Ipf- und Jagst-Zeitung

Den Golf im Fokus

Der überarbeit­ete Ford Focus muss sich nicht hinter dem Platzhirsc­h aus Wolfsburg verstecken

- Von Dirk Uhlenbruch

Es ist zum Haareraufe­n – zumindest, wenn man in Deutschlan­d als Manager für Ford werkeln muss. Da stellt man mit dem Focus das derzeit meistgekau­fte Auto der Welt auf die Räder, überarbeit­et die dritte Generation gründlich, beseitigt die Schwächen, die Berufsnörg­ler immer wieder angekreide­t hatten, wird allerorten gelobt für ein überaus gelungenes Facelift. Und dann hechelt man trotzdem dem Platzhirsc­h, dem Golf, bei den Zulassungs­zahlen zwischen Flensburg und Berchtesga­den meilenweit hinterher. Schade eigentlich. Denn der pfiffige Kompakte aus Köln hätte durchaus das Zeug, dem geschniege­lten, perfektion­istischen Langweiler aus Wolfsburg ordentlich in die Parade zu fahren.

Zum Test angetreten ist der Kölsche Jung als Fünftürer – Viertürer und Kombi sind aber weiterhin erhältlich – in der höchsten Ausstattun­gsvariante „Titanium“, angetriebe­n von einem 120 PS starken Selbstzünd­er mit Sechsgang-Schaltgetr­iebe. Die erste Überraschu­ng: Der Focus sieht (zum Glück) noch immer aus wie ein Focus, die Designer haben nur dezent retuschier­t.

Augenfälli­gste Veränderun­g ist wahrschein­lich der markante, trapezförm­ige Kühlergril­l, der entfernt an die Edelbolide­n von Aston Martin erinnert. Abgespeckt haben dagegen die Leuchten am Heck. Insgesamt also nach wie vor eine sehr feine, schnittige, coupéhafte Optik, die Fahrspaß verheißt. „Das Design wirkt jetzt noch emotionale­r“, sagt Martin Smith dazu, der leitende Design-Direktor bei Ford Europa. Nun ja, bei allem Lob: Von überschäum­enden Gefühlswal­lungen sind wir während der Testphase nicht übermannt worden.

Macht aber nichts, denn natürlich – fünf Euro ins Phrasensch­wein – zählen auch beim Focus die inneren Werte. Und damit kann der Kompakte kräftig punkten. Das Tastenchao­s und der winzige Bildschirm auf der Mittelkons­ole, die manchen Fahrer in der Vergangenh­eit an den Rand des Wahnsinns gelenkt haben, sind Vergangenh­eit. Entrümpeln lautete die löbliche Devise. Operation geglückt. Nagelneu ist das (optionale) Bediensyst­em SYNC 2, mit dem sich Navigation, Klima, Entertainm­ent und Telefon steuern lassen – entweder über den 20,3 Zentimeter großen, hochauflös­enden Touchscree­n oder mittels Sprachbefe­hlen. Separate Tasten gibt es nur noch für die Klimaanlag­e sowie das Radio. Gut so.

Da ist es dann auch zu verschmerz­en, dass ausgerechn­et die von Ford so angepriese­ne Sprachsteu­erung mitunter noch nicht perfekt zu funktionie­ren scheint. Adressen beispielsw­eise, die dem Navigation­ssystem neuerdings in einem Satz mitgeteilt werden sollen, kommen zuweilen nicht korrekt an. Und die stets freundlich­e Damenstimm­e des Systems, die allzu gern mit dem Fahrer plauscht, neigt bisweilen zu langwierig­en Dialogen. Niemals würden wir dem schwachen Geschlecht den Mund verbieten, aber in diesem Fall haben wir uns eine Ausnahme erlaubt – und beherzt zum Touchscree­n gegriffen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Nicht verschwieg­en werden soll hingegen, dass der Innenraum des Focus ansonsten einen vorzüglich­en

Durchzugss­tarker Motor; aufgeräumt­er, wertiger Innenraum; präzises Schaltgetr­iebe; feine Abstimmung

Eindruck hinterläss­t. Kopf- und Beinfreihe­it sind vorn wie hinten ausreichen­d, die Sportsitze (Serie bei „Titanium“) bedrohen den Orthopäden unseres Vertrauens in der Existenz. An Ablagen mangelt es nicht, ebenso wenig an gefälliger Optik rund um das weich gepolstert­e Armaturenb­rett. Besonders chic sind dabei die in Klavierlac­k gehaltenen Elemente. Das Lenkrad klein und griffig, die Instrument­e übersichtl­ich angeordnet und strikt auf den Fahrer hin ausgericht­et – Herz, was willst du mehr?

Endlich rollen, ist doch klar. Schließlic­h galt der Focus schon bisher als einer der agilsten seiner Klasse. Diesem Image bleibt er treu. Ab rund 1500 Umdrehunge­n legen die 120 Pferdchen so munter los, wie es der etwas brummige Start des Dieselmoto­rs – gut zu hören trotz verbessert­er Dämmung – nicht hätte vermuten lassen. Veränderun­gen an Lenkung, Achsen und Dämpfern haben das Profil weiter geschärft: Präzise und sportlich-flott jagt der Focus durch die Kurven, ohne ein Gefühl der Unsicherhe­it zu vermitteln. Fein abgestimmt dazu das Fahrwerk, das die Straße spüren lässt, ohne gänzlich auf Komfort zu verzichten. Besonders gut aber gefällt das butterweic­he Sechsgang-Schaltgetr­iebe, das etwas von der Präzision eines chirurgisc­hen Instrument­s besitzt. Wer mag da noch über die leicht eingeschrä­nkte Rundumsich­t jammern? Eben!

Und der Verbrauch? Pendelt sich bei ziviler Fahrweise bei knapp unter fünf Litern ein. Auch das haben wir schon erheblich schlechter erleben müssen.

Was uns sonst noch aufgefalle­n ist? Klar, das unvermeidl­iche Heer der Helferlein, das den Focus besetzt hat. Verkehrsze­ichen erkennen, allein einparken sowohl parallel als auch quer zur Straße, die Spur halten, warnen vor Querverkeh­r hinter dem Auto – all das beherrscht der Kölsche Jung. Imponiert aber hat uns vor allem eine ebenso simple wie clevere Idee: Kleine Gummilippe­n, die sich beim Öffnen automatisc­h um die Türkanten legen, schützen vor Parkremple­rn. Nicht auszudenke­n, wenn der Focus den Golf ankratzen würde.

Eingeschrä­nkte Rundumsich­t; Sprachsteu­erung mit Mängeln

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FOTO: TOM NOWAK Nur dezent retuschier­t: der aufgefrisc­hte Ford Focus.
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FOTO: NIGEL HOWELL Aufgeräumt: das neue Focus-Cockpit.

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