Kritik am BKA im NSU-Ausschuss
NSU-Untersuchungsausschuss bringt keine Hinweise auf Komplizen im Südwesten
(dpa) - Im NSU-Untersuchungsausschuss hat der Ex-Leiter der Staatsschutzabteilung im Landeskriminalamt (LKA) Kritik am Bundeskriminalamt (BKA) geäußert. Die Anforderung von Akten für Ermittlungen im NSU-Umfeld sei nicht immer erfolgreich gewesen, so der Zeuge am Montag. Die Untersuchung habe letztlich das Ergebnis gebracht, dass die Verdächtigen Kontakte nach Baden-Württemberg pflegten. Hinweise auf weitere Taten hätten sich nicht ergeben.
- Wie eng waren die Kontakte der Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“(NSU) nach Baden-Württemberg? Und wie gut funktionierte die Zusammenarbeit zwischen Ermittlern in Bund und Land? Mit diesen Fragen hat sich der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags am Montag beschäftigt. Fazit: gemeinsame Datenauswertung und Aktenaustausch liefen schleppend, belastbare Beweise für NSU-Helfer aus dem Südwesten gibt es nach Ansicht der Behörden weiter keine.
Auch ohne Beweise für eine konkrete Beteiligung an den NSUMorden: Das Trio aus Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe hatte enge Kontakte nach BadenWürttemberg. Die drei sollen zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordet haben, darunter die Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter. Die drei haben immer wieder Rechtsextreme im Raum Ludwigsburg getroffen. Dazu gehörten Besuche bei Michael E., einem bekannten Mitglied der Szene und Schlagzeuger der Band „Kettenhunde“. Man habe zwischen 1992 und Anfang der 2000er-Jahre zusammen einschlägige Kneipen besucht, einzelne Mitglieder des Trios seien immer wieder E.s Gäste gewesen. So schilderte es am Montag Barbara E.-N., die damals Teil von Michael E.s Freundeskreis war. Sie selbst habe nie über politische Inhalte mit dem Trio gesprochen. „Wir hatten viel Spaß, haben viel getrunken, was man halt so macht“, schilderte E.-N. die Treffen.
Beate Zschäpe habe mehrmals bei ihr übernachtet: „Die war eigentlich ein ganz nettes Mädchen, wir haben über Klamotten und so geredet.“
Besuch aus Sachsen und Thüringen
Bis zu 30 solcher Stippvisiten konnten Ermittler rekonstruieren. 18 Personen aus dem NSU-Umfeld sollen nach Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) zumindest vorübergehend in Baden-Württemberg gelebt haben. Viele kamen aus Sachsen und Thüringen, also aus der Heimat des NSUTrios.
Trotz dieser offenkundigen Nähe zwischen dem NSU-Trio und Rechtsextremen in Baden-Württemberg gebe es laut den Ermittlern von Bundesund Landesbehörden keine konkreten Belege für weitere Taten des NSU im Land oder aktive Hilfe bei deren Morden.
Die Verbindungen nach Ludwigsburg kamen erst 2013 ans Licht. Schuld waren Fehler in der Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden vor allem aus Thüringen und Sachsen. So hatten Ermittler in Jena bereits 1998 eine Liste mit Kontaktpersonen von Mundlos gefunden – darauf standen auch rechtsextremistische Personen aus BadenWürttemberg. Behörden in Stuttgart erhielten diese erst 15 Jahre später. BKA und Thüringens LKA schoben sich die Schuld gegenseitig zu. „Hätten wir diese Erkenntnisse früher ausgetauscht, hätte man wesentlich früher Verbindungen des NSU nach Baden-Württemberg nachgehen können“, sagte am Montag der stellvertretende Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz.
2012 hatten sich Beamte des LKA über einen schleppenden Informationsaustausch mit den Kollegen vom BKA beschwert. Unter anderem mussten die Ermittler aus Stuttgart Informationen über Sympathisanten des NSU in Baden-Württemberg schriftlich anfordern – mit Angaben der gewünschten Seiten einer Akte und rechtlicher Begründung. Die Beamten aus Baden-Württemberg fuhren für die Akteneinsicht persönlich zur zuständigen BKA-Stelle im nordrhein-westfälischen Meckenheim. Dies sei unkomplizierter vonstattengegangen, als es klinge, sagte am Montag ein BKA-Beamter. Grund für die Vorkehrungen sei der Datenschutz: „Auch Polizeibehörden dürfen sensible Daten nicht einfach über die Republik verteilen.“
„Zeitaufwendige“Kommunikation
Das sieht der damals zuständige Chef des Staatsschutzes im LKA anders. Dort hatte das Land kurz nach Auffliegen der NSU-Morde im November 2011 eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Diese sollte die rechtsextreme Szene im Land beleuchten. Bis 2013 sei der Austausch mit dem BKA dazu „sehr zeitaufwendig“gewesen, sagte der Staatsschutz-Chef am Montag. Der Generalbundesanwalt musste jede Bitte auf Akteneinsicht genehmigen, zum Teil seien die Ansinnen der Landesermittler abgewiesen worden. Erst nach einem Gespräch mit den BKA-Verantwortlichen habe sich dies gebessert.
Allerdings äußerte der badenwürttembergische Beamte Verständnis für die Bundeskollegen. Der hohe öffentliche Druck habe dazu geführt, dass diese Prioritäten hätten setzen müssen. Dazu habe das weitere Umfeld des NSU in Baden-Württemberg nicht gezählt – weil Hinweise auf Komplizen sich nicht erhärteten.