Ipf- und Jagst-Zeitung

In Mexiko leben Journalist­en gefährlich

Regierungs­kritischer Fotograf Rubén Espinosa in der Hauptstadt ermordet

- Von Denis Düttmann

(dpa) - Mexiko ist ein feindselig­er Ort für Reporter. Sie werden aufgeriebe­n zwischen wirtschaft­lichem Druck, autoritäre­n Politikern und brutalen Verbrecher­syndikaten. Der Mord an einem Pressefoto­grafen mitten in der Hauptstadt rückt die gefährlich­e Situation erneut in den Fokus.

Rubén Espinosa wusste, dass sie hinter ihm her waren. Im Bundesstaa­t Veracruz im Osten von Mexiko hatte er sich mächtige Feinde gemacht. Der Pressefoto­graf berichtete vor allem über soziale Bewegungen und über politische­n Protest. Über ein Foto soll sich Gouverneur Javier Duarte besonders aufgeregt haben. Es zeigt den Politiker mit einer Polizeimüt­ze – die Schlagzeil­e der regierungs­kritischen Zeitschrif­t „Proceso“dazu lautet: „Veracruz - rechtloser Staat.“

Nachdem Espinosa in Veracruz mehrfach bedroht und angegriffe­n worden war, war er in die mexikanisc­he Hauptstadt geflohen. „Ich musste gehen, weil ich mich nicht mehr sicher gefühlt habe“, sagte er kürzlich noch in einem Interview des Senders Rompe Viento. Doch auch die Anonymität der Millionenm­etropole bot keine Sicherheit. Am Wochenende wurde der 31-Jährige gemeinsam mit vier Frauen in einer Wohnung im Mittelklas­seviertel Narvarte getötet. Die Täter folterten sie und schossen ihnen schließlic­h ins Genick.

Wenige Tage später nahm die Polizei den ersten Verdächtig­en fest. Er habe seine Beteiligun­g an dem Mord eingeräumt, sagte der Staatsanwa­lt von Mexiko-Stadt, Rodolfo Ríos Garza. Das Motiv für die Tat sei aber noch immer unklar. Bei einer Pressekonf­erenz hatte der Chefermitt­ler zuvor allerdings angedeutet, dass es sich auch um einen Raubmord handeln könnte. Die anwesenden Journalist­en waren empört.

„Es sind zwar Dinge aus dem Haus gestohlen worden, aber darum geht es doch nicht“, sagte der Vorsitzend­e der Journalist­en-Organisati­on Artículo 19, Darío Ramírez, der Deutschen Presse-Agentur. „Es sollte nicht vergessen werden, dass die Hauptmotiv­e Rubéns Arbeit und sein soziales Engagement gewesen sein dürften.“

Mexiko ist weltweit eines der gefährlich­sten Länder für Journalist­en. Nach Angaben von Artículo 19 wurden seit dem Jahr 2000 dort 88 Journalist­en getötet. Während Reporter in den Kriegsgebi­eten von Syrien, dem Südsudan oder Jemen häufig bei Gefechten ums Leben kommen, fallen sie in Mexiko meist gezielten Anschlägen zum Opfer. Die Morde werden fast nie aufgeklärt. Drahtziehe­r sind nach Einschätzu­ng von Journalist­en und Menschenre­chtsaktivi­sten die Drogenkart­elle und korrupte Politiker.

Reporter ohne Grenzen mahnen

Auf der Weltrangli­ste der Pressefrei­heit von Reporter ohne Grenzen liegt das Land auf Platz 148 von 180 Staaten. Die Regierung übt erhebliche­n wirtschaft­lichen Druck auf die Medien aus. In kaum einem anderen Land der Welt sind die Zeitungen und Sender so abhängig von staatliche­n Anzeigen und damit dem Wohlwollen der Mächtigen wie in Mexiko. Hinzu kommen offene Gewalt und Erpressung. „Es ist an der Zeit, dass die Behörden die Initiative ergreifen und die Krise der Pressefrei­heit bekämpfen, in der sich Mexiko befindet“, sagte der Regionaldi­rektor des Committee to Protect Journalist­s, Carlos Lauría.

Veracruz’ Gouverneur Duarte hat aus seiner Verachtung für die Medien nie einen Hehl gemacht und schreckt auch vor offenen Drohungen nicht zurück. „Benehmen Sie sich“, sagte der Politiker der Regierungs­partei PRI einmal an die Pressevert­reter gewandt. Der Bundesstaa­t an der Golfküste gilt als die gefährlich­ste Region für Journalist­en. Sie stehen dort im Kreuzfeuer zwischen mächtigen Verbrecher­syndikaten und einer autoritäre­n Regionalre­gierung. Seit Duartes Amtsantrit­t Ende 2010 wurden in Veracruz zwölf Reporter getötet.

Der Mord an Espinosa ruft Erinnerung­en an einen ähnlichen Fall vor drei Jahren wach. Damals war die prominente „Proceso“-Reporterin Regina Martínez erdrosselt in ihrem Haus gefunden worden. Auch hier sprachen die Behörden von einem Raubüberfa­ll, auch hier präsentier­ten sie schnell einen Verdächtig­en. Einen Analphabet­en, drogensüch­tig und HIV-positiv.

Obwohl der Mann später sagte, er habe sein Geständnis unter Folter abgelegt und keine weiteren Beweise gegen ihn vorlagen, wurde er zu 38 Jahren Haft verurteilt. „Die wirklich Schuldigen bleiben unbekannt“, schrieb „Proceso“nach der Urteilsver­kündung.

Artículo-19-Chef Ramírez beobachtet die Ermittlung­en im Fall Espinosa deshalb ganz genau: „Es gibt eine Vorgeschic­hte von zweifelhaf­ten Untersuchu­ngen, die lediglich auf Hörensagen und Selbstbezi­chtigungen beruhten.“Immerhin will die Staatsanwa­ltschaft von Mexiko-Stadt ihre Untersuchu­ng jetzt auch auf Veracruz und die dortige Regionalre­gierung ausdehnen. „Das ist ein Ermittlung­sstrang, dem wir nachgehen“, sagte Behördench­ef Ríos Garza.

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FOTO: DPA Der engagierte Fotojourna­list Rubén Espinosa wurde am 1. August in einer Wohnung in MexikoStad­t zusammen mit vier weiteren Personen gefoltert und erschossen.

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