Den Golf im Fokus
Der überarbeitete Ford Focus muss sich nicht hinter dem Platzhirsch aus Wolfsburg verstecken
Es ist zum Haareraufen – zumindest, wenn man in Deutschland als Manager für Ford werkeln muss. Da stellt man mit dem Focus das derzeit meistgekaufte Auto der Welt auf die Räder, überarbeitet die dritte Generation gründlich, beseitigt die Schwächen, die Berufsnörgler immer wieder angekreidet hatten, wird allerorten gelobt für ein überaus gelungenes Facelift. Und dann hechelt man trotzdem dem Platzhirsch, dem Golf, bei den Zulassungszahlen zwischen Flensburg und Berchtesgaden meilenweit hinterher. Schade eigentlich. Denn der pfiffige Kompakte aus Köln hätte durchaus das Zeug, dem geschniegelten, perfektionistischen Langweiler aus Wolfsburg ordentlich in die Parade zu fahren.
Zum Test angetreten ist der Kölsche Jung als Fünftürer – Viertürer und Kombi sind aber weiterhin erhältlich – in der höchsten Ausstattungsvariante „Titanium“, angetrieben von einem 120 PS starken Selbstzünder mit Sechsgang-Schaltgetriebe. Die erste Überraschung: Der Focus sieht (zum Glück) noch immer aus wie ein Focus, die Designer haben nur dezent retuschiert.
Augenfälligste Veränderung ist wahrscheinlich der markante, trapezförmige Kühlergrill, der entfernt an die Edelboliden von Aston Martin erinnert. Abgespeckt haben dagegen die Leuchten am Heck. Insgesamt also nach wie vor eine sehr feine, schnittige, coupéhafte Optik, die Fahrspaß verheißt. „Das Design wirkt jetzt noch emotionaler“, sagt Martin Smith dazu, der leitende Design-Direktor bei Ford Europa. Nun ja, bei allem Lob: Von überschäumenden Gefühlswallungen sind wir während der Testphase nicht übermannt worden.
Macht aber nichts, denn natürlich – fünf Euro ins Phrasenschwein – zählen auch beim Focus die inneren Werte. Und damit kann der Kompakte kräftig punkten. Das Tastenchaos und der winzige Bildschirm auf der Mittelkonsole, die manchen Fahrer in der Vergangenheit an den Rand des Wahnsinns gelenkt haben, sind Vergangenheit. Entrümpeln lautete die löbliche Devise. Operation geglückt. Nagelneu ist das (optionale) Bediensystem SYNC 2, mit dem sich Navigation, Klima, Entertainment und Telefon steuern lassen – entweder über den 20,3 Zentimeter großen, hochauflösenden Touchscreen oder mittels Sprachbefehlen. Separate Tasten gibt es nur noch für die Klimaanlage sowie das Radio. Gut so.
Da ist es dann auch zu verschmerzen, dass ausgerechnet die von Ford so angepriesene Sprachsteuerung mitunter noch nicht perfekt zu funktionieren scheint. Adressen beispielsweise, die dem Navigationssystem neuerdings in einem Satz mitgeteilt werden sollen, kommen zuweilen nicht korrekt an. Und die stets freundliche Damenstimme des Systems, die allzu gern mit dem Fahrer plauscht, neigt bisweilen zu langwierigen Dialogen. Niemals würden wir dem schwachen Geschlecht den Mund verbieten, aber in diesem Fall haben wir uns eine Ausnahme erlaubt – und beherzt zum Touchscreen gegriffen. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Nicht verschwiegen werden soll hingegen, dass der Innenraum des Focus ansonsten einen vorzüglichen
Durchzugsstarker Motor; aufgeräumter, wertiger Innenraum; präzises Schaltgetriebe; feine Abstimmung
Eindruck hinterlässt. Kopf- und Beinfreiheit sind vorn wie hinten ausreichend, die Sportsitze (Serie bei „Titanium“) bedrohen den Orthopäden unseres Vertrauens in der Existenz. An Ablagen mangelt es nicht, ebenso wenig an gefälliger Optik rund um das weich gepolsterte Armaturenbrett. Besonders chic sind dabei die in Klavierlack gehaltenen Elemente. Das Lenkrad klein und griffig, die Instrumente übersichtlich angeordnet und strikt auf den Fahrer hin ausgerichtet – Herz, was willst du mehr?
Endlich rollen, ist doch klar. Schließlich galt der Focus schon bisher als einer der agilsten seiner Klasse. Diesem Image bleibt er treu. Ab rund 1500 Umdrehungen legen die 120 Pferdchen so munter los, wie es der etwas brummige Start des Dieselmotors – gut zu hören trotz verbesserter Dämmung – nicht hätte vermuten lassen. Veränderungen an Lenkung, Achsen und Dämpfern haben das Profil weiter geschärft: Präzise und sportlich-flott jagt der Focus durch die Kurven, ohne ein Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln. Fein abgestimmt dazu das Fahrwerk, das die Straße spüren lässt, ohne gänzlich auf Komfort zu verzichten. Besonders gut aber gefällt das butterweiche Sechsgang-Schaltgetriebe, das etwas von der Präzision eines chirurgischen Instruments besitzt. Wer mag da noch über die leicht eingeschränkte Rundumsicht jammern? Eben!
Und der Verbrauch? Pendelt sich bei ziviler Fahrweise bei knapp unter fünf Litern ein. Auch das haben wir schon erheblich schlechter erleben müssen.
Was uns sonst noch aufgefallen ist? Klar, das unvermeidliche Heer der Helferlein, das den Focus besetzt hat. Verkehrszeichen erkennen, allein einparken sowohl parallel als auch quer zur Straße, die Spur halten, warnen vor Querverkehr hinter dem Auto – all das beherrscht der Kölsche Jung. Imponiert aber hat uns vor allem eine ebenso simple wie clevere Idee: Kleine Gummilippen, die sich beim Öffnen automatisch um die Türkanten legen, schützen vor Parkremplern. Nicht auszudenken, wenn der Focus den Golf ankratzen würde.
Eingeschränkte Rundumsicht; Sprachsteuerung mit Mängeln