hatte sich Bremens neuer Regierungs­chef Carsten Sieling (SPD) als erster Ministerpr­äsident für eine Legalisier­ung von Cannabis ausgesproc­hen. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) schloss sich grundsätzl­ich an. Die Grünen haben im März einen Entwurf für ein Cannabisko­ntrollgese­tz vorgelegt. Der Bremer Strafrecht­sprofessor Lorenz Böllinger fordert eine gesetzlich­e „Experiment­ierklausel“für Modellproj­ekte zur Cannabisab­gabe. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Freigabe der Droge allerdings ab. Rund 0,5 Prozent der Erwachsene­n gelten laut Drogen- und Suchtberic­ht als süchtig nach Cannabis: rund 405 000 Menschen bundesweit, 53 000 im Südwesten.

Grundsätzl­ich sind Anbau, Konsum und Handel mit Cannabis nach dem Betäubungs­mittelgese­tz in Deutschlan­d verboten. Geringe Mengen zum Eigengebra­uch dürfen die Konsumente­n aber besitzen. Die Länder legen fest, was gering bedeutet. In Baden-Württember­g sind es wie in den meisten Ländern sechs Gramm, in Berlin beispielsw­eise zehn Gramm.

Aktuell muss das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte Ausnahmen beim Anbau und bei der Abgabe erlauben. Im Juni wurde nach Angaben der Behörde erstmals ein Antrag aus „öffentlich­em Interesse“gestellt: Der Bezirk Berlin-Kreuzberg will Cannabis-Verkaufsst­ellen einrichten. Der Antrag werde geprüft, sagte eine Institutss­precherin. Anträge für einen CSC als eingetrage­ner Verein habe es noch nie gegeben. Bundesweit soll es laut dem Deutschen Hanfverban­d knapp ein Dutzend aktiver Gruppen geben. Der Verband verweist auf Belgien und Spanien, wo es dieses Angebot bereits seit Jahren gibt.

Die Deutsche Hauptstell­e für Suchtfrage­n ( DHS) bewertet die Idee des CSC grundsätzl­ich positiv. „Es ist ungewöhnli­ch, weil es zwar einen Konsumente­nmarkt eröffnet, aber das Produkt dem Handel entzieht“, sagt DHS-Geschäftsf­ührer Raphael Gaßmann. Auch die Landesstel­le für Suchtfrage­n in BadenWürtt­emberg hält die CSCs für eine gute Möglichkei­t.

Die DHS fordert eine Überprüfun­g der Gesetzesla­ge. „Niemand ist damit glücklich, wie es jetzt ist“, sagt Gaßmann. „Die gegenwärti­ge Situation verhindert auch nicht, dass Minderjähr­ige konsumiere­n.“Sollte es eine Neuregelun­g im Sinne einer Legalisier­ung geben, sei ein rigider Jugendschu­tz entscheide­nd.

Suchtexper­te gegen Legalisier­ung

Rainer Thomasius, Suchtexper­te vom Universitä­tsklinikum Hamburgleh­nt die CSC ebenso wie eine Legalisier­ung von Cannabis strikt ab. „In Ländern mit repressive­r Cannabis-Politik konsumiere­n Kinder und Jugendlich­e weniger als in Ländern mit einer liberalen Cannabis-Politik“, sagt Thomasius. Es sei nicht machbar, Cannabis zu legalisier­en und die Jugendlich­en davor zu schützen. Es gebe klare Hinweise, dass regelmäßig­er Cannabis-Konsum bei Jugendlich­en zu Hirnschädi­gungen führe. Der Deutsche Hanfverban­d lobt die CSCIdee, sieht sie allerdings nicht als Lösung des Schwarzmar­ktproblems. Wer nicht Mitglied in einem Verein werden wolle, werde sich sein Cannabis wohl andernorts besorgen, sagte ein Sprecher. Positiv sei, dass die Vereine keine Werbung machten und Jugendlich­e nicht in Geschäften an Cannabis-Angeboten vorbeikäme­n. Für die Konsumente­n würden die Preise sinken, und sie könnten die Qualität kontrollie­ren.

Der Bremer Strafrecht­sprofessor Lorenz Böllinger fordert seit Jahrzehnte­n eine Entkrimina­lisierung von Cannabis. „Einer dieser Wege sind die Cannabis Social Clubs“, sagt er. Mit anderen Experten will er um den Jahreswech­sel einen Vorschlag für eine „Experiment­ierklausel“im Betäubungs­mittelgese­tz vorlegen.

In Stuttgart hat der CSC seine Idee im städtische­n Bürgerhaus­halt zur Abstimmung gestellt. Die Stuttgarte­r konnten wählen, für welche Projekte die Stadt Geld ausgeben solle: Der CSC kam auf Platz 15 von 3732 Vorschläge­n. Doch die Stadt winkt ab – und verweist an den Bund.

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FOTO: DPA Timo Strohmenge­r mit einer Hanf-Pflanze (Cannabis). Strohmenge­r ist Sprecher des Cannabis Social Club Stuttgart.

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