Mit Mozart auf der Flucht
Biberacherin Cornelia Lanz setzt ihr Opernprojekt mit Flüchtlingen fort: „Zaide“in Augsburg
(KNA) - Die ungewöhnliche Idee und die Beharrlichkeit einer jungen Sängerin trägt Früchte: Vor einem Jahr hat die in Biberach aufgewachsene Sopranistin Cornelia Lanz in Oggelsbeuren bei Biberach mit syrischen Flüchtlingen eine Oper inszeniert. Das war „Così fan tutte“. Damit war das ungewöhnliche Ensemble quer durch die Republik unterwegs. Nun ist das zweite Projekt abgeschlossen: Beim Friedensfest in Augsburg hatte „Zaide“Premiere, wieder ein Singspiel von Mozart und wieder eine Gemeinschaftsarbeit von professionellen Musikerinnen und Musikern mit Flüchtlingen.
Das Fragment „Zaide“ist eine Vorarbeit zur „Entführung aus dem Serail“. Dort wie hier geht es um eine Sklavin, die einem despotischen Sultan zu entkommen sucht und ihm doch ausgeliefert bleibt. In Augsburg trägt das zwischen 1779 und 1781 entstandene Werk den Untertitel „Eine Flucht“. Gesangsstücke und Orchestermusik stammen von dem berühmten Komponisten, auf das Libretto von Johann Andreas Schachtner wird hingegen verzichtet. Vielmehr haben Flüchtlinge aus Nigeria, Syrien, dem Irak und weiteren Ländern ihre eigenen Geschichten zu Texten verarbeitet.
Die geflohenen Künstler haben die Produktion auf Initiative des Stuttgarter Vereins „Zuflucht Kultur“mit einem europäischen Opernteam unter Regie von Julia Huebner auf die Beine gestellt. Ergebnis ist ein atmosphärisch dichter, emotionaler Abend, der viel Raum zum Nachdenken bietet in einer Zeit, da so viel vom Aufstand der Anständigen und vom Anstand der Zuständigen die Rede ist. Das wird schon vor der Premiere deutlich, als sich die Mezzosopranistin Cornelia Lanz an das Publikum wendet: „Unsere Flüchtlinge suchen noch nach Unterkünften. Vielleicht können Sie helfen.“
Schönklang und Grausamkeit
Auf der Bühne wird das Liebespaar Zaide und Gomatz von je drei Sängern und Schauspielern verkörpert, was zu einer bemerkenswerten szenischen Verdichtung führt. Der erste Teil zeigt die Erfahrungen bei der Flucht sowie als Ankommende in Europa, ein Schwanken zwischen Hoffnung, Verzweiflung und Unruhe. „Ich kann nicht schlafen“, lautet ein zentraler Satz. Danach dreht sich die Perspektive; ein deutsches Paar findet auf der Flucht vor Krieg Zuflucht in einem fiktiven arabischen Staat, wo es ähnliche Mechanismen von Angst, Vorbehalten und Hilfsbereitschaft gibt wie im Deutschland der Gegenwart.
Die packende Darstellung der Flüchtlingsschicksale wird begleitet von bemerkenswerten sängerischen Leistungen. Aus dem Ensemble ragen neben Lanz der Tenor Philipp Nicklaus (Gomatz) sowie der Bariton Kai Preußker (Allazim) heraus. Szenisch ist die Aufführung durch Reduktion geprägt, auf der Bühne stehen scheinbar wirr übereinander gestapelte Holzpodeste, die sich zu einer Insel auftürmen. Einige sind länglich und schmal, wie Särge geformt. Auf diesen Podesten sitzt das von Gabriel Venzago behutsam dirigierte Orchester, das sich aus Mitgliederen verschiedener Orchester zusammensetzt von den Münchner Philharmonikern bis zum Stadttheater Ulm.
Fast alle Musiker finden auf der linken Bühnenseite Platz. Das lässt an ein Flüchtlingsboot kurz vor dem Umkippen denken. Auch die Stimmung ist am Kippen, wenn eingängige Mozartarien wie „Ruhe sanft, mein holdes Leben“oder „Ewge Treu soll dich begleiten“ertönen, während Menschen gefoltert werden oder gefordert wird: „Abschrecken, abschotten, abschieben!“Schönklang und Grausamkeit – der Kontrast wirkt. Großer Beifall. Weitere 8. August 14 Uhr bei der Friedenstafel auf dem Augsburger Rathausplatz, 1. Oktober in Oberndorf, 2. Oktober in Biberach, 4. Oktober in Ulm, 6. Oktober in und nächstes Jahr am 8. August in Schwäbisch Gmünd. www.startnext.com/zaide